M 04.06 PC-Spiele auf den Index?
 


Warum kommen Spiele auf den Index? Die Einschätzung brutaler Computerspiele durch die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften.

Als die Software-Firma id 1993 das Spiel DOOM auf den Markt brachte, reagierten die Stadtjugendämter einiger deutscher Städte schnell. Sie beantragten die Indizierung des Spiels durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPfS) als jugendgefährdend. (Indizierung bedeutet, dass Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen der Medien gegenüber Kindern und Jugendlichen ist verboten).

"Sofortige Betätigung der Waffe unumgänglich"
Das Spiel bot eine für damalige Verhältnisse sehr fortschrittliche Grafik. Der Spieler übernimmt selbst die Rolle des Helden einer schlichten Science fiction Story. Vor sich auf dem Bildschirm sieht er eine Hand mit einer Waffe, die seine eigene darstellt. Mit Hilfe von Maus und Tastatur bewegt er sich durch eine dreidimensionale Szenerie. Lebewesen, auf die er stößt, muss er mit allen Mitteln, von der Faust bis zur Kettensäge, töten. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften stellte den Spielinhalt in ihrer Indizierungsentscheidung folgendermaßen dar: "Die sofortige Betätigung der eigenen Waffe ist unumgänglich, da sonst umgekehrt der Erschießungstod bzw. ein Zerfleischen droht.

Tötungsszenarien realistisch und überaus blutig
Die Tötungsszenarien werden sehr realistisch und überaus blutig inszeniert: Das jeweilige Opfer verwandelt sich in blutig auseinanderstrebende Fleischfetzen. Auf der Tonspur werden Geräusche des Einwirkens der Waffe sowie Todesschreie simuliert." "Es geht stets darum, sich der permanenten Angriffe menschlicher Uniformträger bzw. variantenreicher tierähnlicher Monster durch reaktionsschnelles, automatisiertes Betätigen der eigenen Waffe zu erwehren. Das Aufsammeln diverser leistungssteigernder bzw. schutzgewährender Utensilien tritt demgegenüber in den Hintergrund." Die Hersteller gaben selbst ebenfalls zu, dass DOOM tatsächlich "teilweise recht blutig inszeniert" sei. Aufgrund des Science-Fiction-Charakters seiner Szenarien hätte es keinerlei Realitätsbezug und sein Wirkungspotential sei daher mit dem eines Märchens vergleichbar. Die Bundesprüfstelle war nicht bereit, dem zu folgen. Sie stellte vielmehr fest, dass DOOM geeignet sei, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren.

Sozialethische Desorientierung
Diese sozialethische Desorientierung, so die BpJS, rührt aus der Einübung des gezielten Tötens. "Die programm-immanente Logik bindet den Spieler an ein automatisiertes Befehls- und Gehorsamsverhältnis, dessen wesentlicher Kern das reaktionsschnelle, bedenkenlose Töten menschen- bzw. tierähnlicher Gegenüber ausmacht. Möglichkeiten des Ausweichens oder ähnlicher non-aggressiver Konfliktlösungen existieren nicht So ist ein Zugewinn lebenserhaltender bzw. spielverlängernder Waffen sowie der dazugehörigen Munition über weite Strecken an das Ausschalten gegnerischer Figuren gebunden. Ein erfolgreiches Durchspielen des Programmes wird somit einzig durch die Liquidation zahlloser Gegner gewährleistet, wobei die Akte der Liquidation gleichzeitig auf mannigfaltiger Art und Weise positiv verstärkt werden. So z.B. durch die aufwendige Darstellung blutig zerfetzter gegnerischer Körper."Gerade die realistische Darstellungsweise störte die Vertreter der Prüfstelle: "Der Tod des Gegners wird auf extrem blutige Art und Weise dargestellt und durch eine entsprechende akustische Untermalung (Geräusche der einwirkenden Waffe/Todesschreie) zusätzlich verdeutlicht.

Sinkt der Respekt vor dem Leben anderer?
Hier werden Verhaltensweisen trainiert, die die körperliche Integrität und Unversehrtheit des Gegenübers negieren. Das birgt die Gefahr in sich, dass der Respekt vor dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit anderer herabsinkt. Hemmschwellen, die jeder Tötungs- und Verletzungshandlung entgegenstehen, werden auf diese Weise abgebaut.

Nicht unter 18 Jahren geeignet
Ähnlich urteilte die BPfJ auch über das wenig später vermarktete Spiel DUKE NUKEM 3D. Die Unterhaltungs Software Selbstkontrolle (USK), Berlin, hatte das Spiel schon als "für Jugendliche unter 18 Jahre nicht geeignet" bewertet und festgestellt, dass es "in seiner Anlage jugendgefährdend" sei. Wie die Prüfstelle festhielt, sind als Folge des möglichst effektiven Abschlachtens bzw. fortgesetzten Tötens Abstumpfungseffekte (in Form einer bewusstseinsmäßigen Verrohung und Verharmlosung von Gewalt) zu befürchten.

Kritik durch PC Player
In ihrer Einschätzung des Spiels als für Kinder ungeeignet war die BPfJ übrigens nicht ganz allein. Auch Besprechungen in Software-Magazinen stellten - bei aller Begeisterung für die Grafik des Spiels - fest, dass es für Kinder "auf gar keinen Fall" geeignet ist.

Aus: Markus C. Schulte: Mörderische Medien: "Blutig auseinanderstrebende Fleischfetzen", 17.04.2001
http://sueddeutsche.de/gesundheit/dossier/01357/
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