M 04.08 Computerspiele - oft nichts für Mädchen
 


Die Hälfte der Top-Computerspiele sollen negative Inhalte für Mädchen enthalten

Die Spiele-Industrie ist längst kein Nebenschauplatz mehr, sondern eine Milliarden Dollar schwere Branche. Allein in den USA wurden 1999 für 6,1 Milliarden US-Dollar Video- und Computerspiele verkauft. Gleichwohl ist die Mehrheit der Spieler noch immer männlich. Auch wenn Jungen und Mädchen mittlerweile etwa dieselbe Zeit vor dem Computer verbringen, beschäftigen sie sich meist nicht mit Spielen. Das aber liegt, so Children Now [0], eine Organisation für die Belange von Kindern, vorwiegend an den Spielen selbst, die meist nur ür Jungen und Männer gemacht werden.

Die Hälfte der 10 am meisten für Sony PlayStation, Sega Dreamcast und Nintendo 64 verkauften Spiele enthalten für Mädchen negative Botschaften. Darunter rechnet Children Now Gewalt, die Darstellung nicht realistischer Körperformen und stereotype Verhaltensweisen von Frauen wie provokative Sexualität, hohe Stimmen und Schwächeanfälle. In 54 Prozent der Spiele, die in der Untersuchung berücksichtigt wurden, kämen Frauen vor, Männer hingegen in 92 Prozent der Spiele. Wenn Frauen überhaupt mitspielen, dann werden sie oft mit ungewöhnlich großen Brüsten und kleinen Hüften dargestellt. In der Hälfte der Spiele sind die Frauenfiguren gewalttätig oder kämpfen sie. Die Hälfte aller Spiele enthält Gewaltdarstellungen.
In einem früheren Bericht von Children Now habe sich herausgestellt, dass die Mädchen von den Stereotypen der Frauendarstellungen in den Medien (Fernsehen, Kinofilme, Werbung oder Zeitschriften) beeinflusst würden. Zwei Drittel hätten gesagt, dass sie gerne so aussehen würden wie eine Schauspielerin im Fernsehen, ein Drittel gab zu, bereits etwas getan zu haben, um dem Medienvorbild ähnlicher zu werden. Die Gefahr droht bei den comichaften Heldinnen der Computerspiele wie Lara Croft oder Joanna Darc zumindest noch nicht. Children Now meint allerdings, dass hier die Gefährdung weniger von der Darstellung, sondern eher von der Gewalt im Spiel käme.

Mädchen nämlich würden, wie sich in einer Reihe von Untersuchungen herausgestellt habe, Spiele ohne Gewalt bevorzugen. Wenn sie selbst Spiele entwerfen, dann eher solche ohne Gewalt mit einem positiven Feedback für den Spieler. Sie entwerfen auch keine "bösen" Figuren, und das Ziel der Spiele ist nicht der Tod des Bösen. Die Jungen hingegen ziehen Gewalt und Spiele vor, die schnelle Reaktionen verlangen. Und meist kämen eben nur solche Spiele für die Jungen auf den Markt, d.h. überwiegend Sportspiele oder Ego-Shooter-Spiele. Auch die anderen gewalttätigen Spiele haben meist eine einfache Geschichte, die mit der Ermordung des Gegners ende. Spiele und Geräte, die ursprünglich für Jungen entwickelt wurden, verändere man für Mädchen oft nur in ihrem Erscheinungsbild - im Extrem gibt es dann nur die Farbe Rosa wie beim Game Boy für Mädchen. Sportspiele mit Frauendarstellerinnen gibt es in der Tat kaum, auch wenn bereits das erste Frauenfußballspiel - Hamm Soccer 64 - auf den Markt gekommen ist. Patti Miller, Direktorin bei Children Now, meint: "Die Forschung belegt, dass Mädchen Spiele wollen, die motivieren und herausfordern und die unterhaltsam sind, aber sie wollen keine 'Mädchenversionen' von Spielen, die ursprünglich für Jungen gemacht wurden."

Na gut, ließe sich sagen, schadet den Mädchen möglicherweise auch nichts, wenn sie weniger Zeit mit den Spielen verbringen, die oft genug ja nicht besonders gerade die Geisteskraft stärken, höchstens die sensomotorische Reaktionsgeschwindigkeit von Finger und Auge strapazieren. Junge Mädchen benutzen den Computer vorwiegend, um mit FreundInnen zu kommunizieren oder Informationen zu holen, anstatt die Zeit mit Herumgeballere und Herumgerase zu verschwenden. Aber, so Children Now, warnend, die Mädchen würden ja gerne spielen, wenn sie nur andere Spiele hätten, überdies hätten Untersuchungen gezeigt, dass die Erfahrung mit Computern und Spielen in frühen Jahren auch die späteren Benutzungsformen prägen.

Mädchen scheinen ein wenig anspruchsvoller zu sein. Sie wollen Darsteller, mit denen man sich identifizieren kann, sie wollen komplizierte Geschichten auflösen und ein überzeugendes Ende haben, das mehr sein sollte als der Tod des Gegners. Bei CD-ROM-Versionen habe der Verkauf gezeigt, dass Mädchen eher problemlösende und kooperative Spiele wie Myst oder Spiele wie Tetris bevorzugen. Bei einer anderen Befragung gaben Mädchen an, dass sie an Geheimnissen, Abenteuern, Problemlösungen und kooperativem Vorgehen interessiert seien. Auch die Möglichkeit, Entscheidungen treffen und strategisch vorgehen zu können, scheint ihnen wichtiger zu sein als die Vorlieben der Jungen, die eher auf sich wiederholende Spielsequenzen oder Konkurrenz stehen.

Links:
[0] http://www.childrennow.org/

von Florian Rötzer, 16.12.2000, Verlag Heinz Heise, Hannover
http://www.telepolis.de/deutsch/special/game/4495/1.html
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