Differenzierung, Pluralisierung und Individualisierung von Familien-, Nachbarschafts-
und Lebensformen
(weil die Verbindlichkeit traditioneller normativer Erwartungen, Werthaltungen
und Zwänge, aber auch Wünsche und Glücksversprechen abgenommen hat, kann und
muss man mittlerweile jenseits des Kitts der alten Bindungen in einer Art provisorisch-situativen
Lebensabschnittsplanung individuell, aber durchaus institutionsabhängig zwischen
verschiedenen fragmentarischen Lebensentwürfen, Familien- und Beziehungskonstellationen,
Lebensmilieus und Lebensstilen auswählen; die zentrale Erfahrung heutigen Lebens
umfasst eine - nicht immer gelingende - Kombination von ganz unterschiedlichen,
zumeist segmentierten, zersplitterten und konkurrierenden Lebensformen);
merkliche Einkommensverbesserungen, Anhebung des Lebens- und Wohnstandards,
die Entfaltung einer Privatsphäre breiter Bevölkerungsschichten insbesondere
auch jenseits und trotz hoher, nie gekannter Arbeitslosenraten, am Rande der
Wohlstandszonen ausgestoßener, marginalisierter Minderheiten und Zwei-Drittel-Gesellschaft
(Langzeitarbeitslose, Alters- und Kinderarmut, Wohnungs- und Obdachlose, arbeitssuchende
Einwanderer usw.) sowie an die die damit einhergehende zunehmende Bedeutung
des Konsum- und Freizeitsektors (auch der Massenkonsum mit einem unübersehbaren
Angebot von Gütern weist neben standardisierten Tendenzen im Zuge der Auswahl
und Nutzung auch unverwechselbar individualisierende auf; man kann, soll und
muss, freilich nur, wenn die notwendigen Ressourcen vorhanden sind, zwischen
verschiedenen Biersorten, Fertiggerichten, Fernsehprogrammen, Waschmitteln,
Küchenzeilen, Reissorten, Gartenlauben, Autotypen, Glaubenselementen, Erziehungsmethoden
und vielem anderen mehr wählen; individualisierende und entindividualisierende,
konformistische Tendenzen in den Geschmäckern und Moden liegen eng beieinander,
fließende Übergänge und Überschneidungen sind an der Tagesordnung; [...]
Mobilitäts- und Bildungschancen des einzelnen
(auch in diesem Falle wird der einzelne nicht mehr nur qua Geburt, Stand und
Klasse bzw. aufgrund seiner sozialen, kulturellen, ökonomischen, regionalen
und ethnischen Herkunft vorbestimmt und auf bestimmte Entscheidungen festgelegt,
sondern er ist "frei" und zugleich gezwungen, zwischen verschiedenen Möglichkeiten
der Partnerwahl, der Religion, der Bildungs- und Berufswege der Persönlichkeitsentwicklung
zu wählen);
Pluralität und Vielfalt von Sinnangeboten und Lebensperspektiven sowie die
Vielstimmigkeit der Kultur
(wir werden heute ohne große soziale Unterstützung durch Traditionen, Rituale,
umfassende Ordnungen und zuverlässige Einbindungen in Lebensmilieus mit dem
pluralistischen Wertehorizont unserer Gesellschaft konfrontiert; eine stark
auf sich allein gestellte Selbstverortung in ethnischen, religiösen, politischen,
sozialen, kulturellen und ästhetischen Fragen muss vorgenommen und oftmals gegen
schwierige äußere Bedingungen auch durchgesetzt werden).