M 02.13 Die Kriminalstatistik
 


Für manche Deutsche, die darüber verzweifeln, wie viele ihrer Landsleute auf die schiefe Bahn geraten, ist es da fast ein Trost, wenn sie immer wieder in Meldungen den Hinweis darauf finden, dass eine Straftat von Ausländern begangen wurde - eine Messerstecherei mit Türken, ein offener Bandenkrieg unter „Jugoslawen", Raubüberfälle von Marokkanern im Rotlichtviertel. Da in der Presse bei keinem ausländischen Täter der Hinweis auf seine Nationalität vergessen wird, der aber bei deutschen Tätern naturgemäß unterbleibt, setzt sich zuerst halb unbewusst, dann bewusst der Eindruck fest, die Ausländer stellten den Löwenanteil der Verbrecher in Deutschland.

Was sagt die Polizei?

Die Kriminalstatistik scheint diesen Eindruck zunächst zu bestätigen. 1999 war - gemäß dem Bericht der Polizei in Nordrhein-Westfalen - jeder vierte von der Polizei ermittelte Tatverdächtige ein Ausländer. Doch weist die Polizei gleichzeitig darauf hin, dass ein brauchbarer Vergleich der nichtdeutschen mit der deutschen Kriminalität kaum möglich ist. Zunächst einmal: Als Ausländer werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik auch alle diejenigen Tatverdächtigen erfasst, die in der Statistik der ausländischen Wohnbevölkerung gar nicht mitgezählt werden: Illegal Eingereiste, Touristen, Stationierungskräfte. Von ihnen wurde fast ein Viertel aller Straftaten von Ausländern begangen. Damit ist die Kriminalstatistik verzerrt, der wirkliche Prozentsatz der bei uns lebenden ausländischen Tatverdächtigen also wesentlich niedriger.

Der schnelle Verdacht

Zweitens ist festzuhalten, dass ein erheblicher Unterschied zwischen Tatverdacht und tatsächlicher Anklageerhebung besteht. Nur ein Beispiel für viele: Vor der Staatsanwaltschaft beim Jugendgericht in Stuttgart wurden 1988 insgesamt 2626 Deutsche wegen einer Straftat angezeigt. Zur Anklage kam es dann in 1426 Fällen. Bei 1759 tatverdächtigen Ausländern reichte es aber nur in 677 Fällen zur Anklageerhebung. Offenbar werden Ausländer sehr viel schneller unbegründet einer Straftat verdächtigt als Deutsche.

Kleinkriminalität

Drittens werden zahlreiche Verfahren gegen Ausländer auch wegen Geringfügigkeit eingestellt. In erheblich höherem Maße als bei den Deutschen handelt es sich hier um sogenannte Kleinkriminalität, die mit Kriminalität im herkömmlichen Sinne (Raub, Mord, Einbruch, Betrug) nichts zu tun hat. So vermerkt der Bericht der Bundesregierung 1993 zum Beispiel, "dass 29 % der von Asylbewerbern begangenen Straftaten Verstöße gegen das Ausländergesetz und das Asylverfahrensgesetz darstellen" - Verstöße also in der Mehrzahl, die kaum als echte Kriminalität anzusehen sind, sondern sich gegen ein Ausnahmerecht nur für eine bestimmte Gruppe richteten, Vorschriften, deren Übertretung mit der spezifischen Situation der Asylbewerber zusammenhängt, und die bei einem Vergleich mit Straftaten der einheimischen Bevölkerung nicht herangezogen werden können. So liegt zum Beispiel eine Straftat bei einem Flüchtling bereits dann vor, wenn er unerlaubt seine Verwandten in einer Nachbarstadt besucht. Insgesamt liegt der Anteil der Ausländerkriminalität sicher über dem deutschen Anteil. Dabei sollte aber berücksichtigt werden, dass unter den Ausländern ein wesentlich höherer Anteil als bei den Deutschen unter schlechtesten sozialen Wohnbedingungen lebt, die Kriminalität begünstigen. Vor allem aber ist die Gruppe der jungen Männer in der ausländischen Wohnbevölkerung besonders stark vertreten. In dieser Gruppe aber gibt es generell mehr Kriminalität. Alles in allem ist in vergleichbarem Milieu die Ausländerkriminalität nicht höher als die deutsche.

Aus: Aktion Gemeinsinn e.V (Hrsg.): Die „Ausländer" und wir. Zahlen, Tatsachen und Argumente. Bonn 1993, S. 41 f. (Zahlen auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik NRW 1999 aktualisiert).

Arbeitshinweis:

1. Welche grundlegenden Aspekte sind bei der Analyse der Kriminalstatistik zu berücksichtigen, wenn man ein faires Urteil über das Verhältnis der Kriminalität bei Ausländern und Deutschen anstrebt?
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