Die Situation ist paradox. Zum einen werden ausländische Fachkräfte gesucht, zum anderen sind manche, die seit Jahren in Deutschland leben, von der Abschiebung bedroht. Saad zum Beispiel. Vor elf Jahren kam er aus dem Tschad, baute sich hier ein Leben auf, arbeitet heute als Programmierer für eine Kölner Autofirma. Er war mit einer Deutschen verheiratet, doch die Ehe scheiterte. Nun sehen die Behörden keinen Grund, warum er in Deutschland bleiben sollte. Kirsten Pape portraitiert Saad, der für sein Bleiberecht kämpft:
Saad tanzt gerne Salsa. Mindestens zwei mal pro Woche trifft er sich mit Freunden in den entsprechenden Kneipen. Mit Deutschen und Ausländern. Saad spielt auch gerne Fußball. Er hat in einem Bonner Verein gespielt, jetzt kickt er manchmal spontan in Parks mit. Der arabische Name Saad bedeutet übrigens: der glücklich Gewordene. Saad kommt aus dem Tschad. Er lebt seit fast 12 Jahren in Deutschland. Oft ist er sehr glücklich hier, aber oft auch ganz schön verbittert.
In Aachen hat der 32jährige Afrikaner Luft und Raumfahrttechnik studiert. Seit einem Jahr arbeitet er als Programmierer für eine Subfirma von Ford in Köln. Dort hat er unter anderem ein ganz neues Programm entwickelt. Saad ist eine wichtige Arbeitskraft für das Unternehmen.
„Ehrlich gesagt, ich fühle mich zuhause, ich fühle mich zuhause, sobald ich mit meinen Bekannten bin, mit meinen Freunden, ich hab unheimlich viele Freunde hier. Auf der anderen Seite, wenn ich irgendwo hingehe, wo die Leute denken Ausländer ist Ausländer, wirst Du dann schlecht behandelt, bei Behörden oder irgendwas, dann denkst Du, ist das jetzt Deine Wirklichkeit oder ist das eine Illusion?"
Leider hat Saad ziemlich viel mit der Wirklichkeit deutscher Behörden zu tun. Wie alle Ausländer hier. Nach mittlerweile 12 Jahren in der Bundesrepublik hat Saad seinen Lebensmittelpunkt hier. Er hat einen Arbeitsplatz, eine feste Beziehung mit einer Deutschen. Von seiner ersten deutschen Frau lebt er getrennt, das Scheidungsverfahren läuft gerade.
Doch jetzt soll er raus. Denn seine derzeitige Aufenthaltsgenehmigung beruhte auf dieser Ehe. Als das Ausländeramt erfuhr, dass die beiden sich scheiden lassen, verlängerte es seine Papiere nicht. Jetzt hat er nur noch eine auf wenige Wochen befristete Aufenthaltsgenehmigung. Mitte September muss er Deutschland voraussichtlich verlassen.
„Es fällt mir nicht einfach, einfach so zu packen und zu gehen. Wenn es hart auf hart kommt und man diese Papiere braucht, dann stößt man auf Leute, die einen behandeln, als wenn man von einem anderen Planeten kommt und hier nicht leben darf - diese Unerwünschtheit ist bei den Behörden total spürbar."
Obwohl Saad sich jetzt sogar einen auf Ausländerrecht spezialisierten Rechtsanwalt genommen hat, ist seine Situation derzeit völlig unklar. Er hatte gehofft, als Programmierer vielleicht eine Green Card zu bekommen, oder sich einbürgern lassen zu können. Doch beim Gespräch mit dem Anwalt stellte sich heraus, dass der nicht besonders gut informiert war über die neuen Regelungen - Saad wusste mehr als der Jurist. Und was er weiß, ist frustrierend: einbürgern lassen können sich nur Ausländer, die zum Zeitpunkt der Einbürgerung, also in frühestens einem Jahr, eine Aufenthaltsberechtigung oder Erlaubnis haben. Was auf ihn nach der derzeitigen Lage nicht zutrifft.
Und ob er als Programmierer eine Green Card bekommen wird, ist ebenfalls völlig unklar. Er hofft auf seinen Arbeitgeber. Wenn seine Freundin nicht wäre, würde er wahrscheinlich bald das Handtuch schmeissen und zurückgehen in den Tschad. So aber will er alles versuchen, um bleiben zu können. Obwohl er sich hier zunehmend unwohl fühlt als Mensch mit schwarzer Hautfarbe. Einer seiner afrikanischen Freunde ist kürzlich von Neonazis in Berlin ermordet worden, ein anderer in Aachen zusammengeschlagen. Ihm selbst ist noch nichts passiert, aber natürlich lebt er im ständigem Bewusstsein, dass es in Deutschland an der Tagesordnung ist, Ausländer zu beleidigen, zu schlagen, oder sogar zu töten.
„Ich hatte z.B. die Möglichkeit vor zwei Jahren, in Ostdeutschland zu promovieren. Aber ich hab die abgelehnt, weil ich hatte keine Lust dahinzugehen, und um 8 Uhr zuhause zu sein, weil ich hab einfach Angst, und ich will nicht weiter mit Angst leben."
Als seine Freundin ihn wegen dieser Erlebnisse einmal fragte, ob er die Deutschen nicht hasse, fragte er zurück: wer sind denn "DIE" Deutschen?
„Sind das denn meine Freunde, mit denen ich immer zu tun habe, und wir treffen uns, und ich mag sie total gerne? Oder sind das die Leute auf der Straße, denen ich nur einfach so begegne, ...oder sind das die Behörden, oder sind das die Skinheads - das ist ja der Unterschied, was ist denn Deutsch?"
In Köln fühlt Saad sich ziemlich sicher, doch er wünscht sich ein viel stärkeres Engagement gegen Ausländerfeindlichkeit als das bislang der Fall ist. Die Deutschen müssten seiner Meinung nach erst mal erkennen, dass Leute, die lange hier sind, ein Bestandteil der Bevölkerung sind.
„Wenn man dieses Signal gibt zu den Leuten, die meinen, dass sie von Blut oder von Ursprung her berechtigt sind, andere so zu behandeln, ihnen zu sagen: nein nein, die haben auch ein Recht hier, dann wird das Klima schon anders." „Die meisten Ausländer, die hier leben, wollten nichts lieber als sich integrieren, die Menschen und die Kultur hier kennen lernen", sagt Saad. „Nur: die machen den ersten Schritt und wenn sie zurückgewiesen sind, dann bleiben sie in ihren Ecken und das ist auch schlimm natürlich - Von beiden Seiten muss man was machen, muss man den Leuten die Möglichkeit geben, dass sie sich begegnen, z.B. Salsa, oder Fußball, wo man die Leute trifft, einfach so, man kann ganz leicht Freundschaften schließen."
Doch auch Saads deutsche Freunde können ihm im Moment nur wenig helfen. Wenn sich nicht über seinen Arbeitgeber und eine "Ermessensentscheidung" von Arbeits- und Ausländeramt eine Möglichkeit finden lässt, dass seine Papiere verlängert werden, muss er in 6 Wochen raus. Zurück in seine ursprüngliche Heimat. Vielleicht geht seine Freundin eine Zeit lang mit, bis sie eine Lösung finden, damit sie in Deutschland zusammenleben können.
„Im Tschad gibt es keinen Ausländerhass", sagt Saad. „Wenn einer aus Deutschland, Frankreich oder Japan kommt, der ist Gast und der Gast ist König, keiner wird kommen und sagen was machst Du hier, warum gehst Du nicht nach Hause... nach dem Motto: wann gehst du nur zurück, sofort - nachdem man sich kennengelernt hat - das gibt es nicht".