M 09.02 Ausländische Experten und Flüchtlinge
 


„Holt man mehr ausländische Experten ins Land, muss man die Zahl der Flüchtlinge verringern!"

Bundesinnenminister Otto Schily hat wegen seiner Einwanderungspolitik bereits harte Kritik von den Grünen und vom linken Flügel der SPD einstecken müssen. Vor allem weil er meint, man könne die Asyl- nicht von der Einwanderungspolitik trennen. Hole man mehr ausländische Experten ins Land, müsse man die Zahl der Flüchtlinge verringern. Was unweigerlich zur Folge hätte, den bereits von der alten Bundesregierung verschärften Artikel 16a des Grundgesetzes, den sogenannten Asylparagraphen, erneut zu ändern. Rüdiger Becker schildert schwierige Rolle des Innenministers bei der Zuwanderungspolitik.

Ein Interview von Otto Schily im vergangenen November schlug hohe Wellen. Nur drei Prozent der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, hatte der Bundesinnenminister gesagt, seien asylwürdig, der Rest seien Wirtschaftsflüchtlinge. "Unverantwortlich" nannten die Grünen diese Rechnung, der Berliner Landesbischof sprach von "verzerrender Demagogie", und auf dem Bundesparteitag der SPD einen Monat später hagelte es wütende Proteste. Schily nahm die Äußerung danach teilweise zurück, aber er bleibt bis heute dabei: Das Asylrecht, so wie es im Grundgesetz steht, ist auf Dauer nicht zu halten. Durch die Debatte über die Anwerbung ausländischer Technologieexperten und ein Zuwanderungsgesetz sieht Schily sich bestätigt.

„Mir geht es nicht darum, Asyl gegen Einwanderung auszuspielen, sondern es geht darum, dass wir in den Asylbewerberverfahren einen Großteil von Menschen haben, die das Asylverfahren benutzen, um eine Zuwanderung auf Zeit zu erzwingen, die aber keinen Asylanspruch haben. Also wenn Sie großzügig rechnen, dann kommen Sie, wenn Sie alles zusammennehmen, die Asylanerkennung und ein Bleiberecht vielleicht maximal auf zehn Prozent der Asylbewerber. Es geht darum, dass die neunzig Prozent , die keine solchen Bleiberechte haben, dass wir diese Zahl reduzieren."

Wer in Deutschland arbeiten will und wer hier auch als Arbeitskraft gebraucht wird, soll also nicht mehr durch die Tür mit der Aufschrift "Asyl" ins Land kommen, sondern durch den Haupteingang auf dem roten Teppich, den die Industrie schon ausgerollt hat. Der Innenminister wolle also nur noch die guten und nützlichen Ausländer bei uns haben und die politisch Verfolgten und Armutsflüchtlinge nicht, halten ihm Kritiker vor. Eben nicht, sagt Otto Schily, aber Asyl- und Einwanderungspolitik könne nicht mit Glaubenssätzen gemacht werden, sie müsse in der Realität bestehen. Luft verschafft hat sich der Minister mit der Einberufung einer überparteilichen Kommission. Die soll jetzt "ohne Tabus und Vorgaben", wie er sagt, Konzepte entwickeln, wie man Asyl und Zuwanderung voneinander trennen kann.

„Die Schwierigkeit dieser Diskussion ist, dass es bisher nicht gelungen ist in der öffentlichen Debatte das Differenzierungsvermögen der unterschiedlichen Problemlagen zu entwickeln, nämlich dass wir selbstverständlich an unseren Prinzipien festhalten, dass wir unter humanitären Vorzeichen sowohl Menschen aufnehmen, die politisch verfolgt sind, dass wir unter humanitären Gesichtspunkten Menschen aufnehmen, die vorübergehend in Not geraten sind, das sind die Bürgerkriegsflüchtlinge und dass wir drittens aber auch Menschen aufnehmen wollen entsprechend unseren eigenen Interessen. Und dass das alles miteinander vermengt wird, das ist das Problem und deshalb ist es gut, das mal aus dem politischen Tageskampf herauszunehmen. Das hat mich bewogen, diese Einwanderungskommission einzuberufen."

Und die soll nun eine Lösung finden. Den Bundesinnenminister stört, dass die derzeitigen Asylverfahren oft Jahre dauern, andererseits viele der als Arbeitskräfte Zuwanderer sehr viel schneller ein Aufenthaltsrecht bekommen könnten, wenn sie nicht das Asylverfahren durchlaufen müssten. Dennoch weist er alle Vorwürfe zurück, damit das Asylrecht ganz abschaffen oder aushöhlen zu wollen. Hier müsse es ohnehin eine gemeinsame europäische Lösung geben, sagt Otto Schily. Die werde aber nicht die deutschen Standards übernehmen können, von daher plädiert er dafür, das persönliche Grundrecht auf Asyl durch eine Garantie des Staates zu ersetzen, die aber nicht individuell einklagbar ist. Diese Position ist freilich den Vorstellungen der Opposition sehr viel näher als denen seiner eigenen Partei oder gar der Grünen.

Aus: Becker, Rüdiger: Schlüsselfigur - Die Rolle von Bundesinnenminister Otto Schily bei der Zuwanderungspolitik. Fremdenfeindlich, fremdenfreundlich - Die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz. Teil 1: Serie - 07.08. um 07:45 Uhr.

Arbeitshinweise:

1. Arbeite die Position Schilys in der Zuwanderungspolitik heraus!
2. Warum stößt diese Position auf so starke Kritik bei den Grünen und bei linken Sozialdemokraten?
3. Nimm Stellung zu der Position Schilys!
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