M 13.02 Zwei Gemeinden wollen keine Asylbewerber
 


Heim in Brand muss Luftschiffwerft weichen / Neubrück und Görlsdorf sollen Ausländer aufnehmen

Auf dem ehemaligen russischen Militärflugplatz in Brand (Dahme-Spreewald) ist am Freitag von Wirtschaftsminister Burkhard Dreher (SPD) das "Airship Design Center" eröffnet worden. In den Bürocontainern der CargoLifter AG sollen neue Fracht-Luftschiffe konstruiert werden. Für das Asylbewerberheim, das sich auf dem Gelände der zukünftigen Luftschiffwerft befindet, rückt damit das Ende näher. Bis spätestens 30. Juni müssen die 300 Asylbewerber umziehen. Doch in keiner der Gemeinden, die die Kreisverwaltung Dahme-Spreewald als neue Standorte in die engere Wahl gezogen hat, ist man offenbar bereit, die Asylsuchenden aufzunehmen.

Elf Gemeinden sind vom Sozialausschuss des Kreises geprüft worden. Am kommenden Dienstag will das Gremium über eine Beschlussvorlage für den Kreistag entscheiden. In der engeren Wahl sind noch zwei Varianten. Entweder sollen alle 300 Asylbewerber in einem ehemaligen Schulungsheim der Bahn in Neubrück, einem Ortsteil des 1 800 Einwohner zählenden Groß Köris, untergebracht werden. Oder die Ausländer werden auf das Heim in Neubrück und eines in Görlsdorf, einem 550-Einwohner-Ort bei Lukkau, aufgeteilt.*

"Man spricht immer von Integration. Aber wie sollen die sich denn hier integrieren?" Wolfgang Kundemann aus Neubrück ist einer der wenigen Bewohner, die sich überhaupt noch zum Thema Asylbewerberheim äußern wollen. Es gebe keine Einkaufsmöglichkeit im Ort, der Bus nach Königs Wusterhausen fahre nur selten, sagt er. Probleme mit Rechtsradikalen gebe es ohnehin schon genug. Auch Roberto Heß, Geschäftsführer der Camping-Gesellschaft "Dubrow", die im Ort einen Campingplatz betreibt, hält den Standort für völlig ungeeignet. "Ich glaube nicht, dass die Asylbewerber über die Bungalowsiedlung herfallen werden. Aber äußerlich könnte so ein Heim eine abschreckende Wirkung auf Gäste entfalten", sagt er. Detlef Markgraf vom örtlichen Anglerverein hat sich mit dem Gedanken eines Asylbewerberheimes im Ort "abgefunden". Doch skeptisch sei er noch immer: "Die Betreiber müssten uns erklären, wie für Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit gesorgt werden soll." Die Bürgermeisterin von Groß Köris, Margret Keller, wollte sich eigentlich vor der Sitzung des Sozialausschusses überhaupt nicht mehr äußern. Sie sagt aber soviel: "300 Asylbewerber sind zuviel."

In Görlsdorf ist die Stimmung nicht anders. "Man müsste sie dort unterbringen, wo sie auch einkaufen können", sagt Wolfgang Liebe. "Wenn die dann in die Stadt gehen, kommen sie bestimmt nicht zu Fuß zurück. Ich trau mich dann nicht mal mehr, mein Fahrrad raus zu stellen." Zwei Görlsdorferinnen, über den Gartenzaun hinweg plauschend, bestätigen das Bild. "Wir hatten hier vierzig Aussiedler. Mit denen sind wir immer gut klargekommen. Aber 150 Asylbewerber mitten im Ort, das geht nicht", sagt die eine. "Die dürfen nicht arbeiten, schlafen den ganzen Tag und werden dann nachts aktiv", ergänzt die andere.

Ihren Unmut wollten die beiden am Sonntag bei einer von einer Bürgerinitiative geplanten Lichterkette gegen ein Asylbewerberheim ausdrücken. Am Freitag nachmittag wurde über die Protestaktion noch einmal beraten. Nach einem Gespräch mit dem früheren Superintendenten des Kirchenkreises Königs Wusterhausen, Wolfram Hülsemann, sagte die Bürgerinitiative die Lichterkette wieder ab. Hülsemann, der zum Mobilen Beratungsteam Tolerantes Brandenburg gehört, hatte auf die falsche Symbolik der Lichterkette hingewiesen. Er sagte auch, man dürfe die Bürger von Görlsdorf jetzt nicht als Rechtsradikale abstempeln.

Sylvia Lehmann, Sozialdezernentin in der Kreisverwaltung, hofft auf Verständnis bei den Menschen. Wir haben alles getan, um für Akzeptanz zu werben, waren bei den Einwohnerversammlungen, haben die Gemeinderatsmitglieder zu den Ausschusssitzungen eingeladen", sagt sie. Das eigentliche Problem sei von der Bundespolitik gemacht, sagt Kerstin Rubenbauer, Vorsitzende des Sozialausschusses. "Der Gesetzgeber sieht bis zum Abschluss der Asylverfahren keine Integration vor." Die endgültige Entscheidung über den neuen Standort fällt der Kreistag am 31. März.

* Neubrück/Groß-Köris und Görlsdorf liegen zwischen Berlin und Cottbus in Brandenburg.

Aus: Strehmann, Jörg: Zwei Gemeinden wollen keine Asylbewerber. In: Berliner Zeitung vom 13.03.1999.

Arbeitshinweise:

1. Welche Argumente werden gegen die Aufnahme der Asylbewerber vorgebracht? Vergleicht diese mit den "fiktiven" Argumenten der Podiumsdiskussion im Rollenspiel.
2. Wie sind die in diesem Text vorgebrachten Argumente zu bewerten?
3. Was ist mit der "falschen Symbolik" der geplanten Lichterkette gemeint?
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