M 02.11 USA: Gleiches Wahlrecht für alle?
 


Unstimmigkeiten in Florida bei der US-Präsidentschaftswahl 2000

George W. Bush mag keine Handauszählungen von Wählervoten, zumindest nicht in Florida. Der Grund liegt auf der Hand: die Gefahr, in diesem Bundestaat seinen ausgesprochen knappen Vorsprung von 537 (bei insgesamt 6 Millionen abgegebenen) Stimmen auf AI Göre durch recount der ca. 43 000 undervotes zu verlieren. Bei den undervotes waren die Zählmaschinen oder die Wahlauszähler außerstande festzustellen, wem die Stimme gelten sollte.

"Unterzählt" wurde vor allem in jenen Wahlbezirken, in denen das "Lochkartensystem" zum Einsatz kam. Dort mußten die Wählerinnen und Wähler Geräte benutzen, die Löcher in die Stimmzetteln stanzen. Zählmaschinen übernahmen die Auswertung der Stimmzettel. Dieses System ist fehleranfällig die Maschinen zählen nicht alle Stimmzettel, vor allem dann nicht, wenn die beim Stanzen entstehenden Schnipsel nicht ganz herausgefallen sind. Selbst Texas beschloß kürzlich ein - von Gouverneur George W. Bush unterzeichnetes - Gesetz, das bei knappen Wahlresultaten Nachzahlungen von Hand vorsieht.

Der Mensch ist in diesem Fall der Maschine überlegen. Nach Angaben des "Miami Herald" (2. Dezember 2000) sind in Florida in den 24 Counties, in denen das Lochkartensystem zur Anwendung kam, 3,9% der Stimmen nicht gezählt worden, in den anderen 43 Kreisen mit "optisch lesbaren" Stimmzetteln hingegen nur 1,4%. Und wie es der Zufall will: Lochkarten wurden überproportional in den mehrheitlich demokratisch ausgerichteten Counties verwendet, zum Beispiel in Miami-Dade, wo 9 000 Stimmen aus der Zählung herausfielen. In der angelaufenen Nachzählung hatte Gore vor dem höchstrichterlichen Stopp beträchtlich aufgeholt; Bushs Vorsprung betrug nur noch 154 Stimmen.


Kein Ausnahmefall

Gar nicht in Betracht gezogen wurden die berüchtigten "Schmetterlingsstimmzettel" in Palm Beach, die knapp 20 000 Wähler doppelt gestanzt oder vermutlich irrtümlicherweise statt für Gore zugunsten des erzkonservativen Pat Buchanan gelocht hatten. Auf richterliche Anweisung gab es auch kein Nachspiel bei "Unregelmäßigkeiten" in Seminole und Martin County. Dort hatten republikanische Funktionäre fehlerhafte oder unvollständige Briefwahlanträge von republikanischen Wählern korrigiert oder ergänzt. Vertretern der Demokratischen Partei blieb der Zugang zu entsprechenden Anträgen ihrer Wähler verwehrt. Bush dürfte so hunderte Stimmen dazubekommen haben. Bei amerikanischen Präsidentschaftswahlen werden etwa 2% der Stimmen aus verschiedenen Gründen nicht gezählt. Sie sind fehlerhaft, missverständlich oder die Zählmaschinen haben sie ausgesondert. Bei etwa 30% der Stimmen kommen nach Angaben des Committee for the Study of the American Electorate Stanzmaschinen zum Einsatz. Florida war also kein Ausnahmefall. Doch was dort passiert (oder unterbleibt), entscheidet darüber, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird.

Aus: Konrad Ege: Gleiches Wahlrecht für alle? Unstimmigkeiten in Florida bei der US-Präsidentschaftswahl 2000, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2001, S. 35.
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