War schon das Ergebnis der Bundestagswahl 1953 vielfach als "Wahlwunder" betrachtet worden, so setzte sich die Konzentrationsbewegung in den nachfolgenden Landtagswahlen und vor allem bei der Bundestagswahl 1957 eindrucksvoll fort. (...)
Der Konzentrationsprozeß verlief zugunsten von CDU/CSU, die zumeist bürgerlich eingestellte kleinere Parteien "beerbte". (...)
Mit dem Godesberger Programm von 1959 (...) vollzog die SPD eine Wende, die sich auf das Parteiensystem auswirken sollte. Sie rückte von veralteter marxistischer Dogmatik ab und entwickelte sich durch ihr Programm zu einer Volkspartei. Damit versperrte sie sich nicht mehr den Zugang zu bürgerlich orientierten Schichten. Der scharfe ideologische Gegensatz zwischen CDU/CSU einerseits, der SPD andererseits schwand fortan, unterschiedliche Positionen in Einzelfragen verloren an Bedeutung, zumal fundamentale Entscheidungen sich kaum noch rückgängig machen ließen (Beispiel: Westintegration).
Der Konzentrationsprozeß des Parteiensystems, den bei Gründung der Bundesrepublik Deutschland kaum jemand vorherzusagen gewagt hätte, beruht auf verschiedenartigen, sich wechselseitig bedingenden Ursachen:
- Die Alliierten erlegten sich bei der Lizenzierung der deutschen Parteien
nach 1945 Zurückhaltung auf. Dies gilt insbesondere für das rechte Parteienspektrum.
Der Vorsprung, den die einmal zugelassenen Parteien besaßen, ließ sich nur
schwer wieder aufholen.
- Führende Politiker der Bundesrepublik Deutschland zogen die Konsequenzen
aus der buntscheckigen Parteienvielfalt der Weimarer Republik. Insbesondere
die Gründung einer großen überkonfessionellen Partei übte einen Zwang zur
Konzentration aus.
- Die Wähler stellten sich in zunehmendem Maße hinter die überkonfessionelle
Sammlungspartei der CDU/ CSU. Sie schrieben ihren Bemühungen die wirtschaftliche
Prosperität und die außenpolitische Bewegungsfreiheit zu. Vor allem die Wähler
der kleinen Parteien wanderten allmählich zu den Christlichen Demokraten.
- Einen wichtigen Faktor für die Konzentration des Parteiensystems bildete
die Fünfprozentklausel, zumal die Wahlgesetze von 1953 und 1956 sie verschärften.
Eine Partei, die erst einmal an der Fünfprozentklausel scheiterte, war mit
dem Makel der Erfolglosigkeit behaftet.
- Die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung und - damit einhergehend - das
hohe Maß an sozialer Befriedigung, verstärkten die Entwicklung zugunsten der
etablierten Parteien. Überholten ideologischen Dogmen erteilte der Wähler,
der seine Stimmabgabe maßgeblich von wirtschaftlichen Gegebenheiten abhängig
machte, eine klare Absage.
- Die Lösung gewichtiger Probleme entzog bestimmten kleineren Parteien die
Daseinsgrundlage. So verlor der BHE mit der sich abzeichnenden Integration
der Vertriebenen einen großen Teil seiner Wählerschaft, und die GVP gewann
erst überhaupt keinen bedeutenden Anteil an Wählern, weil die Eingliederung
der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Bündnissystem relativ reibungslos
vonstatten ging.
- Rechtsextreme Parteien hatten keinen durchschlagenden Erfolg; nationalistische Parolen stießen angesichts der Kooperation der Bundesregierung mit den Westmächten kaum auf fruchtbaren Boden. Linksextreme Gruppierungen verloren durch das abschreckende Beispiel der DDR, deren politisches System sich nur dem Schein nach auf die Prinzipien der Volkssouveränität gründete, jeden Rückhalt in der Bevölkerung. Aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen wollten die Wähler sich nicht erneut extremistischen Kreisen anvertrauen. Hinzu kamen Resignation, Hilflosigkeit und Apathie.