Die Nominierung im Wahlkreis
Bleiben wir beim Beispiel der Kölner Schulrektorin. Nehmen wir an, sie ist Mitglied der SPD und möchte als Kandidatin ihrer Partei in dem Wahlkreis, in dem ihre Schule liegt und in dem sie wohnt, aufgestellt werden. Nach dem Wahlgesetz müßte sie dazu von einer Mehrheit der Parteimitglieder im Wahlkreis gewählt werden.
In den großen Parteien findet nun keine unmittelbare Wahl durch die Mitglieder selbst statt. Diese wählen vielmehr nur ihre Delegierten für eine Versammlung auf der Wahlkreisebene. Und diese Delegierten stimmen dann über die Bewerber ab. Die Rektorin müßte also die Mehrheit der Delegiertenstimmen auf der Wahlkreis-Delegiertenversammlung auf sich vereinigen, um in ihrem Wahlkreis als Kandidatin der SPD nominiert zu werden.
Will die Rektorin einen Listenplatz auf der Landesliste der nordrhein-westfälischen SPD, so braucht sie dazu eine Mehrheit der Delegiertenstimmen auf der Landesdelegiertenversammlung.
Vor der Zusammenkunft der Landesdelegiertenversammlung hat der Landesvorstand der Partei bzw. ein spezieller Ausschuß bereits einen Vorschlag ausgearbeitet, welcher Kandidat auf welchem Listenplatz seiner Meinung nach aufgestellt werden sollte. Die Delegierten stimmen über diesen Vorschlag ab, und zwar einzeln über jeden Platz. Sie können auch Gegenkandidaten aufstellen; in diesem Fall kommt es zu einer Kampfabstimmung zwischen den Bewerbern. Für die Besetzung der Listenplätze hat sich ein bestimmtes Verfahren eingebürgert. Die ersten Plätze der Landesliste werden mit prominenten Bundespolitikern der Partei besetzt. Auf den nachfolgenden Plätzen werden die Kandidaten mit "unsicheren" Wahlkreisen berücksichtigt, die einer wichtigen innerparteilichen Gruppierung angehören (in der SPD z.B. der linke und der rechte Flügel, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen - AfA, die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen - ASF) oder die sich so als Fachleute profiliert haben, daß die Partei Wert auf ihre Mitarbeit im Bundestag legt.
Für die Kölner Rektorin heißt das, daß sie Aussicht auf einen sicheren Listenplatz hat, wenn sie in ihrem Wahlkreis aufgestellt ist, einer wichtigen Gruppe der SPD angehört, die ihre Kandidatur unterstützt oder wenn sie als herausragende Expertin auf einem politisch bedeutsamen Gebiet gilt.