[...] Politik rangiert in der Konkurrenz mit anderen Bereichen des Lebens bei den meisten Bürgerinnen und Bürgern, aber ganz besonders bei den jüngeren in der Wichtigkeitsskala weit hinter der privaten Lebensführung - Freunde, Partnerschaft, Familie - sowie Qualifikation und produktiver Tätigkeit - Schule, Ausbildung, Arbeit und Beruf -. Dennoch gibt es dezidierte Positionen und Urteile gegenüber dem Politischen, weil ein Bewusstsein davon existiert, dass die Lebensverhältnisse des Einzelnen nicht zuletzt auch von Politik mitbestimmt sind. Die individuelle Bereitschaft, sich mit Politik auseinander zu setzen, äußert sich in einer allgemeinen politischen Interessiertheit sowie in einer positiven Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, politische Prozesse und Tatbestände zu verstehen. Weiterhin lässt sich der Aufwand, den junge Menschen betreiben, um Wissen und Informationen über Politik zu erhalten, an der Nutzung verschiedener Informationsquellen sowie an der Häufigkeit von Diskussionen über Politik mit Personen des persönlichen Umfelds erkennen.
Das politische Interesse junger Menschen, das als eine zentrale Voraussetzung für politisches Engagement angesehen werden kann, stellt sich auf der Grundlage der Ergebnisse des DJI-Jugendsurveys 1997 nur bei rund einem Fünftel der Befragten 16- bis 29-Jährigen als "sehr stark" oder "stark" dar. Die Westdeutschen erweisen sich dabei als interessierter: 25 Prozent in den alten, aber nur 17 Prozent in den neuen Bundesländern äußern sehr starkes bzw. starkes politisches Interesse. Eine analoge Ost-West-Differenz zeigt sich bei der subjektiven politischen Kompetenz, die einen dem politischen Interesse sehr ähnlichen Aspekt beschreibt (vgl. Tabelle 1). "Eine Menge von Politik zu verstehen" bzw. "politische Prozesse leicht zu durchschauen", dies nehmen eher die westdeutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen für sich in Anspruch, wobei man allerdings berücksichtigen muss, dass das Ausmaß politischer Kompetenz insgesamt nicht sehr hoch ist.
Das Politikinteresse und die eigene politische Kompetenz als Aspekte einer subjektiven Bedeutsamkeit von Politik stellen sich dabei - ungeachtet der Ost-West-Differenzen - bei jungen Frauen und Männern unterschiedlich dar. Die jungen Frauen in Ost und West zeigen eine größere Distanz zum politischen Bereich und schreiben sich selber geringere politische Kompetenz zu. In diesen Haltungen junger Frauen spiegelt sich eine gesellschaftliche Normierung wider, die Frauen stärker auf den privaten Bereich der Familie und Männer auf die öffentlichen Bereiche verweist. Das geringere politische Interesse der jungen Frauen darf daher nicht als ein ihnen anzulastendes Defizit interpretiert werden, sondern muss als ein strukturelles Defizit der politischen Kultur verstanden werden.
Wie häufig nutzen nun Jugendliche und junge Erwachsene verschiedene Medien, um sich über Politik zu informieren? Am häufigsten wird das Fernsehen genannt; rund 75 Prozent in Ost und West geben an, es für diesen Zweck sehr oft oder oft zu nutzen. Am zweitwichtigsten sind Zeitungen/Zeitschriften (65 Prozent). Das Radio nutzen zur politischen Information im Westen 53 Prozent und im Osten 60 Prozent. Eine relativ geringe Bedeutung haben Sachbücher (15 Prozent), Internet/Mailboxen (7 Prozent im Westen und 4 Prozent im Osten) und der Besuch politischer Veranstaltungen (5 Prozent). Jugendliche und junge Erwachsene, die sich für Politik interessieren und sich auch für kompetent halten, politische Sachverhalte zu verstehen, zeigen ein aktiveres Informationsverhalten. Sie führen zudem öfter Gespräche über Politik mit Eltern, Partnern, Freunden und Kollegen am Arbeits- oder Ausbildungsplatz (vgl. Tabelle 2).
Während sich Mädchen und junge Frauen sogar etwas häufiger als ihre männlichen Altersgenossen mit Eltern und Partnern über Politik unterhalten, sind sie gegenüber Freunden in der Schule oder am Arbeitsplatz diesbezüglich zurückhaltender. In den eher öffentlichen Räumen kommen offenbar einschränkende Mechanismen zum Tragen, die die Politik stärker zur Gesprächsdomäne der Männer machen. Insgesamt verdeutlichen diese Ergebnisse, dass zwar das politische Interesse bei jungen Menschen relativ gering ist, die Bedeutung von Politik für das persönliche Leben - wenn man alltägliche Verhaltensweisen miteinbezieht, wie sich über Politik zu informieren oder auch sich in Gesprächen, mit Politik auseinanderzusetzen - jedoch nicht unbeträchtlich ist. [...]