M 07.09 Wahlerfolg und Medienpräsenz
 


[...] "Erfolg, so verkündete der SPD-Spitzenkandidat und spätere Wahlsieger Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf 1998 konsequent, sei immer ein über die Medien vermittelter Erfolg oder er sei kein Erfolg. "Nicht nur, aber immer öfter", ist - in Anlehnung an einen erfolgreichen Werbeslogan - dem zum Kanzler gewählten Kommunikator beizupflichten. Und selbst diejenigen in den Unionsparteien, die den telegenen Herausforderer im Verlaufe des Wahlkampfes als medieninszenierte "heiße Luft" zu disqualifizieren versuchten, waren sich dessen bewusst, dass Politikvermittlung ohne Medienkompetenz ein Unding ist.

Insofern kann man auch die vom späteren Wahlverlierer im Verlaufe des Wahlkampfes demonstrativ zur Schau getragene Aversion gegen Medieninszenierungen selbst als Teil eines Spiels mit verteilten Rollen abbuchen. Wer in der Gunst der Medien momentan schlechter abschneidet, bekennt sich kurzerhand zur Sachlichkeit, gleichsam zu "Politik pur". Diese gab es noch nie, schon gar nicht in Wahlkampfzeiten. Der Versuch, die Wahlkampfführung des politischen Gegners als unseriöse Show zu diskreditieren, wirkte im angesprochenen Fall umso weniger glaubwürdig, als sich der seinerzeit noch amtierende Kanzler selbst für den Bundestagswahlkampf mit dem ehemaligen Chefredakteur einer großen Boulevard-Zeitung einen Medienberater mit ausgewiesenem Rambo-Image zugelegt hatte. [....] Natürlich beschränkt sich Wahlkampf keineswegs darauf, ein Medienereignis zu sein. [...]

Doch ebenso klar ist auch: das Publikum oder bestimmte Zielgruppen sind nur über die Massenmedien zu erreichen. Das gilt inzwischen selbst für die eigene Parteiklientel. Medienpräsenz ist zu einer entscheidenden Machtprämie geworden, nicht nur vor den Wahlen. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei das Fernsehen. Nach wie vor ist das "Flimmermedium" in Reichweite, Aktualität und vor allem in seiner visuellen Eindrücklichkeit unschlagbar. Es ist zudem auch das Darstellungsinstrument, das wie kein zweites Spielraum für Selbst- und Fremdinszenierungen bietet." [...]

Aus: Sarcinelli, U.: Politikvermittlung und Wahlen - Sonderfall oder Normalität des politischen Prozesses? Essayistische Anmerkungen und Anregungen für die Forschung, in: Bohrmann, Hans u.a. (Hrsg.): Wahlen und Politikvermittlung durch Massenmedien, Opladen 2000, S. 19f.

Arbeitshinweise:

1. Verdeutlichen Sie die zentrale These des Autors zur Rolle der Medien im Wahlkampf.
2. Worauf ist seiner Auffassung nach der Sieg der SPD-Spitzenkandidaten maßgeblich zurückzuführen? Nennen Sie Beispiele, die diese These erläutern.
3. Vergleichen Sie diese These mit der Erklärung der Autoren in M 07.08.
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