M 07.15 Rolle der Opposition im Wahlkampf
 


Oppositionsparteien richten ihr Handeln in erster Linie nach dem Ziel aus, selbst an die Regierung zu kommen. Methoden und Stil dieses Handelns können sehr unterschiedlich sein. Eine Oppositionspartei kann die Regierung hart kritisieren, unerbittlich ihr tägliches Handeln kontrollieren, sie kann den Wählern einen grundsätzlich und praktisch deutlich vom Regierungshandeln abgesetzten politischen Weg anbieten. Im Gegensatz hierzu kann sie aber auch die politischen Ziele der Regierung im wesentlichen akzeptieren, aber eine bessere Ausführung und eine größere Erfolgsrate versprechen. Sie wird dann zwar auch punktuell Kritik üben und in gewissen Bereichen, in denen die Regierung überdurchschnittlich schwach zu sein scheint, Alternativen anbieten, aber im Parlament doch in den meisten Fällen bewußt mit der Regierung zusammenarbeiten. (...)

Die tatsächliche Strategie der Opposition ergibt sich aus der jeweiligen Einschätzung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, den Erfordernissen der Tagespolitik, aus dem Verhalten der Regierung und der Regierungsparteien während der Legislaturperiode und im Wahlkampf, aus den persönlichen Eigenarten des Spitzenkandidaten, aus den Erwartungen der Öffentlichkeit in bezug auf die Tätigkeit der Opposition und vor allem aus den konkreten Chancen zum Machtwechsel. (...)

"Die Kritik der Opposition darf man nicht mit wissenschaftlicher Kritik, ihre Kontrolle nicht mit der eines vereidigten Wirtschaftsprüfers verwechseln. Die Opposition will die Regierung nicht bessern, ihre Fehler nicht verhindern, sondern zu deren Sturz nutzen, wenn in diesem dialektischen Verhältnis auch manchmal das Umgekehrte erreicht wird. Kritik und Kontrolle sollen der Opposition den Sieg einbringen. Sie sind interessenbestimmt, einseitig und daher auf Übertreibung und Verzerrung angelegt. Beherrschendes Element bleibt der Drang, die Regierung abzulösen, die nächsten Wahlen zu gewinnen."

(aus: Die Zeit, 28.3.1975)

Wie die Kontraststrategie der Opposition den Bürgern letztlich klarmachen will, daß die Regierungspolitik sie ins Unglück bringe und nur ein Regierungswechsel dieses Unglück verhindern könne, so zahlt ihr dies die Regierungsseite in der Regel mit gleicher Münze zurück. Der angestrebte Regierungswechsel führe in die innenpolitische und außenpolitische Krise, wenn nicht gar in Krieg und Bürgerkrieg, die Opposition verfüge über keine programmatischen und personellen Alternativen, sie übe sich lediglich im Neinsagen, in der Panikmache, sie sei destruktiv und bösartig.

Aus: W. Wolf: Wahlkampf und Demokratie, Köln 1985, S. 27-39.


Arbeitshinweise:

1. Listet die Strategien von Regierung und Opposition im Wahlkampf tabellarisch auf.
2. Versucht, aktuelle Beispiele aus den letzten Wahlkämpfen den jeweiligen Strategien zuzuordnen.
3. Beschreibt, welche Strategien in diesem Wahlkampf intensiver, welche weniger intensiv eingesetzt werden.
4. Inwiefern tragen diese Strategien dazu bei, die "Parteiverdrossenheit" zu erhöhen oder zu verringern?
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