Die Personalisierung der Politik ist so alt wie die Politik selbst. Der Spitzenkandidat verkörpert im Wahlkampf die Programme, Ziele und Anliegen seiner Partei. Er macht die Politik für den Bürger verständlich, ist damit eine Art Werbesymbol. Weder Programme, Beschlüsse noch Wahlkampfveranstaltungen können so viel Aufmerksamkeit erreichen wie der Kandidat. Und je mehr er über den Durchschnitt hinausragt, desto stärker tritt seine Partei im Wahlkampf zurück. In den Vereinigten Staaten wird das bei Präsidentschaftswahlen besonders deutlich.
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Wahl doch noch eher eine Wahl der Parteien. Begründet in ihrer Tradition und Weltanschauung, besitzen sie ein starkes Eigengewicht, das sich allerdings mehr und mehr abzuschleifen scheint. Die bereits beschriebenen Nivellierungstendenzen gerade in den beiden großen Parteien verringern ihre Anziehungskraft auf den Wähler und vergrößern die Bedeutung des Spitzenkandidaten. So heißt es denn auch im Wahlkampfbericht der CDU 1987: ‘Die einzelnen Kandidaten müssen wieder für eine Politik oder Richtung stehen. Während dies Helmut Kohl voll gelang, konnte Johannes Rau mit dem Widerspruch seiner Wahlzielvorgabe und dem faktisch nicht zu leugnenden rot-grünen Lager nicht glaubhaft vor den Wähler treten.
Ein herausragender Spitzenkandidat trägt zu einer größtmöglichen Mobilisierung der Stammwähler bei und erhöht die Einsatzbereitschaft der Anhänger. Auch die anwachsende Wechselwählerschaft läßt sich eher von einem überzeugenden Spitzenkandidaten zur Wahl anregen als vom Programm einer Partei. Die Parteien wissen, welche Bedeutung der Spitzenkandidat für ihren Wahlkampf hat. Sie wissen von dem Bedürfnis des Wählers nach Anschaulichkeit und möchten es so weit wie möglich nutzen. Wenn sie einen überaus populären Kandidaten besitzen, werden sie den Wahlkampf weitgehend personalisieren. Eine Partei mit einem relativ unattraktiven Kandidaten wird eher ihre Leistungen, Ziele, ihr Programm in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen. Sie wird aber nicht ganz darauf verzichten können, auch ihren Wahlkampf zu personalisieren.
Die gegnerischen Parteien wie auch die Wähler wollen die Kandidaten "im Ring" sehen. Die Popularität eines Spitzenkandidaten ist bestimmt durch seinen Bekanntheitsgrad und sein Ansehen. Der Bekanntheitsgrad spielt heute allerdings nicht mehr die Rolle wie noch vor zwanzig oder dreißig Jahren. Das Fernsehen schafft es heute, einen neuen Kandidaten in relativ kurzer Zeit bei 90 Prozent der Bundesbürger bekannt zu machen. Ein Politiker, der regelmäßig Außergewöhnliches unternimmt, wird schneller populär. Außergewöhnliches wird von den Medien gern und schnell aufgegriffen. Regierungs- und Oppositionspolitiker haben unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu profilieren. Der Regierungspolitiker nutzt in der Regel seine "staatsmännischen" Leistungen, der Oppositionspolitiker übt heftige Angriffe auf den politischen Gegner aus. Dementsprechend fällt sein Image in der Öffentlichkeit aus. So kann die Zeit der Profilierung in der Opposition auch zu einer Belastung für den weiteren politischen Aufstieg werden.
Das Image des Spitzenkandidaten ist also eine wichtige Größe im Konzept der Parteien. Es entscheidet über die Anziehungskraft des Kandidaten auf die gesamte Wählerschaft, auf bestimmte Wählergruppen, Anhänger, Wechselwähler, Jugendliche, Ältere, Männer und Frauen. Das Duell der Spitzenkandidaten, ohne das ein moderner Wahlkampf heute nicht mehr vorstellbar ist, genießt in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit. Es bietet der Wählerschaft eine weitere Möglichkeit der Bewertung, da Stärken und Schwächen der Spitzenkandidaten deutlich hervortreten.
Die Bewertung des Politikerimages unterscheidet zwei Bereiche: den Sympathiebereich und den Leistungsbereich. Der ideale Kandidat sollte persönlich sympathisch, leistungsfähig und tüchtig sein. Ihn kann es nicht geben. Ein sehr sympathischer Politiker wird von vielen Menschen als weniger tüchtig und ein sehr tüchtiger Politiker als weniger sympathisch angesehen. Den idealen Politiker gibt es nicht, doch gibt es eine Faustregel. Sie besagt, daß in schwierigen Zeiten der leistungsorientierte und in guten Zeiten der sympathische Politiker die größeren Chancen hat. Bei der Erarbeitung einer Wahlkampfstrategie muß zunächst unterschieden werden zwischen der Wirkung eines Kandidaten auf die eigenen Wähler, auf gegnerische Wähler und potentielle Wechselwähler. Politiker, die sich in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner profilieren, erhalten oft eine ziemlich schlechte Durchschnittsnote auf der Sympathie- und Leistungsskala. Diese Bewertung schließt ihre Überzeugungskraft nicht mit ein. Sie kann ohne weiteres stärker sein als die von Politikern mit besseren Durchschnittsnoten. Die Wirkung eines Spitzenpolitikers auf die Wähler läßt sich nämlich nicht allein durch sein Image erklären. Tiefenpsychologische Aspekte kommen hinzu - seine Ausstrahlungskraft, sein Charisma, eine Größe, die nicht durch Zahlen belegt werden kann, die nicht rational erfaßbar ist. Daher ist auch die Wahl selbst nur teilweise ein rationaler Vorgang.