1. Parteienfinanzierung bis zum 31.12.1993
Bis zum 31.12.1993 wurden den Parteien für von ihnen übernommene konkrete Staatsaufgaben Finanzmittel bereitgestellt. Die wichtigste Aufgabe wurde in der Führung des Wahlkampfes für Bundes-, Europa- und Landtagswahlen gesehen, bei der die Parteien den Bürger über die bevorstehende Wahl, die zugelassenen Parteien, deren Programme, Wahlziele sowie die Kandidaten informieren. Die Verteilung der Finanzmittel sah wie folgt aus:
- Wahlkampfkostenpauschale: Alle Parteien, die bei einer Wahl mindestens 0,5% der Zweitstimmen erhielten, bekamen pro Wahlberechtigten eine Wahlkampfkostenerstattung, die etwa 1983-1993 bei 5.- DM lag.
- Sockelbetrag: Seit 1988 war vorgesehen, Parteien mit mindestens 2% der Zweitstimmen einheitlich einen vom konkreten Wahlergebnis unabhängigen Sockelbetrag zukommen zu lassen. Diese Regelung, die einen Ausgleich für den erhöhten finanziellen Aufwand größerer Parteien schaffen sollte, wurde am 9.4.1992 vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt und kam daher nur bei Bundestagswahl 1990 zum Zuge.
- Chancenausgleich: Dem Grundsatz der Chancengleichheit folgend, mußte verhindert werden, daß Parteien deren Klientel aus Erfahrung nicht zur Erreichung der steuerlich privilegierten Höchstsätze von damals 60.000 DM pro Person in der Lage war, benachteiligt worden wären. Aus diesem Grund wurde der Chancenausgleich eingeführt. Durch das sechste Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 28.1.1994, welches rückwirkend zum 1.1.1994 in Kraft getreten ist, ist die staatliche Parteienfinanzierung im Rahmen des Art.21 Abs.1 GG grundlegend überarbeitet worden.
2. Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Vorausgegangen war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.4.1992 (Bundesverfassungsgericht E 85, S.264 ff), das nahezu alle wesentlichen Teile des alten Rechts für verfassungswidrig erklärte und gleichzeitig eine Grundsatzentscheidung für die strukturelle Umarbeitung des Parteienfinanzierungsrechts traf. Abweichend von der bisherigen Regelung, staatliche Zuwendungen nur für konkrete Staatsausgaben zu gewähren, machte das Urteil den Weg frei für die Bereitstellung von Finanzmitteln zur Unterstützung für die den Parteien allgemein nach dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeiten. Damit betonte das Gericht noch einmal in verstärktem Maße die äußerst bedeutende und unterstützungswürdige Rolle der politischen Parteien bei der politischen Willensbildung. Den Maßstab bildet dabei der Grad der gesellschaftlichenVerwurzelung einer Partei, der anhand der drei Parameter Wahlerfolg, Summe der Mitgliedsbeiträge und Spendenumfang ermittelt wird.
3. Elemente des "alten" Rechts verfassungswidrig?
Ausgehend von dem nunmehr entscheidenden Kriterium wurde der Sockelbetrag am schärfsten kritisiert, da er unabhängig vom konkreten Wahlergebnis - wenn es nur mindestens 2% der Zweitstimmen waren - in gleicher Höhe ausgeschüttet wurde und sich damit gerade nicht an der konkreten gesellschaftlichen Verwurzelung orientierte. Dies war mit der Verfassung nicht vereinbar. Ebenfalls verfassungswidrig war nach Einschätzung der Karlsruher Richter der Chancenausgleich, der - obschon grundsätzlich positiv zu bewerten - seine Ziele in concreto nie erreichte, da beispielsweise die Parteien mit der vermeintlich finanzschwächeren Klientel ihr Manko mit vielen Kleinspendern kompensierte und somit die Regelung ihren Sinn verlor, da sie selbst wettbewerbsverzerrend wirkte.
Als Verstoß gegen die Chancengleichheit sah das Bundesverfassungsgericht auch die Abzugsfähigkeit von Spenden natürlicher Personen in der damaligen Höhe von 60.000 DM bzw. - bei Zusammenveranlagung - 120.000 DM an, da nur eine kleine Minderheit überhaupt in der Lage sei, den vom Gesetz geschaffenen Rahmen voll auszuschöpfen. Zuwendungen Privater müssen in einer Größenordnung bleiben, die für den durchschnittlichen Einkommensempfänger erreichbar ist. Um natürlichen Personen die Möglichkeit zu nehmen, über den Umweg einer Körperschaft oder Personenvereinigung doch mehr Geld abzugsfrei zu spenden, wurde die steuerliche Abzugsfähigkeit von Körperschafts-Spenden aufgehoben. Schließlich kritisierte das Gericht die 1988 erfolgte Heraufsetzung der Grenze, ab der der Spender im Rechenschaftsbericht zu verzeichnen ist auf 40.000 DM, die sogenannte Publizitätsgrenze. Schon bei kleineren Beträgen sei es durchaus möglich, Einfluß auf die Politik - zumindest auf kommunaler Ebene - zu nehmen.