M 07.23 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
 


Die SPD ist die älteste deutsche Partei. Sie entstand 1875 durch die Vereinigung des 1863 von Ferdinand Lasalle gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins und der 1869 von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Nach vielen Richtungskämpfen einigte sich die SPD auf eine marxistische Linie (Erfurter Programm). Trotz Sozialistengesetz unter Bismarck gelang der Partei ein schneller Aufstieg und der Einzug in den Reichstag. In der Weimarer Republik gehörte sie zu den staatstragenden Parteien. Sie war von 1919-1923 und von 1928-1930 an der Regierung beteiligt. Sie widersetzte sich 1933 als einzige der im Reichstag verbliebenen Parteien dem Ermächtigungsgesetz und wurde wenig später von den Nazis verboten. Die meisten Mitglieder bezahlten ihren Widerstand gegen das NS-Regime mit ihrer Freiheit, viele mit ihrem Leben.

1945 ging es den Sozialdemokraten um die Wiedergründung und organisatorische Wiederbelebung der Partei. Die Partei widersetzte sich unter der Leitung Kurt Schumachers in den Westzonen der Vereinigung mit der KPD (in der SBZ erfolgte die Zwangsvereinigung zur SED). Sie setzte sich für die Überwindung der Teilung Deutschlands, gegen die Wiederbewaffnung und den Primat der Westorientierung ein. Weder unter Schumacher noch unter seinem Nachfolger Erich Ollenhauer kam die Partei in die Bundesregierung.

Mit dem Godesberger Programm von 1959 manifestierte sich die Wandlung der SPD von einer reinen Arbeiterpartei zur Volkspartei nun auch programmatisch. Die Partei bekannte sich zu einem demokratischen Sozialismus als Leitlinie für das politische Handeln und verzichtete darauf, die "bessere Gesellschaft" aus einer umfassenden Gesellschaftstheorie ableiten zu wollen. Sie setzte auf die Grundwerte des Humanismus, der klassischen Philosophie und des Christentums, sie befürwortete die Politik der Westintegration und sprach sich für die soziale Marktwirtschaft aus. Das machte die SPD nun zu einer für alle Schichten der Bevölkerung wählbaren Partei. In der sozialstrukturellen Zusammensetzung der Mitglieder der Partei werden ab dieser Zeit zwei gravierende Veränderungen deutlich: Der Anteil der Frauen hat sich seit Gründung der BRD stetig vergrößert, und seit den siebziger Jahren rekrutieren sich die SPD-Mitglieder verstärkt aus der Mittelschicht (Beamte, Angestellte). Zudem nahm der Anteil der Akademiker zu.

Mit der Regierungsbeteiligung in der sog. "Großen Koalition" mit der CDU/CSU (1966-69) konnte die SPD ihre Regierungsfähigkeit nun endgültig unter Beweis stellen. Danach bildete sie von 1969 bis 1982 mit der FDP eine sozialliberale Koalitionsregierung mit den Bundeskanzlern Willy Brandt (1969-1974) und Helmut Schmidt (1974-1982). In ihrer Regierungszeit konnte die SPD vor allem Erfolge in der Deutschland- und Ostpolitik erzielen und leitete Reformen auf wirtschaftlichem, sozialem und bildungspolitischem Sektor ein. In dieser Zeit erreichte die Mitgliederzahl der SPD, die seit den fünfziger Jahren stetig anstieg, einen Höhepunkt von über 1 Mio. (1976).

Die Entwicklung der SPD zur Volks- und Regierungspartei brachte nicht nur Erfolge, sondern führte innerhalb der Partei auch zu Auseinandersetzungen in sicherheitspolitischen und ökologischen Fragen, auf die angesichts der neuen sozialen Bewegungen der 80er Jahre (Friedensbewegung etc.) neue Antworten gefunden werden mußten. 1982 führte die FDP den Bruch der sozialliberalen Koalition herbei. Dies wirkte sich im Mitglieder- und Wählerschwund der SPD aus; sie verlor bei der Bundestagswahl 1983 9% der Stimmen. Dieser Mitgliederschwund pendelte sich erst Ende der achtziger Jahre wieder ein. Während im Westen seit 1991 die Mitgliederzahlen sanken, stiegen diese in den neuen Bundesländern. Ende 1995 hatte die SPD 817.650 Mitglieder, davon 28% Frauen.

1989 verabschiedete die SPD ihr neues Grundsatzprogramm in Berlin. Wichtige Punkte sind die Erweiterung der plebiszitären Elemente, die Gleichstellung der Frau und die ökologische Umgestaltung der Marktwirtschaft. Während CDU und FDP sich nach der Vereinigung mit Blockparteien der ehemaligen DDR zusammengeschlossen und einen Großteil der Mitglieder, der Organisation und des Vermögens übernommen haben, mußte die SPD ihre Organisation und Mitgliederschaft in den neuen Bundesländern völlig neu aufbauen. Diese Schwierigkeiten, die euphorische Wiedervereinigungspolitik der Regierung und ein gegenüber der Vereinigung skeptisch wirkender Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine verursachten 1990 mit 33,5% das schlechteste Ergebnis der SPD seit 1957.

1993 errang der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Rudolf Scharping den Parteivorsitz aufgrund einer bisher einmaligen Mitgliederbefragung und trat 1994 auch als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl an. Trotz Zugewinnen von 2,9% (36,4%; Ost: 31,5%, West: 37,5%) gegenüber 1990 konnte die SPD nicht das angestrebte rot-grüne Regierungsbündnis erreichen, was neben der immer noch geringeren Organisationsdichte dieser Partei im Osten (ca. 27.000 Mitglieder) auch durch die Diskussion um das Verhältnis zur PDS erschwert wurde. An den Länderregierungen ist die SPD jedoch bis auf drei Länder ausnahmslos beteiligt und hat demzufolge auch seit 1991 die Mehrheit im Bundesrat.

Trotz ideologischer Umorientierung und Entwicklung zur Volkspartei findet die SPD einen Großteil ihrer Wähler weiterhin unter den Arbeitern, seit den siebziger Jahren verstärkt aber auch unter den Angestellten und Akademikern. Daneben ist sie außerdem Ansprechpartnerin für Minderheiten und Randgruppen, d.h. sie muß viele unterschiedliche Gruppierungen integrieren können.

Dem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder gelang es mit dem Koalitionspartner Bündnis '90/Die Grünen bei der Bundestagwahl 1998 erstmals, durch den Gewinn von Wählerstimmen und nicht durch Koalitionswechsel einen Regierungswechsel herbeizuführen. Mit 40,9 % der Zweitstimmen (+ 4,9 %) und mit allein 13 Überhangmandaten aufgrund der vielen gewonnenen Wahlkreise hatte sie den Kampf gegen den langjährigen Kanzler Kohl gewonnen.

Von dem Zustimmungs-Tief in Umfragen im Sommer 1999 erholte sich die SPD, auch dank der Schwäche der Oppositionsparteien, rasch und liegt seitdem bei den Umfragen in der Wählergunst vor der CDU.

Die SPD hat momentan unter dem Einfluss der außenpolitischen Lage eine gute Ausgangsposition für die Bundestagswahl 2002. Ohne sich einer kraftraubenden Kandidatendiskussion stellen zu müssen, mit innerer Einigkeit und mit guten Umfrageergebnissen im Rücken kann die Partei selbstbewusst in die Vorwahlkampfphase starten. Sie wird aber aller Voraussicht nach einen Koalitionspartner benötigen.

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