Kandidaten für den Deutschen Bundestag
Vom Bürger zum Kandidaten

Der Text wurde erstellt von den Schüler/innen des GK-Sozialwissenschaften der Jgst. 13 des Gymnasiums St. Mauritz unter Mitarbeit von Fr. Skawran-Schölling (Lehrerin), Ute Hartmann (Referendarin) und Michael Grenzheuser (Praktikant).

Zusammengetragen wurden die Informationen im Anschluß an eine Podiumsdiskussion am 19.08.1998 mit den Kandidaten des Wahlkreises.

Grundlegendes zur Kandidatur

Kandidaten für den deutschen Bundestag

Welche Möglichkeiten gibt es, als Kandidat nominiert zu werden? Grundsätzlich sieht unsere Verfassung zwei Möglichkeiten vor, in den deutschen Bundestag zu gelangen: Zum einen die persönliche Kandidatur im Wahlkreis, zum anderen über eine Kandidatur auf der Landesliste.

Kandidatur im Wahlkreis (Direktmandat)

Deutschland ist in 328 Wahlkreise eingeteilt, wobei jeweils ähnliche Einwohnerzahlen die Richtschnur zu deren Einteilung bilden. Jeder Wahlkreis entsendet den Abgeordneten, der nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt wurde, in den Bundestag. Um als Direktkandidat zugelassen zu werden, muß man jedoch, falls man keiner Partei angehört, 200 Unterschriften von Wahlberechtigten aus dem entsprechenden Wahlkreis aufweisen. Für Mitglieder einer Partei ist es ausreichend, daß der Landesvorstand der Partei den Wahlvorschlag unterschreibt, jedoch muß die Partei in den letzten 6 Jahren an einer Wahl teilgenommen haben, ansonsten müssen auch diese Bewerber 200 Unterschriften sammeln.

Kandidatur über die Landesliste

Ein zweiter Weg in den Bundestag führt über die Landesliste einer Partei. Die Kandidaten der Landeslisten werden mit der Zweitstimme gewählt, wobei eine große Anzahl an Zweitstimmen besonders viele Kandidaten der Partei in den Bundestag entsendet (Verhältniswahl). Die Kandidaten werden dabei in der Reihenfolge der Landesliste berücksichtigt, welche von der Partei festgelegt wird. Der Wähler hat keinen Einfluß auf die Reihenfolge.

Wie wird man Kandidat/in einer Partei?

Eine realistische Chance, in den Bundestag zu kommen, haben jedoch nur engagierte Parteimitglieder. Die Parteien bestimmen die Auswahl ihrer Kandidaten für den Bundestag. Dabei sind demokratische Grundsätze (innerparteiliche Demokratie) zu beachten. Wie die einzelnen Parteien diesen Ansprüchen genügen, läßt sich beispielhaft den Ausführungen der Kandidaten für den Wahlkreis 99 (Münster) entnehmen:

Der CDU-Bundestagskandidat: Ruprecht Polenz

Der 51jährige Volljurist Ruprecht Polenz vertritt seit vier Jahren den Wahlkreis Münster im deutschen Bundestag als Vertreter der Christlich Demokratischen Union. Er war zuvor zwanzig Jahre im Rat der Stadt Münster aktiv und ist seit 1972 Parteimitglied.

Die CDU Münster nominiert ihren direkten Vertreter für den Bundestag auf einer Kreismitgliederversammlung, zu der alle Mitglieder eingeladen werden. Werden auf der Kreismitgliederversammlung mehrere Kandidaten vorgeschlagen, so müssen diese, wie der Kreisvorsitzende Polenz erläutert, an fünfzehn bis zwanzig parteiinternen Vorstellungsterminen teilnehmen. Danach erfolgt dann die Ernennung des Spitzenkandidaten durch eine geheime Wahl aller Mitglieder. Polenz betont, daß generell jedes Parteimitglied als Kandidat aufgestellt werden kann.

Der Werdegang in der Partei, das Alter oder andere Qualifikationen werden nicht in Betracht gezogen. Eine Frauenquote spielt innerhalb der CDU bei der Kandidatenaufstellung keine Rolle. Allerdings müssen bei der Wahl zu 1/3 Frauen involviert sein, ansonsten sei dieser Wahlgang ungültig und die Wahl würde wiederholt, so Polenz. Beim zweiten Wahlgang gebe es aber keine besonderen Mindestquoten, so daß dieser in jedem Falle gültig sei.

Polenz ist Präsident der Deutsch-Atlantischen-Gesellschaft und engagiert sich im Auswärtigen Ausschuß und im Verteidigungsausschuß des deutschen Bundestages mit den Schwerpunkten: transatlantische Beziehungen, Naher und Mittlerer Osten (insbesondere Türkei und Iran) und Menschenrechte. Mit großer Mehrheit hat die CDU Münster auf der Kreismitgliederversammlung bestätigt, daß sie von seiner Arbeit überzeugt ist und stellte den beurlaubten Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer erneut als Spitzenkandidaten auf. Auf der CDU-Landesliste hat Polenz als Nummer 32 einen sicheren Platz.

Der Kandidat von Bündnis '90/Grüne: Winfried Nachtwei

Winfried Nachtwei (54) ist Kandidat der Grünen in Münster für ein Direktmandat bei der Bundestagswahl 1998. Um als Kanditat aufgestellt zu werden, bewarb sich Nachtwei bei dem örtlichen Kreisverband. Parallel zur direkten Kandidatur, belegt er den 8. Rang der Landesliste für die Zweitstimme, einen nach seiner eigenen Einschätzung sehr sicheren Platz. Die Grünen knüpfen die Aufstellung ihrer Kandidaten nicht an besondere Voraussetzungen, wie etwa eine lange Parteimitgliedschaft.

Um die Aufstellung auf der Landesliste bewarb sich Nachtwei bei der Landespartei. Auf der Landesdelegiertenversammlung mußte er eine fünfminütige Rede halten, nach der ein Chancenvergleich mit seinen Mitbewerbern vorgenommen wurde. Da bei der Aufstellung der Kandidaten bei den Grünen die Quotenregelung eine wichtige Rolle spielt, stehen die weiblichen Kandidaten nicht in Konkurrenz zu ihren männlichen Kollegen. Der erste Listenrang muß immer von einer Frau belegt werden, ebenso wie der dritte, der fünfte und jeder zweite folgende. Diese Regelung ist zwar nicht gesetzlich verankert, wird jedoch freiwillig eingehalten.

Bei dieser Art von "Stellenausschreibung" werden somit die chancenreichste Frau und der chancenreichste Mann ermittelt, ohne daß ein direkter Vergleich zwischen den Kandidaten beider Geschlechter stattfindet. Winfried Nachtwei hatte sich für den dritten Männerrang beworben, der dem sechsten Platz auf der Landesliste entspricht, und mußte sich gegen etwa achtzig Mitbewerber(innen) durchsetzen. Im Endeffekt gewann er den vierten Männerrang und somit den achten Platz der Landesliste.

Der FDP Bundestagskandidat: Dr. Christoph Goetz

Dr. Christoph Goetz ist der Regionalkandidat der FDP für den Wahlkreis Münster. Der 42-jährige Fachanwalt für Steuerrecht, der seit 1978 Mitglied der FDP ist, setzte sich beim Kreisparteitag gegen zwei weitere Kandidaten durch. Nachdem er im letzten Spätsommer vom Kreisverband Münster aufgestellt wurde, präsentierte er sich zusammen mit seinen Mitstreitern auf einer parteiöffentlichen Sitzung und setzte sich in der Abstimmung der FDP-Mitglieder des Wahlkreises Münster gegen den heimlichen 18-jährigen Favoriten durch.

Seine Chancen, ein Direktmandat für den Bundestag zu erhalten, schätzt der stellvertretende Ortsverbands- und Kreisvorsitzende Münsters jedoch als unrealistisch ein und betont, daß er seine Hauptaufgabe in der Zweitstimmenwerbung sieht, da die FDP über 13% erreichen müßte, damit er über die Landesliste in den Bundestag gelangen könnte. Angeführt wird diese Liste von Guido Westerwelle und Jürgen W. Möllemann. Persönlich möchte Goez seine Kandidatur dazu nutzen, seine Bekanntschaft in Münster zu steigern, um eventuell in nächster Zukunft im Rat der Stadt oder auf Landesebene Fuß zu fassen.

Der SPD-Bundestagskandidat: Wolf-Michael Catenhusen

Der 53jährige Lehrer Catenhusen hat seit 18 Jahren einen Sitz im deutschen Bundestag als Vertreter der SPD. Er ist über die Landesliste in den Bundestag gekommen. Mit damals 34 Jahren gehörte er zu den Jüngsten in seiner Fraktion, was seine überdurchschnittlich lange Mitarbeit im Bundestag erklärt (Durchschnitt beträgt 8 Jahre). Heute liegt er mit seinem Alter gut im Schnitt des Bundestages (50-51 Jahre).

 Die SPD-interne Aufstellung Catenhusens als Direktvertreter des Wahlkreises Münster im Bundestag erfolgte in einer einfachen Wahl durch die Ortsvorsitzenden. In diesem Jahr trat er zunächst gegen eine Konkurrentin an, die sich selbst zur Wahl gestellt hatte. Da diese jedoch erst ein halbes Jahr Parteimitglied war, wurde ihr nahegelegt, die Partei doch erst genauer kennenzulernen, bevor sie gegen so einen renommierten Kandidaten antrete. Catenhusen wurde mit einer sehr klaren Mehrheit als Kandidat bestätigt. Der SPD-Mann führt bezüglich der Kandidatenaufstellung aus, daß eine Wiederwahl die Regel sei. Es komme jedoch vor, daß ein SPD-Unterbezirk, wenn er mit der Leistung eines Vertreters unzufrieden war, diesen bei den darauffolgenden Wahlen nicht nominierte. Es gibt auch Volksvertreter, die bereits nach der ersten Legislaturperiode ihre Kandidatur niederlegen, da sie in ihrem Amt überfordert waren.

Auch Catenhusen wirkt im Bundestag in verschiedenen Ausschüssen mit und macht seine Arbeit, nach Ansicht des Unterbezirks Münster, gut. Das ist wichtig für seine Wiederwahl, da seine Partei sich einen Vertreter im Bundestag wünscht, der sich - im Falle eines Wahlsieges seiner Partei - für die Interessen Münsters optimal einsetzt. Auch wenn Catenhusen den Wahlkreis Münster nicht direkt gewinnen sollte, ist es sehr wahrscheinlich, daß er wieder in den Bundestag einzieht, weil er in der Landesliste seiner Partei den 4. Platz einnimmt.

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