Umfrage sieht die SPD deutlich vorn Nach den Erkenntnissen der Schüler lag die SPD in der hessischen Landeshauptstadt zum Zeitpunkt der Befragung deutlich vor der CDU. Nach Gewichtung der Rohdaten ergaben sich bei der Zweitstimme 40,0 Prozent für die SPD und 35,1 Prozent für die CDU. 11,5 Prozent bekäme laut Umfrage die FDP, 9,8 Prozent Bündnis90/Die Grünen und 1,7 Prozent die PDS. Zu den Republikanern, die bei der Bundestagswahl 1998 in Wiesbaden 3,2 Prozent der Wählerstimmen erhielten, bekannte sich kaum einer der Befragten (0 Prozent). Die SPD hatte bei der Bundestagswahl 1998 in der Landeshauptstadt 38,0 Prozent erzielt, die CDU 35,4, die FDP 8,7, die Grünen 9,9 und die PDS 1,6 Prozent.
Mehrere Wochen hatten sich die Schüler im Unterricht mit dem Thema Wahlen und Wahlforschung beschäftigt, hatten 1038 zufällig aus dem Wiesbadener Telefonbuch ausgewählte Wahlberechtigte per Telefoninterview befragt und dann die Daten in den Computer eingegeben. Die Auswertung erfolgte mit dem Computerprogramm „Grafstat“, das an der Universität Münster mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelt wurde.
Der Bochumer Wahlforscher Rainer Bovermann, der die Schülerumfrage im Auftrag des Kurier wissenschaftlich begleitet, hat die Rohdaten schließlich gewichtet, ähnlich wie dies auch die großen Umfrageinstitute tun. Bei den nun veröffentlichen Zahlen handelt es sich dementsprechend um eine Prognose des Wahlergebnisses 2002, in die neben der aktuellen Wahlabsicht auch das frühere Wahlverhalten eingeflossen ist.
Der statistische Fehler unserer Stichprobe liegt bei den beiden großen Parteien bei plus/minus drei Prozentpunkten. Das heißt in der Sprache der Wahlforscher, dass die tatsächlichen Werte für Wiesbaden insgesamt mit einer Sicherheit von 95 Prozent nicht mehr als drei Prozentpunkte nach oben oder nach unten von den Stichprobenwerten abweichen. Bei den kleinen Parteien liegt dieser Spielraum bei plus/minus 1,5 Prozentpunkten. Eine gewisse Ungewissheit ergibt sich ferner aus der Tatsache, dass kaum jemand zugegeben hat, Republikaner gewählt zu haben. „Man weiß nicht, wem diese Stimmen in der Umfrage zugute gekommen sind“, erläutert Bovermann.
Selbstverständlich erheben weder die Schüler noch der Kurier den Anspruch, mit den großen Umfrageinstituten in Konkurrenz zu treten. Die Redaktion ist sich bewusst, dass das Wiesbadener Stimmungsbild keinesfalls repräsentativ für die Bundesrepublik ist und dass die vorliegenden Ergebnisse der Schülerumfrage nur eine „Momentaufnahme“ zum Zeitpunkt der Interviews (Ende August/Anfang September) sein können. An erster Stelle stand für Kurier und Schule allerdings, die Schüler hautnah an das Thema Wahlen und Demokratie heranzuführen.
Dies ist ganz eindeutig gelungen. Sogar Schüler, die das Wahlalter noch nicht erreicht haben, interessierten sich nach dem Projekt sehr viel stärker für Politik und hatten einen ziemlich guten Durchblick durch unser Wahlsystem. Die meisten von ihnen erklärten, dass sie wählen gehen wollen, wenn sie wahlberechtigt sind. Eine neunte Klasse hat als Reaktion auf „Schumis“ Bekenntnis in der Bildzeitung, noch nie wählen gegangen zu sein, einen Brief an Michael Schumacher geschrieben. „Um ihn an seine Vorbildfunktion zu erinnern“, erklärt Lehrer Klaus Rathgeber, der die Schülerumfrage betreut hat. Wahlforscher Bovermann besprach bei einem Besuch in der Elly-Heuss-Schule mit mehreren teilnehmenden Klassen die Umfrage-Ergebnisse.
Aber auch auf die Eltern der beteiligten Schüler strahlte die Umfrage aus. An manchem Familientisch wurde in den vergangenen Wochen plötzlich über Politik diskutiert. Nichtwähler mussten sich von ihren Kindern bohrende Fragen gefallen lassen.
Susanne Stoppelbein, Wiesbadener Kurier vom 17.09.2002
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