Detailurteile- Beispiel

Normative Kriterien und Sachverhalte
Detailurteile
Arbeitsblatt

 

Normative Kriterien und Sachverhalte (nach oben)

Entlang der vorliegenden Kriterien und mit Hilfe der geklärten Sachverhaltsaussagen lassen sich eine Reihe von Detailurteilen bilden. Ausgangspunkt ist dabei jeweils ein konkretes Kriterium. Nachfolgend werden sieben Detailurteile zum Thema Schuluniform gebildet. Dabei wird so vorgegangen, dass zunächst den einzelnen Kriterien die relevanten Sachverhalte zugeordnet werden. Anschließend lassen sich auf der Grundlage dieser Zusammenstellung die Detailurteile bilden. Diese sind natürlich - wie sollte es anders sein - subjektiv und entsprechen der persönlichen Ansicht des Autors.

1. Gleichheit

  • Trotz Schuluniformen besteht für jede/ jeden die Möglichkeit, sich über Äußerlichkeiten/ Accessoires zu definieren.
  • Neben der "uniformen Schulwelt" besteht die "richtige" Welt mit allen Möglichkeiten, sich über Äußerlichkeiten zu differenzieren. Schule wäre also ein Trugbild der Wirklichkeit.
  • Schuluniformen können die schulische Wertevermittlung nicht ersetzen. Diese bleibt sinnvoll und notwendig.
  • Soziale Ungleichheit bleibt weiter bestehen. Sie ließe sich trotz Schuluniform erkennen. Die pädagogische Aufgabe, damit umzugehen, bleibt bestehen.

2. Gemeinschaftssinn/ Solidarität

  • Schuluniformen fördern den Gemeinschaftssinn und geben Orientierung.

3. Individualität

  • Schüler, die an einem Pilot-Projekt zur Einführung von Schuluniformen teilgenommen haben, lehnten die "Einheitskleidung" nach wenigen Monaten ab.
  • Trotz Schuluniformen besteht für jede/ jeden die Möglichkeit, sich über Äußerlichkeiten/ Accessoires zu definieren.

4. Freiheit

  • Eine freizügige Kleidung wird von den meisten Schulen und Behörden nicht als ernsthaftes Problem begriffen.
  • Schüler, die an einem Pilot-Projekt zur Einführung von Schuluniformen teilgenommen haben, lehnten die Einheitskleidung nach wenigen Monaten ab.
  • Schüler haben durchaus gegensätzliche Meinungen zum Thema Schuluniform.
  • Ergebnisse einer Online-Umfrage zum Thema "Schuluniformen Ja oder Nein?":
    44%: "Nein... auf keinen Fall“; 35 %: „Ja... warum nicht?“; 14 % befürworten Schuluniformen „nur, wenn sie modisch sind“; 7 % haben keine Meinung; (Basis: 2300 Stimmen).

5. Sozialverträglichkeit

  • An Schulen wird über uniforme Kleidung ein enormer Gruppendruck erzeugt.
  • Der Gruppendruck führt, wenn nicht zu Gewalt, so doch zu Ausgrenzung einzelner Schülerinnen und Schüler.
  • Das Tragen von einheitlicher Schulkleidung korrespondiert zumindest langfristig positiv mit verschiedenen Variablen aus dem sozialen und motivationalen Bereich. Es ist aber fraglich, ob diese Effekte tatsächlich auf das Tragen von Schuluniformen zurückzuführen sind, oder ob eine größere Motivation der Lehrerinnen und Lehrer ursächlich ist.
  • Ein Modellversuch in Berlin zeigt: Das soziale Klima hat sich zu Beginn gebessert, die Schuluniformen werden aber als zu langweilig empfunden und deshalb abgelehnt.
  • Modelversuche in den USA sind bis heute Anlass für einen ideologischen Streit: Eltern sehen die Grundrechte ihrer Kinder verletzt und verweisen auf Fälle, in denen lernwillige Schüler, die nicht korrekt gekleidet waren, nicht am Unterricht teilnehmen durften.

6. Günstige Lernbedingungen

  • Das Tragen von einheitlicher Schulkleidung korrespondiert zumindest langfristig positiv mit verschiedenen Variablen aus dem sozialen und motivationalen Bereich. Es ist fraglich, ob diese Effekte tatsächlich auf das Tragen von Schuluniformen zurückzuführen sind, oder ob eine größere Motivation der Lehrerinnen und Lehrer ursächlich ist.

7. Wirtschaftlichkeit

  • Die Frage der Finanzierung von Schuluniformen ist ungeklärt.

 

Detailurteile (nach oben)

1. Gleichheit

Durch Schuluniformen wird sicher eine optische Gleichheit der Schülerinnen und Schüler erreicht. Diese kann in Teilen zu einer Verbesserung des sozialen Klimas in der Schule beitragen, da durch Kleidung verursachte Konflikte zu einem gewissen Teil vermieden werden können. Soziale Gleichheit lässt sich durch eine einheitliche Schulkleidung allerdings nicht realisieren. Ungleiche Verhältnisse in der Gesellschaft werden lediglich kaschiert. Dieses Vorgehen ist meiner Meinung nach aus zwei Gründen falsch: Zum einen werden soziale Unterschiede über eine ganze Reihe weiterer Produkte und Verhaltensweisen offensichtlich. Zum anderen wird auf diese Weise geselschaftlichen Wirklichkeiten aus dem Weg gegangen, statt diese zu thematisieren. Aufgabe der Schule ist aber meiner Meinung nach auch, Schülerinnen und Schüler mit unserer Gesellschaft wie sie ist, vertraut zu machen und gleichzeitig ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es eine Gleichheit (gleiche Rechte, gleiche Pflichten, Gleich-Wertigkeit) aller Menschen trotz sozialer und ökonomischer Unterschiede gibt. Eine einheitliche Schulkleidung lehne ich daher in diesem Zusammenhang ab.

2. Gemeinschaftssinn/ Solidarität

Den Gemeinschaftssinn bzw. die Solidarität von Schülern stärken zu wollen, scheint mir durchaus sinnvoll. Diese über Schuluniformen zu erreichen, ist sicher möglich. Schließlich wird auch in anderen Bereichen Gemeinschaft über das gleiche Äußere gestiftet (z.B. Pfadfinder, Fußballmannschaft und ihre Fans). Fraglich ist aber dennoch, ob Schuluniformen der richtige Weg zu mehr Gemeinschaftssinn und Solidarität sind. Besser scheint mir zu sein, das Gefühl von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit auch auf Überzeugungen und Verhaltensweisen zu gründen. Eventuell könnte in diesem Zusammenhang dann auch ein Schulprogramm (Corporate Identity der Schule) hilfreich sein. Zu bedenken bleibt aber immer, dass das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe nicht zu einer Ausgrenzung oder Diskreditierung anderer Gruppen führen soll. Schuluniformen sollten vor diesem Hintergrund nach meiner Ansicht nicht eingeführt werden.

3. Individualität

Individualität ist das, was jede einzelne Person unverwechselbar macht. Sie ist dabei zunächst natürlich innerlich und setzt sich aus den verschiedenen Verhaltensweisen, Vorlieben usw. zusammen. Ausdruck verliehen werden kann der eigenen Individualität aber vor allem durch Äußerlichkeiten und hierbei spielt die Auswahl der Kleidung eine entscheidende Rolle. Dass bei Schülerinnen und Schülern unserer Gesellschaft ein hohes Bedürfnis besteht, sich über Äußerlichkeiten zu definieren, ist wohl unstrittig. Eine Schuluniform würde den Schülerinnen und Schülern diese Möglichkeit nehmen. Sie könnten ihre Haltung oder ihre Lebenseinstellung durch Kleidung nicht mehr direkt zum Ausdruck zu bringen - und das in einem Alter, in dem das "Sich-selbst-finden" sich besonders in "Äußerlichkeiten" niederschlägt. Schule würde ein steriler Raum, wenn diese Möglichkeiten zur Entwicklung der eigenen Individualität ausgeklammert würden. Das bedeutet auch zu vermitteln, dass die Orientierung an modischen Trends und Markendiktaten ebenso wenig der Ausbildung der eigenen Individualität dient, wie eine Schuluniform. Die Einführung von Schuluniformen kann vor diesem Hintergrund nicht befürwortet werden.

4. Freiheit

In gewisser Weise lässt sich argumentieren, dass die Einführung von Schuluniformen die Freiheit an den Schulen fördert. Es würde für die Schülerinnen und Schüler eine "Freiheit von" entstehen, eine Freiheit von Markenterror und Gruppenzwang, Konsumwahn und Ausgrenzung. Die Einführung einer einheitlichen Schulkeidung bedeutet für die Schülerinnen und Schüler aber auch die deutliche Einschränkung ihrer "Wahl- und Gestaltungs-Freiheit". Die Freiheit selbst zu entscheiden, wie man sich kleiden möchte, ob man dem herrschenden Modediktat folgt oder nicht und ob man seinem Äußeren viel oder wenig Aufmerksamkeit widmen möchte oder nicht. Besonders im Sozial-Raum Schule, in dem wichtige Grundlagen für die persönliche Entwicklung gelegt werden, erscheint mir die "Freiheit durch Schuluniformen" als äußerst problematisch. Dies insbesondere vor dem Hintergrund von Umfrageergebnissen und Schulversuchen, die zeigen, dass Schuluniformen zum großen Teil von den Jugendlichen abgelehnt werden. Die Einführung von Schuluniformen führt nicht dazu, die Jugendlichen darauf vorzubereiten, wie sie sich in einer Konsumgesellschaft orientieren können.

5. Sozialverträglichkeit

Durch modebewusste Kleidung kann sicher Gruppendruck erzeugt und damit auch das soziale Klima einer Schule belastet werden. Schuluniformen wirkten sich durch Ausklammerung des Problems in Modellversuchen zunächst durchaus befriedend aus - das Schulklima verbesserte sich. Die Einführung einer einheitlichen Schulkleidung lässt sich, wenn man auf ein gutes Arbeitsklima besonderen Wert legt, befürworten.

6. Günstige Lernbedingungen

Ähnlich wie bezüglich der Sozialverträglichkeit, scheinen auch die Lernbedingungen durch die Einführung von Schuluniformen günstig beeinflusst zu werden. Zumindest weisen hierauf Ergebnisse der Gießener Studie hin. Das Tragen von einheitlicher Schulkleidung korrespondiert hiernach zumindest langfristig positiv mit verschiedenen Variablen aus dem sozialen und motivationalen Bereich. Vor diesem Hintergrund sind Schuluniformen zu befürworten.

7. Wirtschaftlichkeit

Hinsichtlich der Frage der Wirtschaftlichkeit von Schuluniformen muss m. E. zunächst darauf hingewiesen werden, dass wahrscheinlich zusätzliche Kosten entstehen werden, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Schuluniformen Freizeitkleidung im gleichen Verhältnis ersetzen. Ob diese zusätzlichen Kosten tatsächlich positive Effekte erzielen, ist fraglich. Zudem ist unklar, wer die Kosten trägt. Sind die Eltern für die Finanzierung verantwortlich, stellt dieses insbesondere für Haushalte mit geringerem Einkommen eine zusätzliche Belastung dar (vor allem bei mehreren schulpflichtigen Kindern). Eine kollektive Finanzierung scheint mir kaum durchführbar. Möglich wäre dann wiederum das Sponsoring von Schulkleidung. Diese könnte evtl. von Organisationen finanziert werden, die sich sozial engagieren möchten. Brisant wäre dann die Frage, inwieweit die Schulkleidung zur Werbefläche kommerzieller Akteure wird. Insgesamt sind vor diesem Hintergrund m. E. Schuluniformen abzulehnen.

 

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