Übersicht:
Spontanurteile zum Beispiel Schuluniform (nach
oben)
Aus den vorliegenden Spontanurteilen können
Kriterien herausgearbeitet werden.
Spontanurteil 1:
„[…]Ich halte einheitliche Schulkleidung für
eine sehr gute Idee. Soziale Unterschiede würden nicht in der
Schule schon durch die Kleidung sichtbar, aber die Zugehörigkeit
zu einer bestimmten Schulgemeinschaft würde betont, auf eine
Weise ausgedrückt, die sehr einleuchtend ist für die Jugendlichen.“
Kriterien:
- Gleichheit,
- Gemeinschaftssinn / Solidarität.
Spontanurteil 2:
„[…] Ich habe als Schüler Schuluniform getragen
und es nicht gemocht. Nichts war wichtiger, als die Einheitskluft
noch auf dem Heimweg loszuwerden oder zumindest zu verändern.
Meine Kinder haben als Gastschülerinnen Schulen
mit Uniform-Pflicht besucht. Praktisch alle Schüler dort haben
sich so verhalten, wie ich es aus der eigenen Schulzeit in Erinnerung
hatte: möglichst weg von der Schuluniform und beständiger
hinhaltender Widerstand durch kleine Regelverstöße. Es
widerspricht m. E. der Natur des Menschen, sich nicht zu unterscheiden.
Eine Erziehung zu Gemeinsamkeit MIT den akzeptierten(!)
Unterschieden ist m. E. wichtiger / richtiger.“
Kriterien:
- Individualität,
- Freiheit,
- Toleranz (von Unterschieden).
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Übersicht: Kriterien
aus den Spontanurteilen (nach oben)
Definition der Kriterien:
Nachdem aus den zwei Spontanurteilen die Kriterien
- Gleichheit,
- Gemeinschaftssinn / Solidarität,
- Individualität,
- Freiheit,
- Toleranz
herausgearbeitet wurden, werden diese nun zunächst
definiert, um sie so für den konkreten Entscheidungsfall anwendbar
zu machen.
Gleichheit
Im Spontanurteil 1 wird das Anliegen ausgedrückt,
dass allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen Achtung
und Aufmerksamkeit zusteht und dass soziale Unterschiede durch eine
einheitliche Schulkleidung nicht offensichtlich werden sollen. Hiermit
verbindet sich die Idee einer Gleichheit aller Menschen, also der
gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe an Gesellschaft und der
gleichen Verfügbarkeit über gesellschaftliche relevante
Ressourcen. Fasst man das Kriterium weiter, so ist jede soziale
Beziehung gemeint. Neben rechtlicher Gleichheit (Gleichheit vor
dem Gesetz, gleiche Rechte und Pflichten) ist auch das Gebot zu
beachten, dass niemand wegen seines Geschlechts, der Hautfarbe,
der Religion, Rasse, Volkszugehörigkeit, Sprache etc. benachteiligt
werden darf.
Gemeinschaftssinn/Solidarität
Mit Solidarität ist das Gefühl bzw. das
Bewusstsein eines Individuums verbunden, zu einem sozialen Ganzen
zu gehören. Solidarität ist ein Qualitätsmerkmal
einer humanen Gesellschaft. Sie zeigt sich in der Verpflichtung
zur gegenseitigen Hilfe (einer trage des anderen Last, der Starke
hilft dem Schwachen) und dem Engagement für das Ganze - eine
Haltung, die mit der kurzfristigen Nutzenoptimierung und der Durchsetzung
individueller Interessen in Widerspruch stehen kann.
Individualität
Individualität meint alle Eigenschaften und
Merkmale einer Person, die diese als Individuum unverwechselbar,
also einzigartig machen. Die Einzigartigkeit eines jeden Menschen
hängt mit seiner Würde zusammen. Die individuellen Fähigkeiten
zu fördern und so zur Persönlichkeitsentwicklung beizutragen,
ist eine zentrale Aufgabe von Erziehung und Unterricht. Selbstverwirklichung
darf dabei nicht zu Lasten anderer gehen.
Freiheit
Unter Freiheit wird im Allgemeinen die Abwesenheit
von persönlichen oder gesellschaftlichen Zwängen verstanden.
Sie zeigt sich für den Einzelnen darin, eigene Entscheidungen
fällen zu können.
Toleranz
Toleranz meint Respekt, Akzepanz und Anerkennung
anderer Personen und Kulturen in ihren spezifischen Ausprägungen
und ihrer Vielfalt. Sie ist notwendig, damit ein friedliches Miteinander
zwischen Personen und Kulturen möglich ist.
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Übersicht: Kriterien
im allgemeinen und im konkreten Kontext (nach oben)
Die extrahierten und bereits definierten Kriterien
können auf den konkerten Fall bezogen werden. Die Übersicht
verdeutlicht dies.
Gleichheit
Grundgedanken / allgemeine normative Sätze:
Trotz bestehender sozialer Ungleichheit in der Gesellschaft
sollte in der Schule jede(r) Schüler(in) gleiche Achtung und
gleiche Wertschätzung erfahren. Soziale Diskriminierung sollte
– wann immer sie in der Schule auftritt – problematisiert
und negativ sanktioniert werden. Fairer Umgang miteinander im Alltag
ist eine wichtige Aufgabe der Schule. Dieser sollte - gerade an
Hand von Verstößen - immer wieder verdeutlicht und geübt
werden.
Anwendung auf den Fall:
Pro: Das Tragen von Schuluniformen unterstreicht
auch optisch den Gedanken der Gleichheit und verhindert, dass sich
die soziale Ungleichheit in der Kleidung manifestiert, vor allem
dann, wenn Schüler, die sich keine Markenartikel leisten können,
diskriminiert werden.
Contra: Auch nach einer Einführung von Schuluniformen
bleiben die sozialen Unterschiede der Herkunftsfamilien der Schüler
weiter bestehen. Diese würden dann in verschiedenen Gebrauchsartikeln
(Handy, Schuhe, Uhr, Fahrrad etc.) sichtbar zum Ausdruck kommen.
Um die Idee der Gleichheit im alltäglichen Umgang kontrafaktisch
aufrecht zu erhalten, wobei von bestehenden sozialen Ungleichheiten
nicht abgesehen wird, bedarf es vielfältiger und dauerhafter
Anstrengungen in der Schule. Uniformierung der Kleidung verharmlost
das Problem und verzichtet darauf, das Spannungsverhältnis
produktiv zu nutzen.
Gemeinschaftssinn / Solidarität
Grundgedanken / allgemeine normative Sätze:
Gerade angesichts des hohen Konkurrenzdrucks in der Gesellschaft
und der Notwendigkeit, sich selbst zur Geltung zu bringen, ist es
im Lernort Schule wichtig, soziales Lernen zu stärken, soziale
Situationen und Konflikte auch aus der Sicht der Schwächeren
zu betrachten, Sensibilität gegenüber Mobbingphänomenen
und gewaltsamem Verhalten zu entwickeln und geeignete Gegenmaßnahmen
zu ergreifen.
Anwendung auf den Fall:
Pro: Die Einführung von Schuluniformen unterstützt
das Gemeinschaftsgefühl und verhindert, dass Jugendliche aufgrund
ihrer Kleidung ausgegrenzt werden.
Contra: In einem gegliederten Schulsystem mit Haupt-, Real-
und Gesamtschulen sowie Gymnasien unterstützt das Tragen von
Schuluniformen die Zuordnung der Schüler zu Schulformen und
damit die "Klassenunterschiede" zwischen den Schülern.
Identifikation mit der eigenen (Bezugs-)Gruppe sollte Solidarität
mit anderen nicht aus-, sondern einschließen. Der Versuch,
durch die Uniformierung der Kleidung ein Gemeinschaftsgefühl
zu erzeugen, hat gerade in Deutschland keine gute Tradition. Selbstständiges
Urteilen und Handeln sollte als pädagogische Aufgabe immer
wieder gelöst werden.
Individualität und Freiheit
Grundgedanken / allgemeine normative Sätze:
Die Schule bietet in unserer Gesellschaft den Jugendlichen viele
Interaktionssituationen, um die Spielregeln der freien Entfaltung
der Individualität und der eigenen Persönlichkeit (unter
Berücksichtigung der Freiheit des anderen) kennen zu lernen,
einzuüben und achten zu lernen.
Anwendung auf den Fall:
Pro: Die Einführung von Schuluniformen vereinfacht
auf dem Gebiet der Kleidung im Bereich der Schule das Selbstdarstellungs-
und Selbstverwirklichungsproblem auf ein für die Schule erträgliches
Maß.
Contra: Die Chance, Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung
auch auf dem wichtigen Gebiet der Kleidung in der Schule zu erleben,
wird nicht genutzt. Schule wird zur Idylle.
Toleranz
Grundgedanke / allgemeine normative Sätze:
In einer sich immer weiter differenzierenden Welt wird
Toleranz für ein friedliches Miteinander immer wichtiger. Dies
gilt im besonderem Maße auch für die Schule. Im Umgang
mit Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Herkunft,
unterschiedlichen Vorlieben und Interessen wird Toleranz unter Beachtung
von klaren Grenzen für den Einzelnen selbstverständlich.
Anwendung auf den Fall:
Pro:
Contra: Die Einführung von Schuluniformen
würde bestehende Unterschiede nivellieren und kaschieren; das
individuelle Erscheinungsbild und die hiermit zusammenhängende
Herkunft oder Einstellung müssten von Schülern also nicht
mehr toleriert werden. Eine wichtige Erfahrung würde hierdurch
aus dem Schulkontext ausgeklammert. Toleranz in Bezug auf das Erscheinungsbild
- das Äußere - einzuüben spielt gerade in jungen
Jahren eine große Rolle.
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Übersicht:
Spontanurteile zu weiteren Fällen (nach oben)
Damit die Schülerinnen und Schüler die
Möglichkeit haben, Sicherheit im Herausarbeiten von normativen
Kriterien zu gewinnen, bietet es sich an, das Vorgehen anhand weiterer
Entscheidungsfälle und entsprechender Spontanurteile einzuüben.
Dieses kann mit Hilfe der unten aufgeführten Entscheidungsfälle
gelingen.
1. Entscheidungsfall:
Sollen islamische Lehrerinnen in der Schule ein
Kopftuch tragen dürfen?
Spontanurteile:
- Die Lehrerin soll in der Schule Kopftuch tragen dürfen,
da es Ausdruck ihrer Persönlichkeit und religiösen
Freiheit ist.
- Religiöse Symbole, auch das Kopftuch, haben in der Schule
nichts zu suchen. Die Schüler müssen vor Einflussnahmen
durch religiöse Symbole bewahrt werden.
- Solange eine Lehrkraft unsere Verfassung achtet und die demokratischen
Grundwerte wahrt, soll sie in der Schule arbeiten können,
mit oder ohne Kopftuch.
- Als Symbol für die Unterdrückung der Frau kann
man das Kopftuch bei einer Lehrerin nicht tolerieren.
2. Entscheidungsfall:
Sollen Kopfnoten an Schulen eingeführt werden?
Spontanurteil :
- Ja, ich bin für die Einführung von Kopfnoten, da
ich glaube, dass in unserer Gesellschaft zunehmend unsoziales
Verhalten die Oberhand gewinnt. Wenn Formen des Umgangs mit
den Mitmenschen bewertet würden, wäre das ein Signal
für Eltern und zudem eine gute Hilfe zur Einschätzung
durch zukünftige Arbeitgeber. Diese Form der Bewertung
ist als ein positiver Anreiz zu verstehen.
- Nein, ich bin gegen die Einführung von Kopfnoten, da
sie zu Überanpassung und Untertanenmentalität führen
können und die Persönlichkeitsentwicklung einschränken
(s. Heinrich Mann: Der Untertan).
3. Entscheidungsfall:
Soll die allgemeine Wehrpflicht durch das Modell
einer Berufsarmee ersetzt werden?
Spontanurteil :
- Ja, ich bin für die Errichtung einer Berufsarmee, die
allerdings unter strenger Kontrolle des Bundestages stehen sollte
und transparent ihre Struktur offen legen sollte. Diese Form
wird den internationalen Erfordernissen (Verpflichtungen in
NATO und UNO) am besten gerecht und erscheint mir kostengünstiger.
- Nein, ich bin gegen die Einführung einer Berufsarmee,
da ich glaube, dass hierdurch die Verbundenheit mit der Bevölkerung
aufgehoben und das Militär zu einem Staat im Staate würde.
Außerdem würde die Hemmschwelle zu Auslandseinsätzen
sinken.
4. Entscheidungsfall:
Sollen in Deutschland so genannte weiche Drogen
legalisiert werden?
Spontanurteil:
- Ja, ich bin für eine Legalisierung weicher Drogen, da
die Jugend nur so einer offenen Auseinandersetzung mit Drogen
angenähert werden kann. Außerdem halte ich die ausgehenden
Gefahren für geringer, als die Gefahren legaler Drogen,
wie z.B. Alkohol.
- Nein, ich bin gegen eine Legalisierung, da hierdurch noch
mehr Menschen in Abhängigkeit von Drogen geraten würden
und das für die Gesellschaft immense Kosten nach sich ziehen
würde.
5. Entscheidungsfall:
Soll an deutschen Schulen Islamunterricht gehalten
werden?
Spontanurteil:
- Ja, aus Gründen der Gleichberechtigung anderer Kulturen
und Religionen bin ich für die Einführung von Islamunterricht
an deutschen Schulen.
- Nein. Ich halte den Islam für eine Religion, die besonders
in Bezug auf die Rolle der Frau einer Position anhängt,
die in einer westlichen Demokratie nicht angebracht ist.
Arbeitsauftrag:
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