Veröffentlichung - Didaktische Hinweise

6. Regel: Die Urteile sollen veröffentlicht werden
Erläuterungen

6. Regel der Urteilsbildung (nach oben)

6. Regel

Urteile sind zu veröffentlichen. Bei der Veröffentlichung des Urteils ist darauf zu achten, dass Unsicherheiten und Widersprüche in der Urteilsbildung nicht kaschiert, sondern sichtbar werden.

Urteilsbildung findet in der Regel in begrenzter Zeit, mit begrenztem Personal, mit begrenzten Mitteln und auf der Basis von unsicheren Informationen statt. Sie ist in der Regel immer mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden und von daher als vorläufig anzusehen. Um anderen Menschen, die das Urteil übernehmen oder selbst in die Urteilsbildung einsteigen wollen, die Chance zu geben, die Qualität des Urteils abzuschätzen und eventuell an Schwachpunkten weiterzuarbeiten, ist es nicht nur notwendig, die Entscheidung und ihre Begründung zu veröffentlichen, sondern auch die Unstimmigkeiten und Kritikpunkte und problematische Aspekte des Urteils mitzuteilen. Von daher ist es angebracht z.B. die Veröffentlichung von Minderheitenvoten nicht zu verbieten, sondern sie zu fördern (eine Praxis, die das Bundesverfassungsgericht seit Langem verfolgt).

(Vgl.: W. Sander: Effizienz und Emanzipation. Prinzipien verantwortlichen Urteilens und Handelns. Eine Grundlegung zur Didaktik der politischen Bildung., Opladen 1984, S. 273-274.)

 

Erläuterungen (nach oben)

Veröffentlichung und Diskussion des Gesamturteils

1. Veröffentlichung

Ziel:

Aufgabe ist es, das zuvor formulierte Gesamturteil im ersten Schritt verständlich und gut nachvollziehbar zu präsentieren und im zweiten Schritt einer intensiven Diskussion zu unterziehen.

Im Wesentlichen sollen die Schülerinnen und Schüler ihre gedankliche Arbeit - gestützt auf die Urteilsbildungsstruktur - offenlegen. So ist gewährleistet, dass ihre Urteile mit den Stärken und Schwächen, Übereinstimmungen und Differenzen für die Mitschüler verständlich werden und erste Anreize zu einer Diskussion gegeben sind: Wie und weshalb könnten Kriterien auch anders gewichtet werden? Welche Sachverhalte sind doch eher anzweifelbar, welche sind sicher? Wo liegen Brüche in der Argumentation?

Methoden:

  • Referat erarbeiten und Präsentation erstellen,
  • Wandzeitung erstellen,
  • Artikel für eine Zeitung schreiben.

Arbeitsaufträge:

  • Welche Punkte waren dir wichtig für die Bildung des Gesamturteils? Begründe!
  • Welches sind die Stärken, welches die Schwächen deines Urteils?
  • Welches sind die Stärken, welches die Schwächen in den Urteilen der anderen?

Wichtig!

Machen Sie ihren Schülerninnen und Schülern deutlich, dass Urteilsbildung i.d.R. immer unter Zeitdruck und unter Bedingungen begrenzter Information stattfindet. Gerade diese gut organisierte Arbeit an einem Urteil kann fruchtbar sein und für „Diskussionskultur“ sorgen. Verdeutlichen Sie die Wichtigkeit der Erklärung der Schwächen des eigenen Urteils! Gerade dieses vermeintliche Eingeständnis kann wichtige Gruppenprozesse anregen. Daher geht es darum, die Struktur der Argumentation offen zu legen, da so, aud den Urteilen aufbauend, die Qualität der Urteile teilweise verbessert werden kann (wenn man Interesse und Zeit hierzu hat).

Typische Fehlerquellen:

  • Es werden um der Wirkung willen problematische Schlüsse und Schwächen kaschiert.

2. Diskussion

Ziel:

Die Schüler sollen in eine Diskussion über ihren Urteilsbildungsprozess eintreten.

Sie sollen lernen „Urteile zu beurteilen“ und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen, indem sie auf typische Fehler achten (lernen). Die Reflexion der einzelnen Schritte und ihrer Relevanz für den Prozess der Urteilsbildung ist, neben der gemeinsamen Auseinandersetzung mit den einzelnen Ergebnissen, an dieser Stelle zentral.

Durch die einheitliche und den Schülerninnen und Schülern bekannte Struktur der Urteilsbildung sind die „Widrigkeiten“ einer normalen pro/contra-Diskussion (Der Lautere / Der Meinungsführer der Klasse „gewinnt“; es wird polemisch argumentiert; das Urteilsniveau bleibt auf einem Anfängerlevel; Gemeinsamkeiten und und Unterschiede werden nicht deutlich; das Ergebnis ist weiterhin ambivalent und unbefriedigend) außer Kraft gesetzt.

Eine gemeinsame Suche nach einem rationalem, ethisch vertretbaren und praktikablen Urteil ist mit dem „Modell der Urteilsbildung“ möglich, d.h. eine Diskussion über die subjektive Gewichtung und die ethischen Grundpositionen ist ohne die Fallstricke der „Standarddiskussion“ möglich, da ein gemeinsames Interesse besteht, fallbezogen - so weit als möglich - zu Ergebnissen zu gelangen (wo Kompromisslinien erkennbar sind).

  Methoden:

  • Podiumsdiskussion,
  • Rollenspiel (Schülerinnen und Schüler können sich ihre Rolle selbst in Abhängigkeit zu ihrem Urteil aussuchen!),
  • Pro/contra-Diskussion, dann aber auf Basis der Urteilsbildungsstruktur,
  • Gesprächsregeln einüben ,
  • Tagebuch über die Phasen der Urteilsbildung und die Entwicklung des eigenen Urteils erstellen,
  • die Struktur der Urteile analysieren,
  • Urteile beurteilen.

Arbeitsaufträge:

  • Beschreibe den Arbeitsprozess, der zur Bildung des Gesamturteils geführt hat.
  • Welche Bedeutung haben die einzelnen Schritte der Urteilsbildung?
  • Du bist Vertreter der Textilindustrie / der Schülervertretung / des Lehrerverbandes etc.. Nimm kritisch Stellung zur Thematik „Schuluniformen“!
  • Schreibe einen Artikel für eine Zeitung zum Thema „Die Vor- und Nachteile von Schuluniformen“ und komme zu einem eigenen Urteil.

Wichtig!

Denken Sie an das Motto der Richtlinienkommission von 1972: „Viel zu wissen ist zu wenig“! Es geht nicht nur um das „Wissen, wie…(etwas funktioniert)“, sondern immer auch um das „Entscheiden, ob…“.

Der Stellenwert des empirischen Wissens im Prozess der Urteilsbildung ist in Absetzung zur normativen Ebene klarzustellen.