"FAQ" - Die gängigsten Fragen (nach oben)
Wie können aus Aussagen und
Spontanurteilen Kriterien gewonnen werden? (nach oben)
Zu jedem strittigen Fall gibt es eine Position A (pro)
und eine Position B (contra). Begründungen setzen sich immer aus
Wertungen und Sachaussagen zum konkreten Fall zusammen. Eine
Begründung für Kernenergie wird zum Beispiel darauf
verweisen, dass bei der atomaren Erzeugung von Strom keine
CO2-Belastung anfällt. Das implizite normative Kriterium
könnte sein: Stromerzeugung soll umweltverträglich sein. Die
Gegner der Kernenergie begründen ihre Position damit, dass sie auf
das nicht unerhebliche Restrisiko verweisen, das mit Kernkraftwerken
verbunden ist. Das implizite normative Kriterium lautet hier:
Kraftwerke sollen sicher sein. So könnte man der Reihe nach die
Argumente für und gegen Kernkraftwerke durchgehen und die dabei
erkennbaren normativen Gesichtspunkte auflisten und
gegenüberstellen. Dabei wird deutlich, dass auch Befürworter
von Kernkraftwerken dem Kriterium Sicherheit zustimmen können und
umgekehrt die Gegner von KKW sicherlich eine Reduzierung der
Umweltbelastung für erstrebenswert halten. Durch schrittweises
Heranarbeiten an die Problematik wird also der normative Hintergrund
der jeweiligen Argumentationen sichtbar. Bei der Herausarbeitung der
normativen Gesichtspunkte ist es zunächst unerheblich, wie die
Sachverhaltsaussagen zum vorliegenden Fall über die Sicherheit und
das verbleibende Restrisiko ausfallen und ob sie zutreffen. Hier geht
es zunächst einmal nur darum, die normativen Vorstellungen
über eine akzeptable (ideale) Erzeugung von Strom zu
präzisieren. Normative Aussagen und Kriterien erkennt man immer an
dem kontrafaktischen Geltungsanspruch des "Sollens".
Sachverhaltsaussagen hingegen können richtig oder falsch sein.
Diese Fokussierung auf normative Gesichtspunkte bietet
sich an, weil dadurch viele Chancen geschaffen werden einen Konsens zu
finden. Denn Aussagen über ideale Zustände lassen sich sehr
gut vermitteln und sind auch sehr schnell konsensfähig. Um die
Bandbreite der für die Beurteilung eines Falles relevanten
normativen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ist es daher immer
vorteilhaft, möglichst umfangreich die gegensätzlichen
Positionen mit in den Prozess einzubeziehen. Denn je zahlreicher die
Perspektiven sind, desto umfassender werden auch die normativen
Gesichtspunkte sein, die bei der Beurteilung des Falles
berücksichtigt werden. Die Umkehrung gilt auch: Je homogener die
Eingangsbeurteilung eines Falles ausfällt (alle Mitglieder einer
Arbeitsgruppe sind überzeugte Gegner bzw. Befürworter der
Kernenergie), um so einseitiger werden die in die Urteilsbildung
einfließenden normativen Gesichtspunkte sein.
Wie kann ich Schülerinnen
und Schülern den Unterschied zwischen Kriterien und Sachverhalten
erklären? (nach oben)
Hier bietet es sich zunächst an, auf einfache
Entscheidungsbeispiele, die der Lebenswelt der Jugendlichen entnommen
sind, zurückzugreifen. Am Schiedsrichterurteil lässt sich
sehr gut deutlich machen, was normative Kriterien (Regeln) sind und wie
Sachverhaltsaussagen festgestellt werden können. Der
Schiedsrichter muss auf Ballhöhe sein, um feststellen zu
können, ob die Regel, wann ein Tor zu geben ist, durch den
beobachtbaren Vorgang (hat der Ball die Torlinie in voller Umdrehung
überschritten) eingetreten ist. Ein Sachverhalt kann falsch
beobachtet und falsch beschrieben sein. Durch Rücksprache mit den
Schiedsrichterassistenten können vor Ort schwierige
Sachverhaltsfragen geklärt werden. Neuerdings wird darüber
nachgedacht, durch Videoaufzeichnungen diese Sachverhaltsfeststellung
zu präzisieren. Davon wird aber im Fußballspiel bisher kein
Gebrauch gemacht. Im Tennisspiel gibt es elektronische Hilfen, mit
denen man feststellen kann, ob der Ball die Außenlinie noch
berührt hat oder ob er sie schon überschritten hat. Regeln
sind Vereinbarungen, deren Wortlaut und die damit verbundenen
Tatbestände dem Urteilenden bekannt sein müssen, damit er auf
die richtigen Sachverhalte seine Aufmerksamkeit lenken kann. Auch an
alltäglichen Kaufentscheidungen lässt sich sehr gut deutlich
machen, dass Wunschvorstellungen (Ideale) z.B. über eine "gute"
digitale Kamera kleingearbeitet werden müssen, so dass der Begriff
"gut" sich aufteilt in unterschiedliche Dimensionen (Kriterien) wie
z.B. Preis, Bildqualität, Blitz, Sucher und Monitor, Handhabung,
Betriebsdauer, Vielseitigkeit und Gesamturteil (vgl. die Berichte der
Stiftung Warentest). Die Zuordnung der jeweiligen empirischen Befunde
erfolgt dann durch diejenigen, die die Tests durchgeführt haben
oder die über entsprechende Erfahrungswerte verfügen (wie z.
B. der Fachverkäufer oder Freunde, die über eine Kamera
verfügen). Die Gewichtung der dann so eruierten normativen
Gesichtspunkte kann von Fall zu Fall durch den Einzelnen geändert
werden. Der Bezug zu alltäglichem Kaufverhalten dürfte
für die Jugendlichen eine große Hilfe darstellen, deutlich
zu machen, dass der Prozess der Urteilsbildung viel mit ihrer
Alltagswelt zu tun hat. Denn sie werden sehr schnell feststellen, dass
mit wenig Aufwand die Qualität der Urteilsbildung auch in diesem
Bereich deutlich verbessert werden kann. Allzu bekannt ist es, dass man
mit leerem Bauch Spontankäufe tätigt, die man dann
häufig wieder rückgängig machen möchte/ muss, weil
bei näherer Betrachtung der Fehlkauf allzu deutlich wird und viele
Gesichtspunkte übersehen wurden. Urteilsbildung lohnt sich.
Warum haben normative Kriterien
Vorrang gegenüber empirischen Sachverhalten? (nach oben)
Normative Gesichtspunkte sind im Prozess der
Urteilsbildung äußerst hilfreich, um die Beobachtung und
Wahrnehmung zu steuern. Gerade diese Funktion ist
für eine fallorientierte Entscheidungsfindung sehr wichtig. Denn
ohne normative Gesichtspunkte ist es schlechthin unmöglich,
Entscheidungen zu fällen. Wer also nur aus der Situation heraus
Entscheidungen begründen möchte, wird an kein Ende der
Beobachtungen, Überlegungen, Analysen und empirischen Arbeiten
kommen. Andererseits ist es wichtig, die normativen Kriterien, die
einer Urteilsbildung dann zugrunde liegen, zu kontrollieren. Denn man
ist sich ja bei der Urteilsbildung niemals sicher, die relevanten normativen Kriterien auch entsprechend berücksichtigt zu haben.
Für eine Verbesserung des Urteils ist es daher sehr hilfreich, die
tatsächlich berücksichtigten normativen Kriterien zu
explizieren und sie anderen Personen, die sich kritisch mit dem Urteil
auseinandersetzen wollen/ können, offen darzulegen. Durch deren
Kritik kann an dieser Stelle dann die normative Basis des Urteils rasch
verbessert werden. Diese Strategie der schrittweisen Verbesserung der
normativen Basis ist hilfreich, um mit vertretbarem Aufwand das Urteil
zu verbessern. Gleiches gilt natürlich auch für die
beobachtbaren empirischen Sachverhalte. Für die Urteilsbildung
selbst haben normative Gesichtspunkte Vorrang, da in der Logik des
Urteils nur das an empirischen Beweisen letztlich zulässig und
argumentativ bedeutsam ist, was durch normative Kriterien abgedeckt
ist. Ob es regnet oder die Sonne scheint, darf für
Schiedsrichterurteile nicht bedeutsam sein.
Wieso ist das Konzept der
Urteilsbildung einer sonst üblichen Pro-Contra-Diskussion
überlegen? (nach oben)
Pro-Contra-Diskussionen leben häufig davon, dass
rhetorisch geschickt eher die emotionale Seite der Auseinandersetzung
sehr stark zum Tragen kommt. Dadurch werden Pro-Contra-Diskussionen
sehr lebendig. Den gegnerischen Parteien geht es darum, Siege zu
erringen und dem Gegner Niederlagen beizubringen. Das Modell der
Urteilsbildung bietet hingegen die Chance, trotz kontroverser
Positionen das gemeinsame Interesse zu stärken und die
Qualität der Urteile (durch eine breitere Basis normativer
Kriterien und eine sorgfältige Beachtung der berücksichtigten
Sachverhalte) schrittweise zu verbessern. Hier tritt also die inhaltliche
Auseinandersetzung um einen strittigen Fall sehr viel
deutlicher in den Vordergrund. Die rhetorische Verpackung der
Argumentation/ Ergebnisse ist in der Phase der Veröffentlichung
des Urteils auch wichtig. Aber diese eher den Sophisten nachgesagte
Fähigkeit der Überredung ist nicht Hauptinteresse des Modells
der Urteilsbildung. Es geht darum, das Know-how, die Kenntnis und
Fähigkeiten der am Urteilsbildungsprozess beteiligten Personen
einzubinden und zu einer deutlich verbesserten Urteilsbildung zu
kommen. Auf diese Weise wird sichtbar, wo Gemeinsamkeiten, wo
Unterschiede liegen. Außerdem geht es nicht darum Siege zu feiern
und Niederlagen beizubringen. Wichtig ist es, in einem kontroversen
Fall die Qualität der Urteilsbildung unter Beteiligung der
interessierten Personen schrittweise zu verbessern und dabei die zu
berücksichtigenden Regeln offen zu legen, so dass niemand durch
den Prozess der Urteilsbildung majorisiert oder manipuliert werden
wird. Je besser die urteilenden Subjekte es lernen, die Regeln der
Urteilsbildung fallbezogen anzuwenden, desto geringer ist die Chance,
dass sie durch geschickte Agitatoren verführt oder irregeleitet
werden können. Wer die Regeln (Grammatik) der Urteilsbildung kennt
und sie anhand von interessanten Fällen anzuwenden gelernt hat,
verfügt über politische Urteilskompetenz, die er auch in
andere Bereiche übertragen und zur Lösung politischer
Streitfälle einsetzen kann.
Welche Philosophen könnten
auf einfache Weise zur Verdeutlichung des Modells der Urteilsbildung
herangezogen werden? (nach oben)
An erster Stelle ist hier sicherlich Immanuel Kant zu
nennen. Allerdings ist die Sprache, in der Kant seine Philosophie
verfasst hat, heutigen Lesern sehr schwer zu vermitteln. Von daher
bedarf es vieler Übersetzungshilfen (vgl. W. Sander: Effizienz und Emanzipation. Prinzipien verantwortlichen Urteilens und Handelns. Eine Grundlegung zur Didaktik der politischen Bildung., Opladen 1984, S. 267-289).. In Auszügen lassen sich
die zentralen Aussagen von Kant jedoch sehr gut zusammenfassen. An den
zentralen Stellen sollte man Kant im Original lesen. Interessante
Vorläufer des Modells der Urteilsbildung finden sich sicher auch
in den sokratischen Frühdialogen, in denen Sokrates seine
Zeitgenossen mit Fragen zum Thema „Ist Tugend lehrbar?“
immer wieder konfrontiert hat. Der aporetische Ausgang macht deutlich,
dass jeder einzelne dazu aufgerufen ist, zu Fragen des guten Lebens
durchaus eine eigenständige Antwort zu finden. Die Grundstruktur der Urteilsbidlunf findet sich schon in Aristoteles´ Ethik (siehe praktischer Syllogismus).
Was ist das Besondere an einem
moralischen Urteil? (nach oben)
Viele Beispiele, die hier aus der Lebenswelt oder aus
dem Alltag der Schülerinnen und Schüler herangezogen worden
sind, sind Fälle, in denen es häufig darum geht,
Zweckmäßigkeits- und Klugheitsentscheidungen zu treffen und
sie entsprechend zu begründen. Mit Hilfe des Modells der
Urteilsbildung lassen sich solche Bearbeitungsprozesse sehr gut
initiieren, verobjektivieren und untereinander diskutabel machen. Dies
gilt sicherlich auch für viele Kaufentscheidungen, die die
Menschen in alltäglichen Situationen zu treffen haben. Die
moralische Dimension kommt in diesen Zweckmäßigkeits- und
Klugheitsurteilen erst dann zum Tragen, wenn die Urteilenden über
die Normen und die dann gefundenen Lösungsalternativen unter dem
Gesichtspunkt der Verallgemeinerbarkeit noch einmal zusätzlich
nachdenken. Hierbei wird dann der kategorische Imperativ als
Prüfregel eingesetzt. Der kategorische Imperativ ist die Norma
normans hinsichtlich der Verallgemeinerbarkeit von Maximen: Handle nach
der Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz
werde. In eine situationsangemessene Formulierung transformiert: Handle
bei unterschiedlichen Alternativen nach der Maxime, von der du am
ehesten wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. Auf die
allgemeine Menschheit bezogen könnte man noch deutlicher sagen:
Wenn du alternative Möglichkeiten hast, handle nach der Maxime,
die den bisher Benachteiligten in der Gesellschaft am wenigsten Schaden
zufügt. Hier wird deutlich, dass das Handeln nach dem Gesetz des
Stärkeren oder bei purem Egoismus oder nach rein technischer
Zweckmäßigkeit mit moralischem Urteilen nichts zu tun hat,
da diese Perspektive der Moralität hier überhaupt nicht zum
Tragen kommt. Man kann also sagen: Moralische Gesichtspunkte kommen bei
der Urteilsbildung um so stärker zum Tragen, je deutlicher die
Urteilenden die Maximen ihres Handelns aus der Sicht der
Schwächsten auf die oben angegebene Verallgemeinerbarkeit hin
überprüfen.
Wie ist zu entscheiden, wenn in
der Sachverhaltsanalyse widersprüchliche Aussagen über einen
Gegenstand (z. B. über die Sicherheit von Kernkraftwerken) zu Tage
treten? (nach oben)
Laien – und dazu gehören Schülerinnen
und Schüler sicherlich – können, um ein Beispiel
aufzugreifen, sicherlich nicht überprüfen, ob Kernkraftwerke
tatsächlich sicher sind, oder Wirkungszusammenhänge wie
"Schuluniformen verringern das Mobbing" richtig einschätzen. Aber
Laien sind durchaus in der Lage, Aussagen über die Sicherheit von
Kernkraftwerken auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu
überprüfen. Widersprüchlichkeiten können eruiert
werden. Die Glaubwürdigkeit von Aussagen kann im historischen
Vergleich sehr gut herausgearbeitet werden (was wurde früher
gesagt, was wurde angesichts von kritischen Situationen gesagt, wie
haben die Urteilenden die alarmierenden Sachverhalte eingeordnet: Wurde
schöngeredet oder wurde deutlich gemacht, dass bestimmte Probleme
existierten, die vorher nicht erkannt oder berücksichtigt wurden
etc.). Kriminalistischer Scharfsinn und analytischer Sachverstand, wie
er bei der Lösung von Kriminalfällen durchaus in der
Bevölkerung weit verbreitet ist, kann hier eingesetzt werden, um
die Beweislage kritisch zu analysieren. Für die empirische
Qualität eines Urteils ist es nicht alleine ausschlaggebend, wie
häufig und wie umfangreich Belege für die Richtigkeit einer
Aussage angeführt worden sind. Viel wichtiger ist es, die
Haltbarkeit von Aussagen erkennen zu können, wie intensiv sie auf
ihre Falschheit hin überprüft worden sind.
Nach welchen Gesichtspunkten
sind Unterrichtsmaterialien zu ordnen? (nach oben)
Kann durch die Ordnung des
Unterrichtsmaterials nicht unter Umständen eine Vorauswahl und
eine einseitige Beeinflussung der Urteilsfindung und –bildung
erfolgen?
Wenn zu Beginn des Urteilsbildungsprozesses ein
Streitfall steht, sollten nach Möglichkeit immer kontroverse
Positionen mit gegenteiligen Urteilen (z. B. auch Spontanurteile)
gegenübergestellt werden. Dadurch wird schon eine perspektivische
Verengung verhindert. Entsprechend sind dann im zweiten Schritt die
Materialien so anzuordnen, dass für die Herausarbeitung von
normativen Kriterien eine hinreichende Bandbreite und Pluralität
der Wertungen und Weltanschauungen berücksichtigt werden. Auch bei
der Klärung der Sachverhaltsfragen ist darauf zu achten, dass
sowohl Befürworter wie auch Gegner eine faire Chance erhalten,
ihre empirischen Belege, Beweise und Befunde hinreichend zur Geltung zu
bringen. Hier kann durchaus auf den Vorgang bei Gericht verwiesen
werden, wonach die gegnerischen Parteien jeweils die Möglichkeit
haben sollten, ihre Sichtweise der Dinge mit einzubringen. Auf diese
Weise könnte auch in dieser Phase der Beweisaufnahme eine
möglicherweise vorhandene Verengung im normativen Bereich
aufgebrochen werden, denn die zu Beginn vorgenommene Herausarbeitung
normativer Gesichtspunkte ist keine endgültige. Die normativen
Gesichtspunkte können im Laufe des Prozesses erweitert werden. Das
für die Qualität des Urteils wichtige Hin- und Herwenden des
Blickes von den normativen Gesichtspunkten zu den Sachverhalten und
rückwärts von den Sachverhalten zu den normativen
Gesichtspunkten ist dadurch in die Wege geleitet und sollte produktiv
genutzt werden. Sollte zu einem strittigen Fall schon ein gut
begründetes Urteil existieren, so kann dieses auch zu Beginn eines
Urteilsbildungsprozesses eingeführt werden. Dann besteht für
die Urteilenden im Wesentlichen die Aufgabe darin, die einzelnen
Arbeitsschritte kritisch nachzuvollziehen und darauf zu achten, ob alle
relevanten normativen Gesichtspunkte berücksichtigt und die
entsprechenden Sachverhalte zur Klärung des Falles herangezogen
wurden. Ein solcher Vorgang beschleunigt bei einer geübten Gruppe
den Prozess der Urteilsbildung sehr. Dieses Erfolgserlebnis trägt
dazu bei, bei den Urteilenden selbst Spaß an Prozessen der
Urteilsbildung zu vermitteln und die Struktur der Urteilsbildung
weiterhin zu verfeinern und zu perfektionieren.
Welche Unterrichtsformen bieten
sich für die Urteilsbildung an? (nach oben)
Haben die Schülerinnen und Schüler bisher
keine Erfahrung und keine Vorstellung von Urteilsbildung, so ist es
sicherlich erstrebenswert, anhand sehr anschaulicher, plastischer und
lebensnaher Beispiele im Frontalunterricht zu zeigen, (a) dass
Entscheidungen im Alltag zwar sehr häufig gefällt werden
müssen, wir aber selten darüber nachdenken, nach welchen
Regeln wir diese Entscheidungen fällen sollen; (b) dass es
anschauliche Beispiele gibt, um den Prozess der Urteilsbildung mit
verschiedenen Dimensionen (1-6 bzw. 7) deutlich zu machen. Die sieben
Regeln der Urteilsbildung sind bewusst einfach formuliert. Sie
können zur Strukturierung der Urteilsbildung von jedem
herangezogen werden. Wenn Schülerinnen und Schüler der
Prozess der Urteilsbildung anhand anschaulicher Beispiele deutlich
geworden ist und die Regeln bekannt sind, können sie schrittweise
auch in selbständige Arbeit entlassen werden. Hier bietet sich
möglicherweise dann Partnerarbeit an. Wenn die Klasse geübt
ist, können komplexere Fälle in Gruppen bearbeitet werden.
Diese können dann nach Pro- bzw. Contragruppen eingeteilt werden.
Dadurch kommt eine bestimmte soziale Dynamik in den Prozess der
Urteilsbildung. Aber deutlich werden sollte, dass es hier nicht darum
geht, dann eine Pro- bzw. Contraposition bis zum Ende durchzuhalten.
Vielmehr geht es darum, die Qualität des Urteils insgesamt zu
verbessern, mit der Folge, dass sich die Positionen u. U. auch
verändern können. Bisher wurde allerdings noch wenig
Erfahrungen darin gesammelt, wie Schülerinnen und Schüler
selbst sich in diesem Prozess der schrittweisen Optimierung von
Urteilsbildungsprozessen einbringen. Es ist also noch nicht hinreichend
geklärt, ob es günstiger ist, anhand vorgefasster Vor-Urteile
sozial homogene Gruppen zu bilden, oder ob es günstiger ist, die
widersprüchlichen Positionen in die Gruppen selbst zu verlagern
und dann schrittweise die Qualität des Urteils zu verbessern. Ganz
entscheidend dürfte es für das Gelingen dieser
Urteilsbildungsprozesse sein, dass die zu bearbeitenden Fälle aus
der Lebenswelt der Jugendlichen stammen, so dass der Nutzen dieser
Urteilsbildungsprozesse auch erkennbar ist. Je deutlicher ihnen wird,
dass sie mit Hilfe dieses Modells in ihrer Alltagswelt fehlerhafte
Entscheidungen vermeiden können, um so eher werden sie auf dieses
Angebot zurückgreifen und die hier gewonnenen Erkenntnisse mit
ihrem Alltagswissen verknüpfen.
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