M 01.08 Rechtspopulisten, Neonazis, Rechtsextreme

Rechte, nicht-demokratische Gesinnungen erweisen sich zumindest in einem Grundsatz einig - sie verachten alle jene Menschen, die sie selbst als anders definieren. Doch von diesem Primat aus gesehen gehen die Strömungen weit auseinander: Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus und Neonazismus lassen sich vor allem durch ihr Verhältnis zur Gewalt voneinander unterscheiden. Haben Rechtspopulisten und Rechtsradikale eine eher distanzierte Beziehung zu Tätlichkeiten, gelten Angriffe auf Andersaussehende oder Andersdenkende vielen Rechtsextremen und nahezu allen Neonazis als legitimes Mittel.

Die Unterschiede zwischen diesen Strömungen lassen sich am besten daran messen, wie sie mit Bestandteilen der nationalsozialistischen Ideologie umgehen. Das Denken der deutschen Nazis orientierte sich an Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus in Formen, die sich im Laufe der zwölfjährigen Herrschaft zunehmend radikalisierten. Antibürgerliche, antikapitalistische und antiparlamentarische Akzente ergänzten die Denkweise, deren Vertreter zugleich aus ihrem Misstrauen gegen die Moderne keinen Hehl machten.

Heutige rechte Ideologien variieren und aktualisieren diese Elemente. So setzen Rechtspopulisten stark auf Traditionen, die sie als Kontrapunkt einer späten, die Menschen aus ihren gewohnten Zusammenhängen reißenden Moderne preisen. Damit finden Politiker wie der Österreicher Jörg Haider offene Ohren. Aber auch deutsche Konservative spielen mit diesem Topos, wenn sie sich für den verstärkten Einsatz von Polizei gegen Straftäter einsetzen oder in der Debatte um das Einwanderungsland Deutschland einen kontrollierten Zuzug "brauchbarer Ausländer" propagieren. Die Betonung des Nationalismus macht Grenzen zwischen Rechtspopulismus und Rechtskonservativismus fließend. Ein ausgeprägter Nationalismus gekoppelt mit einer drastischen Ausländerfeindlichkeit führt zu den rechtsradikalen und rechtsextremen Strömungen. Im Bundestagswahlkampf 1980 machte die NPD die Parole "Ausländerstopp - Deutschland den Deutschen" zu ihrem zentralen Slogan. Den qualitativen Sprung zwischen diesen beiden Richtungen macht im Verständnis des Verfassungsschutzes das Verhältnis zur Gewalt aus: Während Rechtsradikale sich demnach noch auf dem Boden der Verfassung bewegen, stellen Rechtsextremisten und Neonazis eine Gefahr für das Grundgesetz dar, da sie diese Ordnung auch mit gewalttätigen Mitteln beseitigen wollen.

Rechtsextreme begreifen sich als antibürgerlicher Kontrapunkt, weisen dem Nationalismus in ihrem Denken eine besondere Bedeutung zu, verstehen sich aber nicht unbedingt als Nachfolger der Nationalsozialisten, selbst wenn etwa in den Reihen der NPD entschiedene Leugner des Holocaust zu finden sind.

Die Revision dieses Teils deutscher Geschichte steht im Mittelpunkt neonazistischen Denkens, das die Ansicht, die ethnische Zugehörigkeit zu einer Rasse mache den Wert des Menschen aus, nach dem Vorbild der alten Nazis bis zu der Legitimation von Gewalt treibt.

(aus: Frankfurter Rundschau vom 04.08.2000)