M 01.15 NPD bei den Greifswalder Schützen

Vereinsmitglieder engagierten Rechtsextreme als Sicherheitsdienst / Heß-Plakate in Stralsund und Rostock geklebt

"Friedlich, diszipliniert und würdevoll" sei das Schützenfest in Greifswald verlaufen. Mehr noch: Es sei zu einem Beispiel "wahrer Toleranz und Demokratie" gediehen. Derartig gespickt mit Häme und rechtsextremen Parolen feiert die NPD im Internet ihren Triumphzug, nachdem sie am vergangenen Wochenende einen Ordnungstrupp für das Fest des Greifswalder Schützenvereins gestellt hatte. Die Polizei war am Freitagabend von einem Festbesucher gerufen worden, den die große Anzahl von "Glatzen" unter den knapp hundert Gästen beunruhigt hatte. Auf Nachfrage präsentierten die jungen Männer den Beamten ihre Ordner-Marken. Mitglieder des Vereins hätten außerdem bestätigt, dass sie die Gruppe ganz offiziell als Aufpasser engagiert hatten, sagt Axel Falkenberg von der zuständigen Polizeidirektion in Anklam: "Wir konnten da nichts tun, denn die NPD ist ja erlaubt und Ordner waren für die Veranstaltung sogar vorgeschrieben."

Chef der "Ordner" war der NPD-Kreisvorsitzende Maik Spiegelmacher, der laut Falkenberg 1992 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Er habe sich "wacker geschlagen" und dafür gesorgt, "dass alles seinen sozialistischen Gang ging", heißt es in den Internet-Pamphleten. Und weiter: "Bürgerinnen und Bürger konnten sich von der Disziplin und Freundlichkeit unserer Kameraden überzeugen."

Die schwarz-grün regierte Hansestadt distanzierte sich von dem Verhalten des Vereins. Oberbürgermeister Joachim von der Wense (CDU) sei keineswegs Schirmherr des Festes gewesen, wie die NPD behaupte, sagte eine Sprecherin der Stadt. Außerdem habe die Verwaltung nicht gewusst, welche Personen der Verein als Ordner bestellt habe. Der grüne Kreisvorstand Burkhard Senst will zunächst das Gespräch mit dem Schützenverein 1990 Greif suchen. "Wenn die wissentlich diese Leute rekrutiert haben, bin ich dafür, dass sie aus dem Sportbund ausgeschlossen werden und damit auch keine Fördermittel mehr erhalten." Die Vereinschefin war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Bis in die Landeshauptstadt drang die Aufregung über den fragwürdigen Ordnungssinn der Greifswalder Schützen vor: Landtagspräsident Hinrich Kuessner (SPD) forderte dazu auf, "dem Verein künftig keine Ruhe zu lassen".

Rechtsradikale Aktionen meldeten am Mittwoch Stralsund und Rostock: Am Ortseingang von Stralsund hatten Unbekannte in der Nacht ein Banner von vier Metern Länge an einer Brücke befestigt. Die Aufschrift: "Meinungsfreiheit statt Verbote - Nationaler Widerstand". Bereits am Dienstag waren in Stralsund und Rostock elf junge Männer festgenommen worden, die Plakate zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß geklebt hatten. In den vergangenen Jahren sei eine solch massive Plakatierung nicht vorgekommen, hieß es bei der Stralsunder Staatsanwaltschaft.

Peter Koslik von der Stadtverwaltung sieht Zusammenhänge zwischen den Vorfällen in Greifswald und Stralsund. Erst vor kurzem habe sich etwa die Internet-Adresse der Rechtsradikalen geändert. "Wir mussten zwei Jahre abwarten, bis die rechtsradikale www.stralsund.net von den Behörden gekippt wurde", sagt Koslik. Jetzt haben sich die Verfasser den Namen www.greifswald.net zugelegt. Dort hätten sie auch bekannt gegeben, dass ihre Zentrale jetzt in der Hansestadt liege.

Laut Agenturberichten entdeckte die Kieler Polizei am Mittwoch fünf Heß-Plakate auf einer Litfaßsäule. Daneben waren bei einem Autohändler Wagen mit Hakenkreuzen beschmiert worden.

(aus: Ute Diefenbach, Bei den Greifswalder Schützen sorgte die NPD für Ordnung, in: Frankfurter Rundschau vom 17.08.2000, URL vom 04.09.2000: http://www.f-r.de/fr/spezial/rechts/t201720000817208010.htm)

 

Aufgabenstellung M 1.15 + M 1.16