M 03.03 Breite Debatte um NPD-Verbot in Deutschland
Der Vorschlag von Bayerns Innenminister Günther Beckstein, die NPD verbieten zu lassen, hat eine breite Diskussion über Sinn und Zweck eines solchen Verbotes ausgelöst. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums lehnte einen solchen Schritt am Mittwoch ab. Ein solcher Verbotsantrag würde nach der verfassungsrechtlichen Lage erfolglos bleiben, sagte er. Voraussetzung dafür sei, dass die Partei "aggressiv und bewusst" gegen die Verfassung verstoße. Auch die Staatssekretärin im Innenministerium, Cornelie Sonntag-Wolgast lehnte ein Verbot der NPD ab. Ebenso äußerte sich die Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Ute Vogt, im Gespräch mit der WELT skeptisch: "Das wäre nur eine symbolische Handlung, die nicht viel weiterhelfen würde." Die SPD-Politikerin kritisierte mit Blick auf Beckstein: "Man kann nicht erst im Wahlkampf Hetzkampagnen gegen Ausländer machen und dann bedauern, dass manche nach rechts weitermarschieren." Kritik an Becksteins Vorschlag kam auch von Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD). Ein NPD-Verbot würde die Eindämmung des Rechtsextremismus eher behindern", sagte Behrens, der auch Vorsitzender der Konferenz der Innenminister ist. Berlins Innensenator Eckhardt Werthebach sagte: "Wenn ich heute die NPD verbiete, dann wird morgen eine neue Organisation entstehen." Allerdings sei die Grenze erreicht, wenn in solchen extremistischen Parteien Gewalt verübt oder Gewalttaten verherrlicht würden. Auch Grünen-Chefin Renate Künast und ihr Kovorsitzender Fritz Kuhn lehnten ein NPD-Verbot ab. Unterstützung erhielt Beckstein dagegen von Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD). Man müsse prüfen, ob die NPD und ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten nun auch Gewalttäter aus der Skinhead-Szene sammle, sagte Gabriel dem Deutschlandfunk. Er rechne aber damit, dass das Bundesverfassungsgericht hohe Hürden an ein Parteiverbot anlege. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte, wenn ein Verbot der NPD durchsetzbar sei, müsse dies auch ausgesprochen werden. Die Partei habe vor allem über ihre Jugendorganisation "den legalen Tarnmantel für offen gewalttätige Taten abgelegt". Er wisse, dass Parteiverbote meist nur von zeitlich beschränkter Wirkung seien, so Trittin. Das sei "aber kein Grund, das nicht zu machen". Auch die Gewerkschaft der Polizei unterstützte Becksteins Vorschlag. Ein Verbot könne dazu beitragen, die Logistik der rechtsextremen Szene zu zerstören, sagte der stellvertretende Vorsitzende Konrad Freiberg. Seit Gründung der Bundesrepublik wurde erst zwei Mal eine rechtsextremistische Partei vom Bundesverfassungsgericht verboten: im Jahr 1952 die Sozialistische Reichspartei, die als Nachfolgerin der NSDAP eingestuft wurde, und 1995 die FAP. Die rechtlichen Hürden für ein solches Verbot sind hoch. Der Partei muss laut Grundgesetz Artikel 21 nachgewiesen werden, dass sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehe, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Die NPD gilt seit ihrer Gründung vor mehr als 35 Jahren als Sammelbecken rechtsextremer Personen. Im Verfassungsschutzbericht wird sie als fremdenfeindlich und antisemitisch eingestuft. Sie hat bundesweit derzeit etwa 6000 Mitglieder. Bei Wahlen auf Bundes- und Landesebene blieb sie bedeutungslos. Ihr bestes Ergebnis errang sie 1999 bei der Landtagswahl in Sachsen mit 1,4 Prozent. Nach Angaben des Verfassungsschutzberichtes suchte sie in der jüngsten Zeit verstärkt die Zusammenarbeit mit Neonazis. (aus: Armin Fuhrer, Breite Debatte um NPD-Verbot in Deutschland. Seit Gründung der Bundesrepublik wurde erst zwei Mal eine rechtsextremistische Partei vom Bundesverfassungsgericht verboten, in: Die Welt online URL vom 08.09.2000