M 03.11 NPD verbieten!
Unser Ziel muss es sein, politisch motivierte Gewalt gesellschaftlich zu ächten. Gewalttäter dürfen nicht den Eindruck haben, dass ihre abscheulichen Taten in der Gesellschaft stillschweigend hingenommen werden. Dazu brauchen wir die intensive öffentliche Auseinandersetzung. Dazu brauchen wir aber auch eine Rechts- und Sicherheitspolitik, die alle Möglichkeiten der Prävention und der Repression ausschöpft. Bei weitem nicht der einzige, wohl aber ein äußerst gewichtiger Schritt im Kampf gegen rechtsextremistische Gewalt ist das Verbot der NPD durch das Bundesverfassungsgericht. Wir dürfen nicht zulassen, das unter dem Schutz des Parteienprivilegs neonazistisches Gedankengut und Gewalt gefördert werden. Die NPD hat sich in den letzten Jahren massiv gewandelt. Militante Skinheads und Neonazis haben in den letzten Jahren verstärkt ihre politische Heimat in der NPD und deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) gefunden. Nach dem Verbot neonazistischer Organisationen Anfang der neunziger Jahre haben sich führende Vertreter der NPD und der JN angeschlossen. Die NPD vertritt zunehmend neonazistisches Gedankengut und verlangt offen die Beseitigung der - wie sie abfällig sagt - "Demokratur". Hierbei propagiert sie den "Kampf um die Straße". Sie bindet in besonderer Weise junge, vor allem auch gewaltbereite Menschen und nutzt sie für den politischen Kampf. Die NPD spielt eine zentrale Rolle für den gewaltbereiten Rechtsextremismus. Das Grundgesetz stellt in Artikel 21 fest, dass Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig sind. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht. An der Verfassungswidrigkeit der NPD besteht meines Erachtens kein Zweifel. Ich bin mir sicher, dass angesichts so vieler Gründe die Verfassungsrichter an einem Verbot nicht vorbeikämen. Ich trete dafür ein, dass die Bundesregierung den Verbotsantrag stellt. Zum einen könnte das Bundesinnenministerium dann sämtliche in den einzelnen Ländern gesammelten und beim Bundesamt für Verfassungsschutz ausgewerteten Erkenntnisse dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Zum anderen ginge schon von einem von der Bundesregierung gestellten Verbotsantrag eine massive Signalwirkung aus. Den NPD-Funktionären würde damit unmissverständlich klargemacht, dass der Staat Gewalt in keiner Weise akzeptiert. Zugleich würde damit ein deutliches Signal der generellen gesellschaftlichen Ächtung politisch motivierter Gewalt gesetzt werden. Wichtig ist auch die positive Wirkung eines derartigen Verbotsantrags im Ausland. Ein Verbotsantrag hätte aber auch schon ganz handfeste konkrete Auswirkungen. Das Bundesverfassungsgericht kann nämlich, sobald ein Verbotsantrag gestellt ist, gemäß Bundesverfassungsgerichtsgesetz Beschlagnahmen, etwa des Parteivermögens, und Durchsuchungen, zum Beispiel von Parteibüros, anordnen. Bereits infolge eines Verbotsantrags könnten somit Logistik und Strukturen der NPD massiv getroffen werden. Das Argument, ein unter Umständen jahrelanges Verbotsverfahren würde nichts bringen, ist somit schon von daher unzutreffend. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD durch das Bundesverfassungsgericht hätte die Auflösung der Partei zur Folge; zugleich wäre damit das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen, verbunden. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich die Einziehung des Vermögens der Partei anordnen. Der Versuch, den organisatorischen Zusammenhalt einer verbotenen Partei aufrecht zu erhalten, ist strafbar. Strafbar ist weiter das Herstellen, Vorrätighalten und Verbreiten von Propagandamitteln und das Verwenden von Kennzeichen wie Fahnen, Abzeichen und Parolen einer verbotenen Partei. Ganz entscheidend ist außerdem, dass eine verbotene Partei kein Versammlungsrecht mehr hat, und zwar weder in geschlossenen Räumen noch im Freien. Die provokativen Aufmärsche der NPD durch das Brandenburger Tor oder an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt/Oder würden damit der Vergangenheit angehören. (Der Autor ist bayerischer Innenminister) (aus: Günther Beckstein, "NPD verbieten!" Es wäre ein Signal gegenüber dieser verfassungswidrigen Partei. In: Die Welt vom 03.08.2000, URL vom 08.09.2000