M 03.12 Was hilft gegen Rechtsextremismus?
Ein Verbot der NPD wäre falsch, so hört und liest man häufig in diesen Tagen. Welche Verwirrung! Ein Verbot der NPD ist nicht falsch, sondern zwingend geboten, wenn sich nach genauer Prüfung herausstellen sollte, dass sich die NPD zum "legalen" Arm brauner Gewalttätigkeit entwickelt hat. Dann kann nicht nur, dann muss beim Bundesverfassungsgericht ein Verbotsantrag gestellt werden. Die aktuelle Debatte über Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in Deutschland ist weitgehend von Hilflosigkeit und Unsicherheit geprägt. Das ist bestürzend. Die Debatte ist deshalb aber auch eine Chance, sich der Maßstäbe und der Regeln zu vergewissem, die für den inneren Frieden in unserem Lande unverzichtbar sind. Vorab und unmissverständlich: Gegen rechtsextremistische Gewalttäter hilft nicht warm duschen. Es ist deshalb richtig, dass jetzt in einer BundLänder-Arbeitsgruppe geprüft wird, ob ein Verbotsantrag gegen die NPD aussichtsreich ist. In den Justiz- und Innenministerien sowie den Ämtern für Verfassungsschutz ist hinreichend Fachkompetenz vorhanden, um in einem überschaubaren Zeitraum diesen Sachverhalt zu prüfen und eine Entscheidung vorzubereiten. Allerdings, die Ratlosigkeit und die Bedenklichkeiten einiger Innenminister befremden. Die Feinde der Demokratie müssen nicht in erster Linie beobachtet, sondern entschlossen und offensiv bekämpft werden. Wer in diesem Land die Menschenwürde missachtet und nicht respektiert, verletzt den inneren Frieden und muss mit der Schärfe des Gesetzes rechnen. Um ein Beispiel zu nennen: Im Lande Brandenburg soll es 500 gewaltbereite Neo-Nazis geben. Damit sollen Staat und Gesellschaft nicht fertig werden? Immerhin, der zum Ritual gewordene Ruf nach schärferen Strafgesetzen ist bislang nicht laut geworden. Offenbar hat man begriffen, dass nicht neue oder schärfere Gesetze benötigt werden, um das Jagen von Menschen in Deutschland zu verhindern und streng bestrafen zu können. Diese Gesetze gibt es längst. Sie müssen jedoch umsichtig und konsequent angewendet werden. Da allerdings gibt es hier und dort Probleme. Der Rechtsstaat wird nur dann respektiert, wenn wir den Gesetzen, die wir beschlossen haben, auch Geltung verschaffen. Ja, es bleibt richtig: Mit Verboten und Strafen werden aus Neo-Nazis noch keine Demokraten. Falsche Alternativen führen aber nur zur Tatenlosigkeit. Ausländer-feindlichkeit, Rassismus und Nazi-Nostal-gie sind Alarmsignale. Sie signalisieren erhebliche Defizite in Teilen unseres Erziehungs- und Bildungssystems. Und sie verweisen auf zunehmende Gleichgültigkeit und die grassierende Unkultur des Wegsehens. Beim Kampf um die Einstellungen und die Wertorientierung sind Geduld und ein langer Atem gefragt. Die Grundregeln eines zivilisierten Zusammenlebens müssen jedoch unmittelbar und täglich eingefordert werden. Hier und jetzt! Die NPD hat angekündigt, am 27. Janu-ar 2001 mit einer Demonstration durch das Brandenburger Tor zu marschieren. In unmittelbarer Nähe befindet sich das geplante Holocaust-Mahnmal. Das ist der Tag, an dem wir in ganz Deutschland der Opfer des Holocaust gedenken. Diese geplante Demonstration ist in ihrem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang nichts anderes als eine bösartige Provokation. Die Absicht ist eine Verunglimpfung des Andenkens von Millionen ermordeter Juden. Eine solche Versammlung verletzt nachhaltig die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Diese Demonstration kann nicht nur, sie muss verboten werden. Das geltende Recht ist völllig ausreichend, wenn man die Verbotsverfügung sorgfältig begründet. Ich bin ganz sicher. Am 27. Januar 2001 wird kein einziger NPD-Anhänger durch das Brandenburger Tor marschieren. Es werden dort aber hoffentlich viele tausend Bürgerinnen und Bürger friedlich für die Zivilgesellschaft eintreten und der Opfer des Holocaust gedenken. (Der Autor ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion) (aus: Dieter Wiefelspütz, "Gegen Rechtsextreme hilft nicht warm duschen", in: Frankfurter Rundschau vom 09.08.2000)