M 05.02 Chancen und Grenzen der Kündigung rechtsextremer Arbeitnehmer

Kann Rechtsextremisten von ihrem Arbeitgeber gekündigt werden? Die Frage stellt sich, seit der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seine Mitgliedsunternehmen aufgefordert hat, auffällig gewordene Rechtsradikale zu entlassen. "Berufsverbot für Neonazis?", lautet eine Schlagzeile und weckt Assoziationen an den "Radikalenerlass" von 1972, der sich damals gegen Mitglieder kommunistischer Parteien und Gruppen richtete. Der Vergleich ist aber schief, weil der verfassungsrechtlich höchst umstrittene Erlass eine Anstellung im Öffentlichen Dienst betraf, wofür die Verfassungstreue Voraussetzung ist. Nur deshalb war die Konstruktion möglich, dass die Mitgliedschaft in nicht verbotenen Parteien oder Organisationen einer Einstellung entgegenstehen konnte. Dagegen ist unstrittig, dass die reine Mitgliedschaft in der (verfassungsfeindlichen, aber zugelassenen) NPD in den meisten Privatunternehmen kein Kündigungsgrund ist.

Sonderstellung der Tendenzbetriebe
Anderes kann nur in so genannten "Tendenzbetrieben" gelten, das sind zum Beispiel Betriebe mit politischer, konfessioneller oder künstlerischer Ausrichtung, ferner Medien-Unternehmen. Es liegt auf der Hand, dass eine jüdische Organisation kein NPD-Mitglied beschäftigen muss und eine parteipolitisch unabhängige Zeitung keinen Kanzlerkandidaten einer Partei. In "normalen" Betrieben ist die Sache noch einfach, wenn sie nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigen oder das Beschäftigungsverhältnis nicht länger als sechs Monate besteht; in diesen Fällen gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht den Rauswurf eines Schwulen für unwirksam erklärt, dem seine Homosexualität vorgehalten worden war; die Begründung des Gerichts: Sittenwidrigkeit der Kündigung.

Verhaltensbedingte Kündigung
Kündigt ein Kleinbetrieb einem Rechtsextremisten, dürfte das hingegen unproblematisch sein. Gibt es mehr als fünf Beschäftigte, kommt bei Neonazis vor allem eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Sie ist eindeutig möglich, wenn im Betrieb Straftaten verübt werden - man denke an den Hitlergruß oder die Leugnung des Holocaust ("Auschwitz-Lüge"). Gute Möglichkeiten bestehen auch, wenn sich die rechte Gesinnung auf das Arbeitsverhältnis auswirkt; das ist sicher der Fall, wenn ausländische Kollegen mit rassistischen Äußerungen traktiert werden. Für alle Arbeitnehmer gilt die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, auf den Betriebsfrieden und den Betriebsablauf Rücksicht zu nehmen, weshalb sich auch eine intensive parteipolitische Tätigkeit in der Firma verbietet. Schwerer haltbar ist nach Ansicht von Christine Roth, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Nürnberg, eine Kündigung, die sich auf Verhalten außerhalb des Betriebs stützt. Es muss dann schon Rückwirkungen auf die Arbeit haben. So ist vorstellbar, dass den Kollegen ein Mitarbeiter nicht mehr zumutbar ist, der öffentlich Fremdenhass verbreitet.

Strenge Anforderungen für "Druck-Kündigungen"
Bisher haben die Gerichte auch strenge Anforderungen an so genannte Druck-Kündigungen gerichtet; sie betreffen den Fall, dass ein Mitarbeiter entlassen wird, weil Kunden oder Partnerfirmen wegen seiner Person die Geschäftsbeziehungen einstellen. In all diesen Grenzbereichen ist aber denkbar, dass die Rechtsprechung wegen des um sich greifenden Rechtsextremismus neue Pflöcke einschlägt.

(aus: Wolfgang Roth, Kollege Neonazi. Chancen und Grenzen der Kündigung rechtsextremer Arbeitnehmer, in: Süddeutsche Zeitung vom 05./06.08.2000, URL vom 01.09.2000:)