M 05.06 Falsche Mittel

Jüngere kennen dieses Klima nicht, Ältere litten weniger darunter, die mittleren Jahrgänge mag ein leises Gruseln beschleichen. Bei der Erinnerung an die frühen 70er, als ein Verdacht Karrieren stoppen konnte, bevor sie begonnen hatten. Berufsverbot nannten es die, die es treffen konnte, von Radikalenerlass sprachen die Distanzierten. Nur dass so "radikal" gar nicht sein musste, wer von den Diensten unter diesem Begriff rubriziert wurde. Da wurde die Grauzone der "Verfassungsfeindlichkeit" geschaffen, in der alles Suspekte verschwand: Kundgebungen, die den Mainstream verließen, Beamtenanwärter, die mit dem Kommunismus geliebäugelt, zuweilen auch nur ihr gutes Bürgerrecht in Anspruch genommen hatten. Es geht wieder los, diesmal nicht gegen links, sondern gegen rechts. Und so richtig das Ziel ist, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, so falsch sind teilweise die Mittel. Aktivitäten in einer nicht verbotenen Partei dürfen nicht zum Ausschluss aus Ämtern führen. Mögliche Störmanöver Andersdenkender rechtfertigen kein Demonstrationsverbot - sonst wären, konsequent weitergedacht, ja nur solche Manifestationen politischen Willens genehm, zu denen sich kein Widerspruch regt. So viel sollten wir gelernt haben aus hysterischen RAF-Zeiten, dass wir nicht zum vermeintlichen Schutz der Demokratie die Grundrechte aller Bürger aushöhlen. Nicht neue Grauzonen brauchen wir, sondern klare Trennlinien. Beispielsweise durch ein Verbot rechtsextremer Parteien und Organisationen. Dafür aber bedarf es keiner Änderung des Grundgesetzes, sondern nur seiner Anwendung.

(aus: Astrid Hölscher, Falsche Mittel. Nicht neue Grauzonen brauchen wir, sondern klare Trennlinien für das, was Andersdenkende von Verfassungsfeinden unterscheidet, in: Frankfurter Rundschau vom 26.08.2000, URL vom 01.09.2000: )

 

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