M 45 Europäischer Gerichtshof: Gleichbehandlung von Frauen beim Dienst an der Waffe  
   

Das Gebot der beruflichen Gleichbehandlung von Männern und Frauen öffnet Frauen den Zugang zum Dienst an der Waffe.
Der Fall:
Die ausgebildete Elektronikerin Tanja Kreil aus Hannover bewarb sich im Jahr 1996 bei der Bundeswehr für den Instandsetzungsdienst Elektronik. Die Bundeswehr lehnte ihre Bewerbung mit dem Hinweis auf das Grundgesetz sowie Normen des Soldatenrechts ab. Danach dürfen Frauen zu keinem Dienst an der Waffe herangezogen werden. Auf ihre Ablehnung hin verklagte die Bewerberin die Bundesrepublik Deutschland vor dem Verwaltungsgericht Hannover. Das Verwaltungsgericht sah in der deutschen Rechtslage einen möglichen Widerspruch zu einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft aus dem Jahre 1976, welche jede Diskriminierung auf Grund des Geschlechts beim Zugang zu einer Beschäftigung verbietet. Daher legte das Gericht diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vor. Während die Klägerin sich durch ihre Abweisung in unzulässiger Weise diskriminiert sah, vertrat die Bundesregierung als Beklagte eine andere Auffassung. Die Richtlinie sehe eine Einschränkung gerade für den Fall vor, dass die berufliche Tätigkeit unabdingbar ein bestimmtes Geschlecht voraussetze. Dieser Fall liege beim Dienst an der Waffe vor.

Die Entscheidung:
Der Europäische Gerichtshof widersprach dem. Wenn die Richtlinie vom Geschlecht als einer unabdingbaren Voraussetzung für eine Ungleichbehandlung spreche, so sei dies als enge Ausnahme zu verstehen. Der Gerichtshof nennt das Beispiel eines Gefängnisaufsehers oder eines Dienstes in einer speziellen Kampfeinheit. Keineswegs aber sei es notwendig, den Dienst an der Waffe insgesamt Frauen vorzuenthalten. Ein derartiger Vorbehalt müsse sich auf besondere Arten einer Beschäftigung beschränken. Das Verständnis der Bundeswehr und der Bundesregierung erwies sich danach als zu pauschal und nicht hinreichend differenziert. (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11. Januar 2000, Aktenzeichen C-285/98) Nach diesem Urteil setzt das Verwaltungsgericht Hannover das ausgesetzte Verfahren zwischen Frau Kreil und der Bundesrepublik Deutschland fort. Das Gericht hat nunmehr zu prüfen, ob es sich bei angestrebten Tätigkeit einer Instandsetzungs-Elektronikerin um eine Beschäftigung handelt, die eine Ausübung durch Männer erfordert. Die heute 23-jährige Klägerin will sich weiterhin um eine Beschäftigung bei der Bundeswehr bemühen. Unter Rechtsgelehrten ist unterdessen umstritten, ob zwischen der Richtlinie aus dem Jahre 1976 und dem deutschen Grundgesetz ein Widerspruch besteht. Der Wortlaut des Art. 12 a, Absatz vier, Satz zwei des Grundgesetzes bestimmt, dass Frauen "auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten" dürfen. Dies scheint zunächst jede Tätigkeit zu verbieten, die einen Kontakt mit Waffen mit sich bringt. In diesem Fall läge zwischen Grundgesetz und Richtlinie ein Widerspruch, der die Frage nach dem Rangverhältnis zwischen Europarecht und unserem Verfassungsrecht wieder aufwerfen würde. Andererseits steht die besagte Bestimmung im Zusammenhang mit den Regelungen zu einer Dienstverpflichtung. Deshalb ist die Auffassung vertretbar, dass der Art. 12 a des Grundgesetzes einer freiwilligen Tätigkeit von Frauen mit der Waffe überhaupt nicht im Wege steht. Nach Auskunft der hiesigen Streitkräfte dienten im Dezember 1999 in der Bundeswehr insgesamt 4.407 Frauen, wobei der weitaus größte Teil, nämlich 4.305, im Sanitätsdienst eingesetzt war. Mit einem Anteil von 1,3 Prozent an der Gesamtstärke bewegen sich die deutschen Soldatinnen im NATO-Vergleich damit nahezu am Ende der Skala. In den meisten NATO-Armeen stehen Frauen grundsätzlich alle Dienstposten offen, lediglich einzelne Einsatzmöglichkeiten sind ausgeschlossen. Dies liegt auf der Linie des Europäischen Gerichtshofs.

(Aus: Markus Höppener, Gleichbehandlung von Frauen beim Dienst an der Waffe, URL vom 22.11.2000: http://www.zdf.de/ratgeber/recht/aktuell/34639/index.html)

 

Arbeitshinweise

1. Welche Regelungen galten vor dem Urteil des EU-Gerichtshofes für den Einsatz von Frauen in der Bundeswehr?
2. Wie sieht der EU-Gerichtshof diesen Fall? Welche Argumente werden aufgeführt?
3. Wie sieht es in anderen EU-Staaten aus? Siehe dazu auch: Frauen an Waffen: Deutschland ist Schlusslicht http://w3.zdf.msnbc.de/news/46722.asp
4. Wie sieht die Regelung für Frauen in der Bundeswehr mittlerweile aus? Haben sich (Gesetzes-)Änderungen ergeben? Wenn ja, welche? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? (Vgl. hierzu auch weitere Informationen mittels der Linkliste in M 47!)

 

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