Sachverhalte (a) - Didaktische Hinweise

3. Regel: Sachverhalte feststellen - Material recherchieren
Erläuterungen
Die Beweisaufnahme: Quaestio facti


3. Regel: Sachverhalte feststellen - Material recherchieren (nach oben)

3. Regel

Die für die Bearbeitung des Falles relevanten Aussagen über die Wirklichkeit (Sachverhaltsfeststellungen) müssen auf sachliche Richtigkeit, auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden. Hierfür ist die theoretische Vernunft zuständig.

Ausgehend von den Kriterien zur Beurteilung des Falles sind die Sachverhaltsfragen zu klären. Es muss gleichsam eine Beweisaufnahme durchgeführt werden. Es interessiert aber nicht die Wirklichkeit an sich oder das Wissen der Welt insgesamt, vielmehr grenzen die Kriterien den Suchraum der zu klärenden Sachfragen ein. Die Forschungsarbeiten werden so auf das Wesentliche, auf relevante Fragen konzentriert.

In Auseinandersetzung mit den Sachproblemen kann es durchaus sinnvoll und notwendig sein, dass neue normative Beurteilungsgesichtspunkte entstehen, die ihrerseits wiederum zu neuen Kriterien führen (siehe Regel 4). Alle empirischen Methoden und Strategien, die im Laufe der Entwicklung von Wissenschaft und Technik mittlerweile zur Verfügung stehen, um die Qualität des empirischen Wissens über die Wirklichkeit zu verbessern, sind hier gefragt.

(Vgl.: W. Sander: Gerichtshöfe der Vernunft. Wie ist politisch-moralische Urteilsbildung im Unterricht möglich?, in: Frankfurter Hefte Extra 5: Existenzwissen 1983, S.175-193; W. Sander: Effizienz und Emanzipation. Prinzipien verantwortlichen Urteilens und Handelns. Eine Grundlegung zur Didaktik der politischen Bildung., Opladen 1984, S. 270-271.)

 

Erläuterungen (nach oben)

1. Sachverhaltsanalyse

Ziel:

An dieser Stelle des Urteilsbildungsprozesses sollen zunächst die in den Begründungen (Erläuterungen) enthaltenen empirischen Aussagen über die Wirklichkeit aus den vorhandenen Spontanurteilen extrahiert werden. Hierbei könnte erneut die Übersicht: Spontanurteile zum Beispiel Schuluniform hilfreich sein. Nachdem verschiedene Behauptungen über die Wirklichkeit gesammelt wurden, gilt es, diese Aussagen anhand von weiterem Material (empirische Belege) zu überprüfen.

Hinweis:

Üben Sie die Bildung von "je…desto" und "wenn…dann – Aussagen" ein! Hier liegt die Stärke von empirisch analytischem Argumentieren, Begründungszusammenhängen und der hypothesenorientierten Auswertung von Daten (Überprüfung), die eine methodische Zielgröße der politischen Bildung ist.

Arbeitsaufträge:

  • Welche empirisch überprüfbaren Behauptungen werden in den Spontanurteilen aufgestellt?
  • Was wird in den Spontanurteilen kontrovers über die Wirklichkeit (z.B. über Wirkungen, Folgen etc.) behauptet?
  • Welche Aussagen bedürfen weiterer Prüfung?
  • Welche Aussagen über die Wirklichkeit (Wirkungszusammenhänge) lassen sich (bisher) nur schwer / gar nicht empirisch überprüfen?

Methoden:

  • Schaubild mit Inhalten füllen,
  • Wandzeitung (mit den Spontanurteilen und der Kriteriensammlung) um die den Kriterien zugeordneten Sachverhaltsaussagen ergänzen.

2. Material recherchieren:

Ziel:

Die Schüler sollen lernen, Aussagen über die Wirklichkeit auf ihre Objektivität und Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Das heißt konkret: Die Sachverhaltsaussagen müssen durch den Vergleich von kontroversen Expertenwissen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden.

Hierbei ist es sinnvoll, den Schülern entweder einen bereits vorrecherchierten Materialpool zur Verfügung zu stellen, oder zu ausgesuchten Fragen gemeinsam eine z.B. Internetrecherche oder Expertenbefragung durchzuführen.

Hilfestellungen zur Methodik, den Möglichkeiten einer Internetrecherche und Rechercheergebnissen mit Texten zu unserem konkreten Thema finden Sie im Text: Internetrecherche und Quellenbeurteilung.

Arbeitsaufträge:

  • Überprüfe die sachliche Richtigkeit der genannten empirischen Aussagen anhand des Materialienpools.
  • Welche Belege lassen sich zur Prüfung der empirischen Aussagen heranziehen?
  • Hole Expertenmeinungen zu den dargelegten empirischen Aussagen ein. Wo liegen Widersprüche und sind diese entscheidbar?

Methoden:

  • Recherche im Internet
  • Expertenbefragung
  • Statistiken interpretieren
  • Lexika nutzen
  • Glossar erstellen.

Wichtig!

Achten Sie darauf, dass vermeintliche „Expertenmeinungen“ nicht vorschnell als einzig gültige Quellen angesehen werden, ohne z.B. eine ebenso gebildete Gegenposition gesichtet zu haben! Vergewissern Sie sich also, dass die Schüler nicht nur empirische Aussagen sammeln, die ihre jeweilige Meinung stützen (Verifikation), sondern gezielt auch gegenteilige Meinungen zur Kenntnis nehmen. Vor allem Lerngruppen mit homogener Meinungsstruktur neigen zur Zementierung ihrer Spontanurteile und zur Selektivität der Text- und Materialauswahl bei einer freien Recherche.

Zusätzlich ist es von Bedeutung, dass die Sichtung dieses neuen, „sperrigen“ Materials den Urteilsbildungsprozess in eine erneute „Runde“ führt. Neue Kriterien, sowie neue, ihnen zugeordnete Sachverhaltsaussagen werden zu einer Ausweitung des Prozesses und zu einer Differenzierung innerhalb der Argumentation führen.

Dieser Prozess bedarf allerdings einer sinnvollen zeitlichen Begrenzung und einer thematischen Engführung, die sich (zunächst) ausschließlich an den Kriterien und Sachverhalten der Spontanurteile orientiert und sich erst schrittweise um zusätzliche Kriterien und Sachverhalte anreichern lässt. Natürlich bieten sich auch arbeitsteilige Sozialformen an, um jeweilige Kriterien in Kleingruppen zu bearbeiten.

 

Die Beweisaufnahme: Quaestio facti (nach oben)

Der Urteilende hat sich in der Weise sachkundig zu machen, dass er die Konfliktparteien hinsichtlich der in den normativen Obersätzen relevanten Tatbestände befragt und Sachverhaltsaussagen von Experten hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit (Gültigkeit, Objektivität, Zuverlässigkeit und Widerspruchsfreiheit) prüft. Die zentrale Prüffrage lautet: Ist aufgrund der angeführten Sachverhaltsaussagen überzeugend erwiesen, dass der vom normativen Obersatz geforderte Tatbestand als gegeben angesehen werden kann?

In der Beweisaufnahme sollte deutlich werden, wo Schwachstellen in den Sachverhaltsdarstellungen der kontroversen Positionen liegen. Werden zum Beispiel Sachverhalte behauptet, die nicht beweisbar oder gar falsch sind? Werden Folgen und Nebenfolgen des eigenen Handelns richtig/falsch eingeschätzt? Bestehen Unklarheiten, Widersprüche in den Aussagen der Parteien zu unterschiedlichen Zeitpunkten?

In diesem Stadium der Beweisaufnahme kann und muss die Frage zurück gestellt werden, welche Partei recht oder unrecht hat. Diese künstlich erzeugte »Wertfreiheit« (besser: Unabhängigkeit) soll es dem Urteilenden ermöglichen, die gegensätzlichen Sachverhaltsdarstellungen der Konfliktparteien unvoreingenommen aufzunehmen und in ihrer Gegensätzlichkeit zu erkennen. Dies erfordert die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und zur Empathie.

Methodische Fähigkeiten, wie sie vor allem in den empirischen Wissenschaften kultiviert werden, sind für den Urteilenden hier insofern nützlich, als sie ihn eher in die Lage versetzen, Sachverhaltsaussagen auf ihre Gültigkeit, Zuverlässigkeit, Objektivität und Widerspruchsfreiheit zu prüfen. “

(Vgl.: W. Sander: Mündige Bürger - Gerichtshöfe der Vernunft. Wie ist politisch-moralische Urteilsbildung im Unterricht möglich? in: Frankfurter. Extra 5: Existenzwissen 1983, S. 175-193.)