Einleitung
 Meinungen und Einstellungen
 Definition
 Gesetzeslage
 Erklärungsansätze
   

 

Gesetzeslage

 

Während es in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 in Artikel 109 noch hieß „Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“, heißt es in Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz ganz einfach: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ 1994 lediglich um den Zusatz ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Dass dieser Satz, der Männer und Frauen vor dem Gesetz gleichstellt, also im wahrsten Sinne des Wortes gleich berechtigt, so ins Grundgesetz aufgenommen wurde, war allerdings nicht unproblematisch und schon keineswegs selbstverständlich.

Historische Entwicklung zur Entstehung des Artikels 3,2 GG

Die Formulierung des Artikels 3, 2 GG, so wie er heute im GG steht, verdanken wir Elisabeth Selbert - neben Frieda Nadig (SPD), Helene Wessel (Zentrum) und Helene Weber (CDU) eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“.

Sie hatte ihre Aufgabe im Parlamentarischen Rat zunächst darin gesehen, sich für die Unabhängigkeit der Justiz einzusetzen: „Ich wollte eine ganz strenge Gewaltenteilung nach Montesquieu, insbesondere die Nichteinmischung des Staates in die Rechtspflege, also die Unabhängigkeit des Richters.“ [Böttger 1990, 162] E. Selbert „hatte es nach zwei Weltkriegen [...] für selbstverständlich gehalten, dass die Gleichberechtigung ohne Kampf über die Bühne gehen würde. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte.“ [Böttger 1990, 163] Der zuständige Grundsatzausschuss, der mit Vorarbeit an den jeweiligen Artikeln betraut war, einigte sich ursprünglich auf die Formulierung aus der Weimarer Reichsverfassung „Männer und Frauen haben dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ (unter Weglassung von „grundsätzlich“), welche zudem durch den Zusatz „Gleiches muß gleich, Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden behandelt werden“ ergänzt werden sollte. [Sitter 1995, 63] E. Selbert als Juristin erkannte, dass hinter einer solchen Formulierung indirekt der Ruf „Frauen zurück an den Herd“ stand und sich dadurch an der bisherigen Gesetzeslage überhaupt nichts ändern würde, und schaltete sich daher ein.

Ihr erster Antrag, Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 in der Formulierung, wie er heute im GG steht, ins GG aufzunehmen, wurde im Ausschuss abgelehnt. Die maßgebliche Begründung gegen die Einführung des Grundrechts in dieser Formulierung war die sofortige und automatische Verfassungswidrigkeit weiter Teile des BGB und anderer Gesetze als Folge. Und solche umfassenden Änderungen seien nicht zu leisten, hieß es. Man befürchtete ein „Rechtschaos“. Noch vor der Abstimmung am 3. Dezember 1948 drohte E. Selbert, die mittlerweile die drei anderen „Mütter“ des GG hinter sich gebracht hatte, mit der Öffentlichkeit. Ihrem Hinweis, dass die Stimmen der Frauen als Wählerinnen entscheidende Faktoren für die Annahme der Verfassung überhaupt seien, da man „auf 100 männliche Wähler 170 weibliche Wähler rechnen“ müsse [nach Sitter 1995, 68], fügte sie die ‚Drohung‘ zu: „Sollte der Artikel in dieser Fassung heute wieder abgelehnt werden, so darf ich Ihnen sagen, dass in der gesamten Öffentlichkeit die maßgeblichen Frauen wahrscheinlich dazu Stellung nehmen werden, und zwar derart, dass unter Umständen die Annahme der Verfassung gefährdet ist.“[nach Sitter 1995, 66] Dennoch unterlag sie letztlich in der Abstimmung mit neun zu elf Stimmen.

E. Selbert, die sah, dass sie im Parlamentarischen Rat unter diesen Umständen keine Mehrheit erringen würde, aktivierte daraufhin die Öffentlichkeit, indem sie als „Wanderpredigerin“ durch das zerbombte Nachkriegsdeutschland zog und Aufklärungsarbeit leistete. „Damit wurde die Arbeit am Grundgesetz erstmalig nach außen transportiert und dort von der Bevölkerung mit großem Interesse aufgenommen.“ [Sitter 1995, 69] 1948/49 schließlich fand der sog. „Frauenlandsturm“, welchen Heuss später als „Quasi-Stürmle“ abtat, statt. Protestschreiben von Gewerkschaften, Frauenverbänden u.a. gingen aus dem ganzen Bundesgebiet waschkörbeweise im Parlamentarischen Rat ein. Nun war sich E. Selbert sicher, „hätte kein Abgeordneter mehr gewagt, gegen diese Fülle von Protesten anzugehen und bei seinem Nein zu bleiben.“[nach Sitter 1995, 70]

Und wirklich, im Parlamentarischen Rat, setzte sich in der entscheidenden Abstimmung der Vorschlag von E. Selbert durch. Zugleich wurde in Artikel 117,1 GG eine Frist bis zum 31.03.1953 eingeräumt, um das geltende Recht an die neue Verfassung anzupassen.

Auswirkungen des Artikels 3 Absatz 2 GG

Doch diese Frist wurde nicht eingehalten. Erst 1957 nahm man endlich die (Art. 3,2 GG) entsprechenden Änderungen im Familienrecht vor.

Entwicklung der gesetzlichen Garantien

1957
Erstes Gleichberechtigungsgesetz im Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches

1976
Reform des Namensrechts

1977
Reform des Ehe- und Familienrechts

1980
Unterhaltsvorschußgesetz Gesetz über Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz (Arbeitsrechtliches EG-Anpasungsgesetz)

1985
Beschäftigungsförderungsgesetz (u. a. arbeitsrechtliche Gleichstellung von Vollzeit- und Teilzeitarbeit)

1986
Siebte Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz Hinterbliebenen- und Erziehungszeitengesetz Einführung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub durch das Bundeserziehungsgeldgesetz

1987
Kindererziehungsleistungsgsetz

1990
Neufassung der Richtlinie zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung

1992
Rentenreformgesetz

1994
Zweites Gleichberechtigungsgesetz und Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz

1995
Pflegeversicherungsgesetz; Agrarsozialreformgesetz

1997
Arbeitsförderungsreformgesetz (seit 1. Januar 1998 SGB III); Rentenreformgesetz

1998
Kindschaftsrechtsreform

2000
Änderung des Artikels 12a (4) Grundgesetz, welcher nun auch den Frauen den Dienst an der Waffe erlaubt - allerdings nur den freiwilligen Dienst, eine Wehrpflicht für Frauen wird nach wie vor abgelehnt.

 

 

 

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