Jugendliche auf dem Freizeitmarkt
In der Überflussgesellschaft nimmt der Anteil der Freizeit im Leben der Menschen,
insbesondere von jungen Menschen, deutlich zu. Die Vielfalt des Angebotes an
Freizeitmöglichkeiten und die gestiegenen finanziellen Möglichkeiten der Jugendlichen
zeigen deutlich, dass Freizeit und Freizeitgestaltung von enormer Bedeutung
für die Lebenswelt der Jugendlichen sind. Weder von der Familie noch von der
Schule - den Hauptsozialisationsinstanzen - werden sie auf diese Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten
vorbereitet. Für das Selbstwertgefühl der Jugendlichen ist es außerdem sehr
wichtig, sich in diesem Teilbereich als eigenständige und -willige Personen
zu bewähren, und die sozialen Kontakte zu anderen Jugendlichen über Konsum und
Freizeitverhalten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Neuere Jugenduntersuchungen
deuten zwar an, dass die Antizipation des Berufslebens für die Jugendlichen
zunehmend an Bedeutung gewinnt, zugleich spielen aber der Freizeitsektor und
die Selbstverwirklichung im Erlebnissektor nach wie vor eine vorherrschende
Rolle. Die Freizeitindustrie und die hier dominanten Medien nutzen diese Schwäche
der Konsumenten gezielt aus und versuchen mit raffinierten Möglichkeiten, ihre
Produkte/Dienstleistungen an die jungen Menschen heranzuführen und bei ihnen
dauerhaft Resonanz zu finden. In diesem Bereich entscheidet sich recht frühzeitig,
welche Konsumenten mit welchen Produkten in welchen Medienangeboten gewonnen
werden. Die Zukunftstrends des Konsum- und Freizeitmarktes werden hier entwickelt.
Einfluss der Schule
Die Schule selbst hat auf diesen Bereich einen relativ geringen Einfluss. Zum
einen liegt dies daran, dass die Jugendlichen sich gegen ein Aufgreifen dieses
Themas in der Schule (Verschulung von Medienkonsum und Freizeit) wehren und
Widerstand zeigen, denn sie wollen diesen Bereich, in dem sie sich nun endlich
einmal selbst verwirklichen können, nicht erneut den Erwachsenen überlassen.
Hier liegt ihre Domäne, in der ihrer Auffassung nach die Schule (die Weltsicht
der Erwachsenen) nichts zu suchen hat. Freizeit und Schule sind nicht nur vom
Zeitablauf her, sondern auch im Bewusstsein der Jugendlichen als Gegensätze
anzusehen. Freizeit gehört zur Intimsphäre der Jugendlichen.
Von daher wäre es völlig verfehlt, in der Schule Freizeitschulungsprogramme
zu starten oder direkt auf das Freizeitverhalten der Jugendlichen Einfluss zu
nehmen und im aufklärerischen oder kritischen Sinne tätig zu werden. Ebenfalls
scheidet hier aus, von der direken Betroffenheit der Jugendlichen auszugehen.
Wohl macht es Sinn, an den eigenen Erfahrungen der Jugendlichen in Bezug auf
ihr Freizeit- und Konsumverhalten anzuknüpfen. In den gängigen Schulbüchern
zur politischen Bildung wird das Thema Freizeit überwiegend in den Einstiegsseiten
so aufgegriffen, dass die quantitativen Veränderungen in der Freizeit und im
Freizeitverhalten dargestellt und die Rahmendaten ausführlich dargelegt werden.
Die Verbindung mit dem Alltag der Jugendlichen wird dadurch zu erreichen versucht,
dass subjektive Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler so eingebunden werden,
dass sie Protokolle über ihren Tagesablauf erstellen, ihre Medien- und Fernsehgewohnheiten
skizzieren und in ihrer Klasse kleinere Umfragen mit Hilfe eines Fragebogens
durchführen. Der Aufwand, der dann anschließend in die Auswertung dieser handgestrickten
Fragebogenaktion investiert werden muss, steht häufig in keinem Verhältnis zu
dem zu erwarteten Ertrag, da die Stichprobe relativ klein ist und daher die
Daten wenig aussagefähig sind.
Behandelt man das Thema Freizeit mit dem Schwerpunkt Medienverhalten in der
zehnten oder elften Klasse (so von uns gedacht; auch Klasse neun ist möglich), so ist auch im methodischen Bereich eine zunehmende Wissenschaftsorientierung
wünschenswert. Wenn eine Befragung durchgeführt wird, dann sollte diese zumindest
ansatzweise den Kriterien einer wissenschaftlichen Befragung genügen, eine Jahrgangsgruppe
innerhalb der Schule oder noch besser schulübergreifende Populationen einbeziehen,
um eine gewisse Objektivierung und Distanz durch die Größe der Stichprobe zu
erreichen. Eine wesentliche Verbesserung der Umfragemethodik lässt sich freilich
durch den Einsatz semiprofessioneller Mittel, zu der auch der Computereinsatz
und benutzerfreundliche Auswertungssoftware gehören, erreichen. Dieser Weg wird
hier beschritten.
Ein anderer unterrichtlicher Zugang besteht darin, die Schüler und Schülerinnen
das lokale Freizeitangebot in der eigenen Stadt analysieren zu lassen, um Markttransparenz
herzustellen, Defizite aufzudecken und den Einfluss der Jugendlichen auf Veränderungen
zu stärken. Dieser eher handlungsorientierte Zugang zu dem Thema wird jedoch
auch nur dann seine didaktische Dignität entfalten können, wenn bei der Ermittlung
des Freizeitangebotes und seiner Resonanz bei den Jugendlichen sorgfältig darauf
geachtet wird, dass mehr als nur punktuelle (subjektive) Eindrücke aufgezeichnet
und wiedergegeben und dass quantitativ ernst zu nehmende Ergebnisse vorgelegt
werden.
Dieser auf eigenen Erkenntnisgewinnung hin angelegte Zugang zu dem Thema gelingt
in der Regel dann, wenn bei der Erhebung von empirischen Daten und deren Auswertung
frühzeitig Computerprogramme eingesetzt werden. Dadurch gewinnt das Thema nicht
nur an Reiz, sondern auch an Niveau. Umgekehrt lässt sich deutlich sagen: Die
Entwicklung auf dem Gebiet der Computertechnologie und die Bereitstellung eines
leistungsfähigen und zugleich schülerfreundlichen Auswertungsprogramms wie GrafStat
ermöglicht es heutzutage, forschend-entdeckendes Lernen im sozialwissenschaftlichen
Unterricht zu realisieren. Die Reserviertheit der Jugendlichen gegenüber dem
Ansinnen der Schule kann durch dieses attraktive Lernangebot überwunden werden,
zumal ja wegen der Anonymität und Objektivität der Methode die Intimsphäre gewahrt
bleibt.