Welche Erkenntnisse/Einsichten können Jugendliche in dieser Reihe gewinnen?
Hier sind thesenartig einige Erkenntnisse und Einsichten aufgeführt, die sicherlich
noch einer weiteren Systematisierung bedürfen. Sie seien genannt, um die angebotenen
Schwerpunkte der Reihe erkennen zu lassen.
Handlungsorientierung
Durch handlungsorientiertes Lernen sollen die Schülerinnen und Schüler Spaß
daran gewinnen, eigene empirische Untersuchungen zu einem relevanten Thema mit
einigermaßen repräsentativen Daten durchzuführen, um auf die Art und Weise Methoden-Kenntnisse
und Kompetenz im Umgang mit Computern zu gewinnen. Damit verbunden ist auch
die Fähigkeit, gewonnene Ergebnisse zu verbalisieren und gut zu präsentieren,
um auf die Weise die Kommunikation untereinander und mit Jugendlichen anderer
Klassen und Schulen zu initiieren.
Re-Analyse von Umfragen
Die Jugendlichen sollen motiviert und befähigt werden, Daten von professionellen
Meinungsforschungsinstituten und aus wissenschaftlichen Umfragen zu nutzen,
um in begrenztem Umfang eine Re-Analyse von Ergebnissen durchzuführen und
auf diese Weise zu originären Erkenntnissen zu kommen. Auf der Schulter
von Riesen lassen sich so Erkenntnisfortschritte erzielen. Zugleich lernen die
Schülerinnen und Schüler handwerklich gute Arbeit zu leisten, indem
sie sich in der Datenauswertung und -interpretation an Vorbildern orientieren.
(Zu diesem Zweck hat der Autor der Studie "Jugendkonsum im Wandel. Konsumsucht,
Freizeitverhalten, soziale Milieus und Kaufsucht 1990 und 1996, Opladen 1997
seine Daten zur Verfügung gestellt. Zu finden sind sie als Datenbank-Datei
im Ordner "Freizeit/mediend.dbt" im Programm GrafStat).
Eigene Erkenntnisse statt Belehrung
Die Relevanz dieser Unterrichtsreihe kommt nicht so sehr dadurch zustande, dass
in ihr die Jugendlichen belehrt, aufgeklärt oder zu bestimmten (vorgegebenen)
Ergebnissen hingeführt werden sollen, sie besteht vielmehr darin, dass sie selbst
in die Lage versetzt werden, Erkenntnisse zu gewinnen, mit anderen zu diskutieren
und den Erkenntnisprozess als sozialen Kommunikationsprozess zu begreifen. Die
Erarbeitung und Diskussion von Erkenntnissen stellt zugleich auch den Kontext
dar, um diese Lern-Ergebnisse erlebnismäßig im Leben der Schülerinnen und Schüler
zu verankern und eine gewisse Identifikation mit dem Produkt zu erreichen.
Verifizierung von Hypothesen
In dieser Unterrichtsreihe wird teilweise auf Ergebnisse und Überlegungen
der konstruktivistischen Lern- und Wissenschaftstheorie zurückgegriffen,
soweit diese im schulischen Bereich realisierbar sind. So wird soziale Wirklichkeit
nicht als physikalische Größe angesehen, die objektiv vorgegeben ist, sondern
als eine sozial definierte Wirklichkeit, in die wissenschaftliche Erkenntnisse
und Situationsdefinitionen mit einfließen. Wirklichkeit ist so gesehen immer
auch eine sozial konstruierte Wirklichkeit. (Vgl. P. Ost, W. Sander, J. Sayer:
Der Aufbau unserer Alltagswelt, Stuttgart 1977.)
Die Interpretation von empirischen Daten zum Freizeitverhalten der jungen Menschen
erweist sich dazu als besonders geeignetes Übungsfeld, in dem sich dieser Vorgang
der Konstruktion von Wirklichkeit analysieren lässt und die hierzu benötigten
Kompetenzen erlernen und einüben lassen. So kann man mit Hilfe vorliegender
Daten Häufigkeiten und typische Tendenzen, die auf strukturelle Zusammenhänge
hinweisen, deutlich herausarbeiten. Mit Hilfe von vorliegenden Daten, insbesondere
Umfrageergebnissen, lassen sich auch Thesen über das Bewusstsein der Bevölkerung
formulieren und die Falschheit von Thesen nachweisen. Zudem lässt sich der Vorgang
verdeutlichen, wie mit Hilfe von Umfragedaten typische Einstellungen und Verhaltensweisen
"herausgefiltert" und für die Gestaltung von Absatz-/Marketingsituationen genutzt
werden können.
Weitere wichtige Erkenntnisse, die in diesem Arbeitszusammenhang exemplarisch
genannt werden: Die Jugendlichen können anschaulich nachvollziehen, wie mit
Hilfe von empirischen Daten Hypothesen auf ihre Haltbarkeit hin überprüft und
als falsch/nicht haltbar zurückgewiesen werden können. Dieser Fall ist besonders
dann interessant, wenn eine solche Hypothese im Zusammenhang mit einer ansonsten
bewährten Theorie zu erwarten gewesen wäre. Sozialwissenschaftliche Umfragedaten
geben Auskunft über Theorien von Subjekten (Theorien erster Ordnung) und werden
eingeordnet in Theorien zweiter Ordnung (sozialwissenschaftliche Theorien),
die ihrerseits wiederum das Alltagswissen der Menschen beeinflussen können.
Nicht alle Hypothesen lassen sich mit Hilfe empirischer Daten überprüfen. So
sind z.B. Wirkungsthesen (Gewaltdarstellung im Fernsehen als Ursache für eine
Zunahme von Gewaltsamkeit bei Jugendlichen) mit Hilfe punktueller Erhebungen
(Messergebnisse) nicht zu überprüfen. Man bräuchte zumindest Daten, die eine
Vorher-Nachher-Aussage zulassen. Wirkungsanalysen sind insgesamt schwierige
Vorgänge, die in der Schule kaum durchzuführen sind. Mit Umfragedaten, die im
wesentlichen auf Selbsteinschätzung von Meinung und Einstellung beruhen, lassen
sich nicht ohne weiteres Aussagen über das tatsächliche Verhalten machen, da
z.B. die soziale Erwünschbarkeit als intervenierende Variable häufig zu einer
Diskrepanz zwischen Antwort und tatsächlichem Verhalten führt. So könnte z.B.
die Frage nach der Gewaltbereitschaft bei Gymnasiasten im Vergleich zu der bei
Hauptschülern dadurch zu geringeren Ergebnissen führen, dass Gymnasiasten die
soziale Erwünschtheit in ihrem Antwortverhalten klugerweise mitantizipieren.
Fragen zum tatsächlichen Verhalten sind häufig nur durch teilnehmende Beobachtung
zu beantworten.
Es gibt jedoch auch Probleme, zentrale Fragen sowie Lösungsvorschläge dazu,
für die die empirische Basis zwar sehr dünn ist, für die aber trotzdem Entscheidungen
notwendig und ein Handeln unerlässlich ist. Es gilt also zu diskutieren, wie
z.B. beim Thema "Gewaltdarstellung im Fernsehen" weiterhin zu verfahren ist,
wenn die empirische Forschungslage strittig, widersprüchlich und nicht eindeutig
ist. Am Thema Gewaltdarstellung im Fernsehen und deren Auswirkungen auf das
Verhalten von Jugendlichen wird dies besonders deutlich. Wie die Frage nach
der pädagogischen und didaktischen Einflussmöglichkeit dann diskutiert werden
kann, ist für den Unterricht eine nicht einfache, aber sicherlich sehr lohnende
und interessante Aufgabenstellung.