Baustein 4.1: Überblick
Die Materialien gliedern sich thematisch in fünf Bausteine:
Baustein 1 "Was machen Jugendliche in ihrer Freizeit?"
enthält empirische Erhebungen zum Freizeit- und Medienverhalten, Begriffsdefinitionen
sowie Erkenntnisse zum Phänomen des Freizeitstress.
Baustein 2 "Fernsehen - und was sonst noch?"
befasst sich nach einem provozierenden (filmischen) Einstieg über Fernsehsucht
mit dem Fernsehverhalten Jugendlicher und möglichen negativen (aber auch
positiven) Auswirkungen des Fernsehens auf die Persönlichkeitsentwicklung
Jugendlicher. Den Abschluss des Kapitels bilden medienethische Überlegungen
zum Phänomen des Reality-TVs (am Beispiel von "Big Brother").
Baustein 3 "Multimedia und die "Generation @""
bietet Daten zur Computer- und Internetnutzung Jugendlicher und beschreibt Charakteristika
der "Generation @".
Baustein 4 "Computerspiele - Ersatz für die Wirklichkeit?"
befasst sich mit der möglichen Wirkung von Gewaltdarstellungen bei Compterspielen
auf das tatsächliche Verhalten von Jugendlichen.
Baustein 5 "Gesellschaft und Medien - Theoretische Erklärungsansätze"
schliesst die Thematik mit verschiedenen Ansätzen zum Verhältnis von
Medien und Gesellschaft ab.
Baustein 6 "Beispiele für die Auswertung der Daten"
zeigt eine hypothesenartige Auswertung aus der Jugendstudie von E. Lange (Bielefeld).
Baustein 4.2: Einstiege und die Integration der Befragung
Eigene Erfahrungen der Jugendlichen
Die Bilder von Freizeitaktivitäten Jugendlicher bieten die Möglichkeit eines
offenen, schülerorientierten Einstiegs. Die Schüler/innen können über eine Beschreibung
der Bilder auf ihre eigenen ähnlichen oder auch ganz anderen Freizeitbeschäftigungen
zu sprechen kommen. Erste Kontroversen - welche Beschäftigungen sind sinnvoll,
welche nicht? - können hier beginnen.
Eine Befragung zum Freizeitverhalten der Jugendlichen kann innerhalb des ersten
Bausteins sinnvoll eingesetzt werden. Der auf der CD-Rom enthaltene Fragebogen
kann dazu genutzt werden. Modifikationen sind natürlich auch möglich, etwa im
Sinne einer stärkeren Gewichtung von Freizeitaktivitäten im Bereich der Neuen
Medien.
Wird für die Befragung der vorgegebene Fragebogen verwendet, ist ein Vergleich
der eigenen Daten mit der Untersuchung von Lange möglich. So können im Sinne
einer Längsschnittanalyse Veränderungen und Trends untersucht werden. Die von
den Schülern erhobenen Daten stehen damit in einer "Forschungstradition".
Aktuelle Anlässe vor Ort
Meldungen aus den Tageszeitungen, die über neue aufregende Freizeitangebote
für Jugendliche am Ort berichten, könnten das Thema anstoßen: Wie beurteilt
Ihr das Freizeitangebot in Eurer Stadt? Der Kontext zum eigenen Freizeitverhalten
und den eigenen Bedürfnissen nach (gehobenen) Freizeitangeboten leitet zu der
zentralen Frage über, wie das Freizeitverhalten der Jugendlichen in der Stadt/Region
(Schule) aussieht, welche Unterschiede und Besonderheiten erkennbar sind und
wie wir solche Fragen beantworten können.
Eine Befragung mit diesem Schwerpunkt müsste den vorhandenen Fragebogen in
Hinsicht auf die Freizeitmöglichkeiten vor Ort verändern. Beispielhaft ist hier
ein von der Gesamtschule Königsborn entwickelter Fragebogen.
Die erhobenen Daten könnten dann, wie im Fall der Gesamtschule Königsborn der
kommunalen Jugendarbeit zur Verfügung gestellt werden, um z.B. Forderungen der
Jugendlichen nach Verbesserungen im Bereich der Freizeitmöglichkeiten mehr Nachdruck
zu verleihen.
Provozierende Thesen
Unter Rückgriff auf neuere Daten zum Freizeitverhalten und Medienkonsum (siehe
Sachanalyse) kann die Lehrperson einzelne provozierende Thesen vorlegen, die
die Jugendlichen zur Diskussion herausfordern sollen. Um diese stimulierende
Funktion zu erreichen, sollten die Thesen durchaus überzogen oder auch sehr
gegensätzlich sein. Wenn ein gewisser Widerspruch in den Thesen vorhanden ist,
ergibt sich um so leichter die Frage, welche dieser gegensätzlichen Auffassungen
haltbar ist. Einfache Thesen könnten z.B. lauten: "Mädchen verfügen über deutlich
weniger Freizeit als Jungen. Sie sind deutlich benachteiligt." "Je mehr die
Menschen fernsehen, desto weniger lesen sie." "Wer gehobene Freizeit- und Urlaubsangebote
genießen will (Urlaub in der Karibik), muss hart arbeiten. Das ist auch gut so."
"Mädchen nutzen seltener den Computer (nicht nur für Spiele, sondern insgesamt)
als Jungen; sie werden dadurch in ihren Berufschancen erheblich benachteiligt."
Der Vorteil dieser Einstiege besteht darin, dass sie anhand konkreter Meldungen
bzw. Daten bestimmte punktuelle Probleme aufgreifen und auf die Notwendigkeit
von repräsentativen Befragungsdaten hinführen, die möglicherweise selber erhoben
oder von anderen zur Verfügung gestellt werden.
Weiterführende Fragen könnten sein:
- Welche Chancen und welche Bereitschaft seht Ihr bei Jugendlichen Euren Alters,
sich in ihrer Freizeit zusammen mit anderen für andere einzusetzen?
- Sind Individualismus und Altruismus in der Freizeit miteinander vereinbar?
- Kann es mehr Spaß machen, sich für andere einzusetzen, als einen Abenteuerurlaub
in der Karibik zu machen?
- Unter welchen Bedingungen wären Jugendliche eher bereit, den anderen in
der Freizeitgestaltung zu berücksichtigen als nur auf Verwirklichung eigener
Interessen und Befriedigung eigener Bedürfnisse zu setzen?
Befragung zu bestimmten Bereichen der Freizeitaktivitäten
Die Befragung muss nicht am Anfang der Unterrichtsreihe stehen, sie kann auch
zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Zum Beispiel im Baustein 2 "Fernsehen
- und was sonst noch?" bietet sich eine Befragung zum Fernsehverhalten
(Lieblingssendungen, Tageszeiten, Nutzungsmotive etc.) an. Hierfür müsste
im Unterricht ein eigener Fragebogen konzipiert werden. Als Beispiele für
mögliche Items können die Materialien im Baustein
2 gelten.
Ebenso denkbar ist eine Befragung zur Computer- oder Internetnutzung von Jugendlichen
im Rahmen des Bausteins 3: "Multimedia - Ersatz für die Wirklichkeit?"
(Siehe dazu die Materialien im Baustein 3).
Weiterführende Fragen können dabei sein :
Wie schätzt Ihr die Chancen ein, dass Jugendliche in einer Jugendgruppe
sich mit dem (ungezügelten?) Fernsehkonsum auseinandersetzen, Maßstäbe aufstellen,
Geschmackskriterien entwickeln und kritische Diskussionen durchführen, z.B.
- zum Zusammenhang zwischen Gewaltdarstellung im TV und dem gewalttätigen
Verhalten von Jugendlichen,
- zu Fragen der Zensur und der Begrenzung von Zugangsmöglichkeiten für Kinder/
Jugendliche zu Gewaltdarstellungen im Fernsehen,
- wie ein kreativer Umgang mit Medien verdeutlicht, unterstützt und in Jugendkreisen
realisiert werden kann,
Baustein 4.3: Hypothesenorientierung
Die Orientierung an Hypothesen sowohl bei der Entwicklung des Fragebogens bzw.
bei der Auswahl von vorliegenden Befragungsdaten erleichtert in hohem Maße die
spätere Auswertung. Sie dienen als Leitfaden für die Gestaltung des Arbeitsprozesses.
Daher sollte bei der Planung des Unterrichtes die Herausarbeitung zentraler
Hypothesen nicht nur in der Einleitungsphase, sondern auch in der Verarbeitungs-
und Realisationsphase einen gewichtigen Platz einnehmen.
Die Schüler/innen können solche Thesen mittels ihres Alltagswissens formulieren,
zum Beispiel:
- "Mädchen sehen weniger fern als Jungen"
- "Jungen sehen häufiger Gewaltfilme als Mädchen"
- "Die meisten Jugendlichen sind Mitglied in einem Verein"
- "Realschüler sind häufiger sozial engagiert als Gymnasiasten"
(Weitere Beispiele finden sich in der Sachanalyse sowie im Baustein 6.)
Wichtig bei den Hypothesen ist immer die Korrelation zweier Merkmale. Ebenfalls
zu beachten ist, dass die Befragung auch so angelegt wird, dass die Hypothesen
beantwortet werden können. Soll also eine Aussage über Realschüler und Gymnasiasten
getroffen werden, muss auch eine ausreichend große Zahl beider Schülergruppen
befragt werden. Die Lehrperson sollte also vorher darauf verweisen, was möglich
ist. Ausgeschlossen sind auch sogenannte Wirkungsanalysen, zum Beispiel die
Wirkung des Fernsehens auf mögliche Gewaltbereitschaft. Hier führt eine quantitative
Befragung nicht weiter, sondern hier müsste qualitativ gearbeitet werden.
Baustein 4.4: Planungsschritte
Wenn eine Problemstellung herausgearbeitet worden ist, geht es nun darum, Strategien
zu einer partiellen Überprüfung je nach Zeitrahmen vorzustellen und mit den
Schülern einen Arbeits- und Zeitplan nach folgendem Muster aufzustellen.
- Auswahl der zu überprüfenden Hypothesen/Thesen,
- Auswahl vorhandener Datensätze,
- Entscheidung, ob eine eigene Befragung durchgeführt werden soll,
- Entwicklung bzw. Modifikation eines bestehenden Fragebogens,
- Durchführung der Befragung und Eingabe der Daten in den Computer,
- hypothesenorientierte Auswertung der Daten als Basis für die Interpretation
und interne Diskussion,
- partielle Bearbeitung der einzelnen Hypothesen,
- Präsentation der Ergebnisse innerhalb der Klasse,
- zusammenfassende Diskussion der Befragungsergebnisse insgesamt,
- Präsentation der Ergebnisse innerhalb der Schule, im Internet etc. Die
Ergebnisse können auch im auf dem Bildungsserver "PB-Netz" (www.pbnetz.de),
veröffentlicht werden.
Die bisherigen praktischen Erfahrungen bestätigen einhellig den Vorschlag,
die hypothesenorientierte Auswertung der Daten in sechs Schritten durchführen
zu lassen. Haben die Jugendlichen dieses Grundmuster anhand ausgewählter
Beispiele einmal grundlegend verstanden, können sie dieses Modell der Datenauswertung
auf andere Variablen und auch auf andere Datensätze übertragen. Dies
erhöht die Stringenz und Effektivität der Datenauswertung in erheblichem
Maße. Um eine gründliche Vermittlung dieser Denkweise zu erreichen, sollte
eine ganze Schulstunde dafür eingeplant werden. Diese Investition lohnt
sich, denn wenn Schülerinnen und Schüler diese Denkweise, die für
die gesamte Unterrichtsreihe zentral ist, verstanden haben, wird dadurch selbständiges
Arbeiten ermöglicht.
Abschließende Frage: Was kann mit dieser Arbeit (innerhalb der Schule, in
den Jugendgruppen etc.) erreicht werden, wozu soll diese Arbeit dienen?
Die Klärung dieser generellen Frage in der Planungsphase ist wichtig, um eine
gute Motivation bei den Jugendlichen zu erreichen, denn der mit dieser Unterrichtsreihe
verbundene Arbeitsaufwand ist nicht gering. Von daher sollte der Zusammenhang
mit dem gewünschten Ergebnis und den Arbeitsschritten von Anfang an deutlich
werden. Auch sollte der Lehrer nicht versäumen, auf die hier zu erwerbenden
Methodenkenntnisse, auf den Umgang mit dem Computer (Datenauswertung, Interpretation
und Präsentation etc.), auf die handlungs- und projektorientierte Arbeitsweise
und auf die für die eigene Orientierung und Sinnfindung innerhalb der Klasse
stattfindenden wichtigen Diskussionsprozesse (soziales Lernen) hinzuweisen.
Baustein 4.5: Realisation und Umsetzung der Befragung
Entschließt sich die Klasse dazu, einen eigenen Fragebogen zu entwickeln, um
auf dieser Basis dann auch eine eigene Erhebung durchzuführen, sollte der Kurs
(die Lehrperson) nicht den Ehrgeiz entwickeln, alle Fragen eigenständig zu formulieren.
Viel angebrachter ist es, anhand vorliegender Befragungsmuster die Fragen (nach
Möglichkeit identisch) zu übernehmen. Denn dies hat den Vorteil, dass man erprobte
Erhebungsinstrumente benutzen kann (enorme Arbeitserleichterung). Darüber hinaus
ist die Interpretation der eigenen Daten schon dadurch erheblich erleichtert,
dass man Vergleichsdaten hinzuziehen kann. Dieser Vergleich ist aber nur dann
möglich, wenn auch die Erhebungsinstrumente (Fragen und Antworten) identisch
sind. Alle Abweichungen werden enorme Interpretationsschwierigkeiten nach sich
ziehen. Wenn die Zeit für die Durchführung der Unterrichtsreihe knapp ist, bietet
es sich ohnehin an, die Entwicklung eines eigenen Erhebungsinstrumentes nur
in exemplarischer Weise vorzunehmen. Der Lehrer stellt einen Standardfragebogen
vor, der in einem anderen Zusammenhang möglicherweise schon getestet worden
ist. Die Aufgabe der Schüler besteht nun darin, in Fragen und Items ausfindig
zu machen, die für die Überprüfung der eingangs ausgewählten Hypothesen notwendig
sind. Schon dies ist eine nicht zu unterschätzende Leistung seitens der Schülerinnen
und Schüler. Sollte sich dann herausstellen, dass einzelne Hypothesen mit den
vorhandenen Instrumenten nicht überprüfbar sein sollten, dann wäre zu fragen,
ob die Hypothese weiterhin überprüft werden soll. Sollte dies der Fall sein,
wäre ergänzend auf andere Erhebungsinstrumente zurückzugreifen.
Bei der Durchführung der Befragung sollte besonderer Wert auf die Gestaltung
der Stichprobe gelegt werden. Denn Verzerrungen, Ungleichgewichtigkeiten und
Fehler in der Quotierung führen dazu, dass es später schwer sein wird, generalisierende
Aussagen zu machen. Fällt die Stichprobe z.B. gering aus, wird es schwer sein,
Unterschiede in den Prozentzahlen als relevante Unterschiede ausfindig zu machen.
Die absoluten Werte sollten beispielsweise mindestens 5 Fälle in der Zelle einer
Kreuztabelle betragen. Sollten außerdem Vergleiche im Konsum- und Freizeitverhalten
von Schülern unterschiedlicher Schulformen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium,
Gesamtschule, berufsbildende Schule etc.) durchgeführt werden, ist hier sorgfältig
darauf zu achten, dass die jeweilige Quotierungen in ihrem jeweiligen Gewicht
in der Stichprobe berücksichtigt werden. Eine Überquotierung einer Gruppe führt
in der Regel dazu, dass nur nach Gruppen getrennte Auswertungen vorgenommen
werden können. Das hier zur Verfügung gestellte Programm GrafStat erlaubt es
allerdings, nachträglich noch eine Gewichtung der Daten vorzunehmen, indem der
Umfang der Teilmengen entsprechend vorgegebener Quoten ganzzahlig reduziert
wird. Die kleinste Untergruppe dient dabei als Ausgangspunkt.
Bei der Präsentation ist das Auswertungsprogramm GrafStat sehr hilfreich, da
die Ergebnisse als Tabellen und Graphiken nicht nur auf dem Bildschirm angeboten
werden, sondern auch auf dem Drucker ausgedruckt werden können. Wenn beabsichtigt
ist, die Ergebnisse in einer Ausstellung zu präsentieren, empfiehlt es sich,
Schwarz-Weiß-Drucke durch den Computer (ohne Ausfüllung durch Schwarz-Weiß-Muster)
ausdrucken zu lassen, die DIN A4-Vorlagen hochzukopieren und die Grafiken durch
sinnvolle Farbgebung durch die Schülerinnen und Schüler gestalten zu lassen.
Dadurch wird eine ästhetisch ansprechende Präsentation der Ergebnisse mit vertretbarem
Aufwand möglich.
Baustein 4.6: Nachbesinnung und Auswertung
Am Ende der Unterrichtsreihe sollte nicht versäumt werden, auf die eigenen
Erfahrungen im Umgang mit der Erhebung und Auswertung von Daten einzugehen und
die positiven wie auch negativen Erlebnisse der Schülerinnen und Schüler zu
artikulieren. Neben der Frage nach dem Erkenntnisgewinn ist sicherlich auch
die Frage nach der Wirkung der Ergebnisse im Zusammenhang mit der Präsentation
und der Diskussion in der Schule von großer Bedeutung.
In die bilanzierende Auswertung (Aufwand und Ertrag) sollten auch die Stimmen
anderer Schüler, Lehrer, Eltern und Besucher in der Schule miteinbezogen werden.
Anhand dieser Aussagen lässt sich sehr gut illustrieren, was anderen klar geworden
ist und wo Veränderungen oder gar Bewusstseinsbildung in der Nutzung der Konsum-
und Freizeitangebote und im Umgang mit Medien eingetreten sind.
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