"OE lässt sich nicht definieren. OE muss man erleben. Wir können die Arbeit in Organisationen nur verändern, indem wir uns selber verändern. Und umgekehrt: Wir selbst können uns nur verändern, wenn wir unsere Arbeit verändern: Die Art und Weise des Arbeitens und die Form der Zusammenarbeit" (BECKER/ LANGOSCH 31990: 5f).
Von den Bayrischen Motorenwerken über den Evangelischen Kirchentag bis hin zur alternativen Berliner Tageszeitung TAZ: Organisationsentwicklung (OE) ist en vogue und ebenso erfolgreich im Erneuerungsprozess der organisatorischen, betrieblichen und individuellen Definition von Mitarbeiteraufgaben und Verfahrensstrukturen in Industrieunternehmen (vgl. PHILIPP/ROLFF 1990: 75). Dabei entzieht sich der multidisziplinäre, pragmatische Ansatz einer eindeutigen und allgemeingültigen Definition. Unter dem Titel "Organisation Development - No more definitions, please" veröffentlichte W.J. FILLMORE schon 1974 eine Zusammenstellung von über 100 Definitionsversuchen. K. TREBESCH lieferte 1982 eine Übersicht über 50 verschiedene Definitionsansätze aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen. Folgende exemplarische Erklärungsansätze vermögen lediglich anzudeuten, was sich hinter der OE-Praxis im Einzelfall verbirgt.
W.L. French und C.H. Bell verstehen unter OE "eine langfristige Bemühung, die Problemlösungs- und Erneuerungsprozesse in einer Organisation zu verbessern, vor allem durch eine wirksamere und auf Zusammenarbeit gegründete Steuerung der Organisationskultur - unter besonderer Berücksichtigung der Kultur formaler Arbeitsteams - durch die Hilfe eines OE-Beraters oder Katalysators und durch die Anwesenheit der Theorie und Technologie der angewandten Sozialwissenschaften unter Einbeziehung von Aktionsforschung" (FRENCH/BELL 1990: 31).
Die Gesellschaft für Organisationsentwicklung (GOE) fasst OE als einen "langfristig angelegten, organisationsumfassenden Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und den in ihnen tätigen Menschen. Der Prozess beruht auf Lernen aller Betroffenen durch indirekte Mitwirkung und praktische Erfahrung. Sein Ziel besteht in einer gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und der Qualität des Arbeitslebens (Humanität)" (GOE 1983: 144).
Als Beispiel einer aktuellen Definition, betrachtet H.-G. Rolff vom Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung OE als eine Strategie, "eine Organisation von innen heraus weiterzuentwickeln. [...] OE ist ein offenes, planmäßiges, zielorientiertes und langfristiges Vorgehen im Umgang mit Veränderungsanforderungen und Veränderungsabsichten in sozialen Systemen" (ROLFF 1993: 153). Doch wie lässt sich diese, historisch aus pädagogisch-gruppendynamischen und industriesoziologisch-managementorientierten Ursprüngen erwachsene Strategie der Organisationsverbesserung in der Schule nutzen und welche Voraussetzungen sind in dieser speziellen öffentlichen Einrichtung zu berücksichtigen?
Auf die Schule als öffentliches, bürokratisches und pädagogisches Sozialsystem angewendet, versteht sich OE als Verfahren zur Optimierung der institutionellen Bedingungskonstellationen (vgl. BASTIAN 1997: 8f). Entscheidender Bestandteil sind deren Mitglieder, die z.T. als spezialisierte Funktionsträger, die soziale Institution definieren und sie täglich durch die Ausübung ihrer Aufgaben erst erzeugen. Sie lassen sich in vier Gruppen einteilen: die Schulleitung, das pädagogische und das nicht-pädagogische Personal sowie - als temporäre Gruppe - die Schüler(innen), in deren Hintergrund sich die Eltern als vervollständigender Bestandteil der Schulgemeinde befinden. Besondere Kennzeichen der Organisation Schule sind
- ihre flachen Hierarchiestrukturen,
- sehr formelle Aufbau- und Ablaufstrukturen trotz nicht-uniformer Ereignisse,
- eine "zelluläre Gestalt", die sich in einer fragmentierten und "gefügeartigen Kooperation" (MÜLLER 1996a: 24) innerhalb des Lehrerkollegiums manifestiert
- und eine minimale Spezialisierung ihrer Mitglieder (lediglich die Lehrer(innen) sind fachgebunden)
"Damit ist gemeint, dass die Perspektive des einzelnen Lehrers auf seinen Unterricht ausgerichtet ist, für den er verantwortlich ist" (MÜLLER 1996a: 24) und nicht auf eine corporate-identity mit der gemeinsamen Organisation Schule (s.u.). Schule macht durch ihre derzeitige Organisation kaum Teamarbeit notwendig, da es weder gemeinsame Ziele noch eine "allen bewusste Organisationskultur" (ebd.: 25) gibt.
Das hier vorgestellte Konzept der empirischen Untersuchung der öffentlichen Wahrnehmung einer Schule (Abb. 7) versteht sich als eine Umsetzung der OE-Strategie und orientiert sich sehr eng an der klassischen Phasierung des institutionalisierten Veränderungsprozesses:
Diagnose
Die wesentliche Voraussetzung schon zu Beginn des OE-Prozesses liegt in einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis innerhalb des Kollegiums, das den mehrheitlichen Wunsch nach Verbesserungen erst ermöglicht. Die OE initiierende Ernennung von Kandidaten eines Koordinations- und Moderationsteams (sechs bis zehn Mitglieder) bietet die Chance einer sensiblen und repräsentativen Integration der innerschulischen Interessen. Sie übernehmen die inhaltliche, organisatorische und moderative Verantwortung für den gesamten Ablauf und stehen gleichzeitig in enger Verbindung zu externen materialen und personalen Hilfestellungen.
Weniger gute Erfahrungen wurden hierbei mit dem Hinzuziehen von ausgebildeten Schulentwicklungsmoderatoren während der frühen Initiierung gesammelt, während der Austausch mit anderen Schulen über "Erwartungen, Entscheidungsstrukturen, Beteiligungsformen und Zeithorizonte" (ebd.: 27) Skepsis und Verunsicherungen aufzulösen vermag. Mit der Professionalisierung des OE-Prozesses sinkt dann die Hemmschwelle gegenüber der Inanspruchnahme von Experten. Formal steht nun dem Ablauf der Diagnose nichts mehr im Wege.
Mit der Entscheidung für konkrete Projekte zur Verbesserung der Organisationsstrukturen einer Schule und der Erstellung von einem Ablaufdiagramm über den Projektverlauf (vgl. die exemplarischen Ablaufdiagramme bei PHILIPP/ROLFF 1990: 34) beginnt die "Phase der Implementierung" (MÜLLER 1996a:28), die von einer Prozessevaluation begleitet wird und mit einer summativen Evaluation endet.
Aufrechterhaltung des Prozesses
Die Bilanzierung setzt Standards und Perspektiven für den weiteren OE-Prozess, sie dient zugleich der Institutionalisierung dieser Strategie im Schulalltag. Nach Rolff erreicht eine Schule damit das Entwicklungsstadium der "Problemlöse-Schule, die das Organisationslernen und damit auch die Schulentwicklung selbst zum Lerngegenstand macht" (1992: 320). Die schulinternen Erneuerungspotentiale sind fortan wirksam mobilisiert.
In Abwandlung eines Mottos von Erich Kästner, lässt sich die Bedeutung der OE für die Schule folgendermaßen charakterisieren: "Es gibt nichts Gutes, es sei denn man tut es gemeinsam."
Kritisch bleibt, die "überzogene Betonung und Überschätzung der kollegiumsinternen Selbstheilungskräfte" (KLIPPERT 1997: 15) im OE-Konzept, hervorzuheben. Selbsterneuerung und engagierte Teamarbeit der Organisationsmitglieder sind allerdings auch Maximen der folgenden Strategie, die aber stärker den kurzfristigen Erfolgserwartung der meisten Lehrer(innen) nachkommt und nicht die Gesamtorganisation Schule revisiert.
Bündelt man den langwierigen und komplexen OE-Prozess auf das "Innovationsfeld Unterricht" greift H. Klipperts Konzept des "konzertierten Innovationsmangements (KI)" (ebd. 1997: 12). Es nimmt vordringliche Problemfelder des unterrichtlichen Alltags in den Blick, der "von Lern- und Motivationsproblemen übersät ist und deshalb nach neuen Wegen des Lehrens und Lernens verlangt, die den betreffenden LehrerInnen und SchülerInnen Entlastung und Erfolgserlebnisse versprechen" (ebd.: 14). Hierfür entwirft Klippert ein "Neues Haus des Lernens" (Abb. 3), für das er ein konzertiertes Qualifikationsangebot entwickelt und erprobt hat (vgl. ebd.: 17).
Dieser Baukasten enthält zahlreiche Methoden und Instrumente des "eigenverantwortlichen Arbeitens und Lernens" (EVA, ebd.: 15), wie Frei-, Wochenplan, Stationen- oder Projektarbeit, die sich Kollegien in Fortbildungen unter Hilfestellung interner und/oder externer "Innovationsberatern" auf dem Weg des learning-by-doing aneignen. Durch die anschließende unterrichtliche Realisation kommt es zu einer gezielten "Sanierung" des traditionellen Unterrichts im Hinblick auf eine zeitgemäße Qualifizierung der Schüler(innen) zu selbständiger und (inter)aktiver Bearbeitung vorgegebener Aufgaben und Probleme. Aus dieser Unterrichtsreform können sich zu institutionalisierende Innovationsfelder und Perspektiven für das Schulprogramm ergeben.
Zentral ist in diesem Konzept die Erkenntnis, dass Wollen Können impliziert (Max Weber) und die Innovationen mittels facilitators (Erleichterer) praktikabel und alltäglich werden.
"Corporate identity eines Unternehmens wirkt sowohl nach innen als auch nach außen und leitet sich ab von einem Unternehmensbild, in dem die grundsätzlichen Wertvorstellungen und die angestrebte Marktkompetenz manifestiert sind" (Lexikon der Werbung 1996. Eintrag: corporate identity). Während OE und KI die festgefahrenen Strukturen und Prozesse im sozialen System Schule erneuern helfen und hierzu ein professionelles Methodenrepertoire bereithalten, zielt die corporate-identity-Konzeption (CI) auf eine Verbesserung der Identität der Organisation Schule durch Selbstdarstellung nach außen und Zusammenhalt nach innen (vgl. Regenthal 1988: 6). Das strategische Gesamtkonzept CI zerfällt in eine theoretische Philosophie (corporate culture) und ein praxisorientiertes Marketing (corporate design und corporate communication).
In jeder Schule herrscht ein zumeist diffuser "Geist", der die Mitglieder eint: die Unternehmenskultur, die sich aus der historischen Entwicklung, der geographischen Lage und ihr gewachsenes Profil zusammensetzt. Die entscheidende Basis für eine emotionale Verbundenheit mit der Schule und eine selbstbewusste Repräsentation der Schule stellt aber erst eine gemeinsame Schulphilosophie her, die vier Bereiche anspricht: - Motive (Richtung, Sinn, Verantwortung, Ziele), - Eigenschaften (Erscheinungsweisen, Einheitlichkeiten, Qualitätsorientierung) - Tätigkeiten (Denken, Gestalten, Kommunizieren) und - Zustände (Grenzen, Bewusstsein, Identität, Symbole, Partner) (Regenthal 1988: 29).
Umgesetzt wird das gemeinsame Schulprofil durch teamorientierte innere Organisations- und Kommunikationsstrukturen und ein einheitliches und konsistentes äußeres Erscheinungsbild. Dabei fallen der Schulleitung bedeutsame kommunikative Aufgaben wie Mitarbeiterführung, Personalentwicklung oder Zusammenarbeit mit Externen zu. Sein Führungsstil bestimmt das grundlegende Schulklima, seine Führungseigenschaften prägen das Profil einer Schule. Er gleicht die verschiedenen Strömungen im Kollegium aus und trägt wesentlich zur Bewältigung von Konfliktlagen bei (ebd.: 48f). Sein kostbares human capital ist das Kollegium, das er zu fördern, zu führen und zu motivieren hat. Im Schulnamen, im Signet, in der Gestalt von Drucksachen oder etwa in der Fassadengestaltung realisiert sich symbolisch die Zielsetzung der Schulphilosophie und des Schulklimas. Neben diesen optischen Erscheinungsmerkmalen existieren zahlreiche weitere imageprägende Elemente, die einer bewussten Gestaltung unterzogen werden können. Ganz gleich aus welchen Elementen sich die individuelle CI-Konzeption einer Schule zusammensetzt, gilt die AIDA-Formel aus der PR-Branche:
- A für attention: Aufmerksamkeit wecken, auf die Schule hinweisen
- I für interest: Interesse auf die Schule lenken, informieren über die Schule
- D für desire of possession: Besitzwunsch anregen, also den Wunsch wecken, "dabei zu sein"; auf die innere Bereitschaft vorbereiten, die Schule zu akzeptieren; Imagebildung
- A für action: Zielgruppen (Eltern, Schüler, Mitarbeiter, Förderer, Politiker, Verwaltungsleute) zum Handeln, zur Teilhabe, zur positiven Entscheidung zu bringen (ebd.: 77).
Um die rasch unterschätzte Bedeutung der schwer fassbaren Einflussgröße des Images von Schulen für die Schulentwicklung zu präzisieren wird im folgenden Kapitel im Anschluss an eine Begriffsdiskussion die Anwendung für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit präsentiert.