Jede Schule hat ein Image und keine Bildungseinrichtung kann sich dem Prozess der Imagebildung entziehen. "Man ordnet sie einfach ein, sie wird bewertet, der Schulleiter, die Lehrer, die Schulsekretärin und der Hausmeister, die Ausstattung und das Gebäude ebenso wie ihre Arbeit und ihre Aktivitäten, der Unterricht und das Schulklima - alle diese [...] Faktoren werden eingeschätzt und zu einem bestimmten Image zusammengefasst" (REGENTHAL 1988: 8).
Die gesamte Schulgemeinde und die Schulbehörde richten ihr Vertrauen, ihre Zufriedenheit, ihre Erwartungen und ihr Verhalten meistens nicht danach, "wie die Schule wirklich ist, sondern wie sie meinen, dass sie wäre" (ebd.). Trotz der eindeutigen gesellschaftlichen Bedeutung von Schule als Sozialisations-, Qualifikations- und Allokationsinstanz, blieb die Beschäftigung mit der hohen Subjektivität in bildungsbezogenen Einschätzungen und Entscheidungen und damit einhergehend mit dem gezielten Imageaufbau und seiner Pflege durch wirksame Öffentlichkeitsarbeit bislang aus.
Die Untersuchung des Images einer Person, eines Produktes oder eines Unternehmens ist traditionell das Betätigungsfeld des public-relations-Bereichs des Marketings (vgl. AVENARIUS 1993). Erst mit der detaillierten Erforschung und der steigenden gesellschaftlichen Bedeutung der gezielten Imagegestaltung wuchs gegen Ende der 80er Jahre auch das Interesse aus dem non-profit-Bereich öffentlicher und gemeinnütziger Organisationen an den Erkenntnissen der Image-Forschung (vgl. FAULSTICH 1992: 10). Mit dem "Programm zur Qualität der Lehre" vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen erreicht 1990 diese Entwicklung auch das Bildungswesen. Zahlreiche Kriterienkataloge zur Beurteilung von Lehrveranstaltungen und Lehrstühlen kursieren seitdem an den Hochschulen. In Ranking-Listen wird nach us-amerikanischem Vorbild versucht, die Qualität der deutschen Hochschulen und Fakultäten zu erfassen und zu hierarchisieren (vgl. u.a. Focus 16-23/1997). Diese Bestrebungen zielen auf eine Evaluation und Supervision akademischer Bildungsveranstaltungen durch die Beteiligten selbst und von außen (vgl. FRETER 1992: 13f). Es scheint an der Zeit zu sein, dass sich auch Schulen in den Prozess der Selbstüberprüfung und -gestaltung eingliedern (vgl. Bildungskommission NRW 1995).
Images sind allgegenwärtig in unserem Alltag. Sie haben keinen Anfang, denn sie sind bereits das Ergebnis der gedanklichen und emotionalen Verarbeitung von Vorhandenem. Zudem gibt es nichts und niemanden, das/der kein Image abbildet bzw. abbilden könnte. Nur, was ist ein Image und wie entsteht es? Auf den ersten Blick zeigt dieses soziale und kommunikative Phänomen widersprüchliche Eigenschaften: Stabilität und Flüchtigkeit, Dauerhaftigkeit und Reagibilität, Simplifizierung und Komplexität, Subjektivität und Gemeinsamkeiten. Zunächst einmal bestehen Images also aus einer mehrdimensionalen "Ganzheit von Gefühlen, sachlichen Informationen und Handlungsabsichten" (Brockhaus 1992; Eintrag: Image).
Der Begriffstitel 'Image' [zu lat. imago "Bild(nis)", "Abbild", "Vorstellung"] wird üblicherweise englisch ausgesprochen. Er ist im deutschen Sprachraum seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in psychologischen, sozialen und ökonomischen Zusammenhängen gebräuchlich. Die zahlreichen Bezugssysteme bedingen einen uneinheitlichen Gebrauch zahlreicher Begriffsabwandlungen. Vorstellungsbild, Stereotyp, Einstellung, Vorurteil, Leitbild, "subjektive Wissensstruktur" (Kenneth BOULDING 1964), Klischee, Schema, Symbol, Ruf, Ansehen, Reputation, Profil: Ebenso reich wie die Zahl der Synonyme und eng verwandten Begriffe sind die Definitionsversuche (vgl. BENTELE 1992: 153; RÜHL 1993 55ff.). Eine erste recht umfassende Begriffsbestimmung findet sich bei Reinhold BERGLER (1991):
"Ein Image ist ein vereinfachtes, überverdeutlichtes und bewertetes Vorstellungsbild, ein Quasi-Urteil, das keine Gültigkeitsgrenzen kennt und empirisch nicht hinreichend abgesichert ist. Alle menschlichem Wahrnehmen, Erleben und Denken zugänglichen Gegenstände werden immer auch vereinfacht - als Images - verarbeitet. Landschaften, Länder, Technologien, Städte-Standorte, Berufe, Wissenschaften, Personen, Tiere, Pflanzen, Klima. Images (Vorurteile) sind ein universelles Phänomen. Sie bilden die Realität nicht im fotographischen Detail ab, sondern sie machen ihre Schlussfolgerungen an Schlüsselreizen, exemplarischen Leistungen, einzelnen Folgen, aber auch einzelnen Misserfolgen fest. Images entstehen, wie insbesondere die Psychologie des ersten Eindrucks deutlich macht, kurzfristig auf Basis eines Minimums an Information. Die dadurch erforderlichen psychologischen Mechanismen funktionieren mit hoher Geschwindigkeit weitgehend automatisiert und ohne Störungen durch Denken. Skepsis und Zweifel werden ausgeschaltet, Wenn und Aber werden nicht zugelassen, sondern nur subjektiv plausibel erscheinende eindeutige Urteile"
(BERGLER 1991 in BENTELE 1992: 153).
Es gibt keinen Schutz vor einer automatischen Imagebildung. Angelehnt an Paul Watzlawicks bekanntem Satz aus der Kommunikationstheorie ("Man kann nicht nicht kommunizieren." 1972) lässt sich bzgl. der evozierten Vorstellungsbildern von irgendetwas formulieren: "Es ist nicht möglich, kein Image zu haben" (BENTELE 1992: 153)., ganz im Gegenteil, sie schützen uns im Dickicht gesellschaftlicher Komplexität, indem sie erfahrene Realitätsbereiche überschaubar, quasi artikulierbar machen. Images helfen, unsere Handlungs- bzw. Entscheidungsfähigkeit sowohl in alltäglichen, routinierten, als auch in spontanen Situationen zu erhalten. Aber die Erkenntnis, dass Images die menschliche Rezeption beeinflussen, birgt die Gefahr der gezielten Manipulation unserer Vorstellungsbilder, mit der Absicht unser Handeln zu instrumentalisieren, etwa in der Werbung oder im Wahlkampf (vgl. SCHÖNBACH 1993).
Entscheidend ist es, die Genese und Relevanz eines Images in menschlichen Entscheidungsprozessen zu verstehen und zu kontrollieren. Nach Günter Bentele (1992: 154) lassen sich vier zentrale Mechanismen der Entstehung von Images herausstellen, die sich an Reinhold Berglers Merkmalskatalog von 1966 (vgl. ebd. in RÜHL 1993: 59f) anlehnen.:
Vereinfachung durch Typologisierung
Soziologisch gewendet meint dieses Verfahren die notwendige Komplexitätsreduktion der Umweltwahrnehmung auf ihren generalisierbaren Kern hin. Die bedeutsamen und typischen Merkmale einer Erfahrung werden über einen längeren Zeitraum eher erinnert, da sie den betrachteten Objektbereich strukturieren und ordnen (vgl. RÜHL 1993: 60ff).
Verallgemeinerung von Einzelerfahrungen
Einmal gemachte positive oder negative Erfahrungen mit etwas bzw. jemand werden zur Orientierung generalisiert. Der heuristische Wert dieses Prozesses liegt in seiner Transferierbarkeit auf ähnliche Situationen.
Beide Prozesse gelten als "kognitionsökonomische Vereinfachungsstrategien" (BENTELE 1992: 165). Es ist rationeller und bequemer mit vereinfachten Vorstellungen zu arbeiten bzw. zu leben als unentwegt die Komplexität des Ganzen im Auge zu haben. Dass diese schlagwortartige "Verkürzung des Wesenszusammenhanges" (SZYSZKA 1992: 105) zu Gefahren und Fehleinschätzungen führen kann, kann fast an allen aktuellen Debatten deutlich studiert werden. So zum Beispiel bei einseitiger Berichterstattung zu Themen, wie Energiekonsens, Steuerdebatte, Zukunft des sozialen Sicherungssystems, Ausländerproblematik, Einführung der Euro-Währung; aber auch im Bildungswesen gibt es sehr stereotyp geführte Debatten, etwa die um die Studierfähigkeit, um eine Pädagogik 'vom Kinde aus' (Schüler-/Handlungsorientierung, Lernen mit "Kopf, Herz und Hand", "Die Sachen klären, den Menschen stärken") oder um die Öffnung von Schule. Hilbert Meyer beklagt, dass diese metaphorischen Redeweisen leicht zu einem zeremoniellen Gebaruch, analytisch leerer und all zu oft tautologischer "pädagogischer Slogans" verkommen (ebd. 1995: 131).
Überverdeutlichung
Ähnlich einem Lupeneffekt werden dominante Ausschnitte eines Objektbereiches herausgenommen, vergrößert bzw. verdeutlicht. Selektive Wahrnehmung führt letztlich auch zu partiellen, aber detaillierten Erkenntnissen.
Bewertung
In allen Mechanismen werden positive oder negative Zuschreibungen an dem Objekt verankert. Da Images menschliche Entscheidungen beeinflussen, die an gesellschaftliche Normen und Werte gebunden sind, muss Imagebildung wertend sein.
Eine allgemeingültige Typologie der Images konnte bisher noch nicht zusammengestellt werden. Erste Ansätze einer Klassifikation unterscheiden generell zwischen dem Selbst- und dem Fremdimage von Personen, Produkten und Organisationen (vgl. RÜHL 1993: 60). Beide Typen werden dabei vom vermuteten oder geprüften Ist-Zustand in Richtung des erwünschten Soll-Zustandes des Innen- bzw. Außenbildes gestaltet.
Die wichtigste Rolle bei der Annäherung an das gewünschte Zielbild spielt der interne und externe Dialogprozess. Durch größtmögliche Partizipation aller Beteiligten visiert man gerade im non-profit-Sektor identitätsstiftende Zielsetzungen an, die nach außen dauerhaft glaubwürdig zu vermitteln und nach innen konkret zu praktizieren sind. Die Gestaltung dieses Kommunikationsprozesses ist das zentrale Thema soziologischer Selbstdarstellungstheorien.
Die Selbstdarstellungstheorie sowie die Selbstkonzepttheorie nehmen grundsätzlich die ubiquitäre menschliche Bestrebung an, von außen positiv wahrgenommen werden zu wollen. Nach Auffassung der Selbstdarstellungstheorie sind Menschen "(ständig) darum bemüht, den Eindruck den sie auf andere Personen machen, zu kontrollieren und zu steuern bzw. sich so zu verhalten, dass die Interaktionspartner in einer vom Individuum erwünschten Weise reagieren. Zu diesem Zweck antizipiert der Akteur die Erwartungen des Beobachters in bezug darauf, was erwünscht oder unerwünscht ist" (RUSTEMEYER 1992: 66). In seinem Buch "Wir alle spielen Theater" (1996) vergleicht der Soziologe Erving Goffmann (1922-1988) menschliche Handlungen im Alltag sehr treffend mit der Tätigkeit eines Schauspielers auf der Bühne, allerdings mit der Einschränkung, dass ein Schauspieler professionell die Realität seiner Rolle vortäuscht, während es im wirklichen Leben um eine echte, wenn auch schlecht geprobte Darstellung geht (vgl. ebd.: 3). In der alltäglichen Berührung gerade mit fremden Personen reagieren wir gegenseitig in der Regel derart, dass wir versuchen Informationen über diese zu bekommen, über Status, ihre Persönlichkeitseigenschaften, ihre Fähigkeiten und Einstellungen, um näher herauszufinden, wer und wie diese Person ist. Wir aktualisieren Bekanntes und überprüfen Rollenstereotype sowie Klischeevorstellungen (vgl. ebd.: 5). Ebenfalls sind wir an einer Eindrucksmanipulation in unserem persönlichen Sinne interessiert und nutzen verbale und non-verbale (Verhalten, Aussehen, Kleidung usw.) Selbst-Präsentationsstrategien. Die eigene Selbstdarstellung und die Interpretation durch den Interaktionspartner definieren die soziale Situation, in der wir uns befinden, d.h. sie legen die Bedeutung und auch die zukünftigen Erwartungen aneinander fest, die wiederum anstehende Entscheidungen fixieren. Wir erhalten eine "kognizierte Kontrolle" (RUSTEMEYER 1992: 68) über die Situation. Gezielt steuern lassen sich derartige Interaktionsvorgänge durch sog. assertive Strategien, die nach ihrer Dauerhaftigkeit und Situationsgebundenheit unterschieden werden können.
In unserem Selbstkonzept legen wir dabei bewusst unsere Sicht und Darstellung von uns selbst fest und besetzen es bei Bestätigung durch die Außenwelt mit Selbstbewusstsein.
Dabei gehen beide theoretischen Ansätze davon aus, "dass Individuen bestrebt sind, sich selbstkongruent zu verhalten [...]. Sowohl das Bedürfnis nach Konsistenz als auch nach Selbstwerterhöhung beinhalten ein erhebliches motivationales Potential" (ebd.: 76).
Die sinnstiftenden und anregenden Momente der Selbstdarstellungstheorie können auf die gezielte Imagebildung der Einzelschule übertragen werden. Dieses Programm der Selbstdarstellung von Schulen zeigt einen Weg aus der willkürlichen Antizipation der pädagogischen Bemühungen von Lehrern in der Öffentlichkeit auf und bildet den theoretischen Bezug für die Hypothesenbildung der empirischen Überprüfung des Images von Schulen im Rahmen einer pädagogischen Projektarbeit.
Wegen ihrer gesellschaftlichen Aufgaben obliegt der Schule eine ungebrochen hohe gesellschaftliche Bedeutung. Helmut Fend nennt hier die Qualifikations-, Selektions- und Legitimationsfunktion (21981: 19ff). Wolfgang Klafki fügt 1989 die der Kulturüberlieferung hinzu (Ders. in GUDJONS 1993: 168; s. Kapitel B.2.1.). Sie genießt daher in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert. Ihr Prestige hingegen, insbesondere das Ansehen des Lehrerberufes wird in der Öffentlichkeit sehr kritisch diskutiert (vgl. u.a. Zeit-Punkte 2/1996). Ihre gesellschaftliche Bedeutung für eine pluralistische Demokratie wird häufig, wegen der oftmals negativ gefärbten persönlichen Betroffenheit jedes Bürgers durch seine eigene Schulbiographie, nicht wahrgenommen. Die Diskrepanz zwischen Relevanz und Ruf von Schule und Unterricht wurde schon früh nachgewiesen (vgl. MÜLLER-FOHRBRODT et al. 1975: 315) und hat bis heute Bestand (vgl. STRUCK 1994; DÖBERLIN 1996; PHILIPP/ROLFF 1999). Man fragt sich, wieviel öffentliche Schelte die Bildungsinstitution noch einsteckt, bevor sie beginnt sich durch erfolgreiche erzieherische und didaktische Konzepte und Profile positiv darzustellen. Die Schulprogrammentwicklung der Einzelschule kann in diesem Sinne als Träger für ein neues Verständnis institutionalisierten Lernens ausreifen (vgl. Bildungskommission NRW 1995).
Ein Instrument zur Gestaltung innerer und äußerer Schulrealität wird im Modell zur Imagegestaltung von Schulen vorgestellt (Abb. 8).
Eine professionelle PR-Kommunikation über die differenziert und innovativ zu gestaltende Schulrealität kann zu einer Wahrnehmungsänderung beim interessierten Rezipienten beitragen. Dieses Modell deckt kommunikationstheoretisch die Relationen des gesellschaftlichen Informationsflusses über Schule zwischen ihren einzelnen Instanzen in einer wünschenswert idealtypischen Weise auf. Nach dem interpretativen Programm des Symbolischen Interaktionismus, besonders nach den Vorstellungen Erving Goffmans lässt sich die Schulwirklichkeit leicht polemisierend etwa so darstellen: Die Schulanlage bzw. das einzelne Klassenzimmer repräsentiert die öffentliche Bühne. Die professionellen Hauptdarsteller sind Lehrer und Schüler. Laienschauspieler werden durch Praktikanten und Schauspielschüler durch Lehramtsanwärter vertreten. Hinter den Kulissen agieren Bühnenarbeiter (Hausmeister, Putzfrauen usw.), Regie führt der Schulleiter, Intendant ist die Schulbehörde. Das Stück heißt im Alltag Unterricht, zu besonderen Festtagen Schulveranstaltung bzw. Schulleben. Gespielt wird zumeist in sechs bis sieben Akten à 45 Minuten (vgl. TREIBEL 1993: 108f u. 135f); erster Unterschied zum Theater: es wird nicht geprobt, alle Kunst des Lehrens und Lernens ist profesionelles Schauspiel! Zweitens fehlen die Zuschauer! Die schulische Realität dringt durch die selektive Weitergabe von interessanten Schulereignissen über die Kanäle schulinterner Kommunikation in die Veröffentlichungsorgane der Schule.
Die Rekonstruktion der Schulwirklichkeit erzeugt eine inszenierte außerschulische Realität, die die direkte Wahrnehmung der Schule unterstützt bzw. verändert. Über diese mediale Kommunikation werden gezielte Möglichkeiten einer Imagebildung freigesetzt. Nur, sie setzt Berichtenswertes voraus! Notwendig ist also zudem ein ständiger Reflexions- und Dokumentationsprozess über die Aktivitäten an der Schule.
Gleichwie stellt sich die Imagebildung einer Schule als subtiler Prozess sozialer Kommunikation heraus. Die Prägung und Pflege eines gewünschten Profils der Bildungsstätte ist ein sensibler und diffiziler Vorgang in der konkreten Ausgestaltung bewilligter Schulautonomie.