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Fremdenfeindlichkeit - Phänomene und Dimensionen |
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Sind die Deutschen fremdenfeindlich?
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Ist das Maß an Fremdenfeindlichkeit in der deutschen Bevölkerung höher als
in den europäischen Nachbarstaaten Großbritannien, Frankreich?
Gerade im Rückblick auf das Jahr 2000 scheint sich diese Annahme zu bestätigen.
Vor allem nach dem Bombenanschlag in Düsseldorf im Juli, bei dem man einen
ausländerfeindlichen Hintergrund vermutete, wurde das Thema 'Fremdenfeindlichkeit'
zum zentralen Medien- und Politikthema des Jahres. Das Bundesamt für Verfassungsschutz
stellt für das Jahr 2000 einen starken Anstieg der fremdenfeindlich und
rechtsextremistisch motivierten Straftaten fest: von 451 (1999) auf 641 (2000)
stieg die Zahl der Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brandstiftungen,
Explosionen und Landfriedensbrüche. Gründe für die Zunahme der
Straftaten sind aber sicher sowohl in der gewachsenen Aufmerksamkeit in der
Bevölkerung und bei der Strafverfolgung zu suchen als auch in der Zahl
der Nachahmungstäter und wachsenden Aktionsbereitschaft mancher Rechtsextremisten.
(Bundesamt für Verfassungsschutz: Verfassungsschutzbericht 2000.)
Die fremdenfeindlichen Ausschreitungen der Jahre 1990/1991 (Rostock, Hoyerswerda,
Hünxe) sind noch gut im Gedächtnis, und es vergeht auch heute kaum
ein Tag, an dem die aufmerksame Presse nicht zumindest eine Meldung über
einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim, über die Schändung eines
jüdischen Friedhofes, über eine gewalttätige Attacke auf einen
S-Bahn fahrenden Ausländer bringt.
Die starken Proteste und intensiven Diskussionen im Sommer und Herbst 2000
schaffen ein falsches Bild, auch in den Jahren zwischen Rostock und Düsseldorf
kam es zu zahlreichen Übergriffen, die jedoch nicht ein solches Interesse in
den Medien fanden.. Beispielsweise im März 1997 machte eine gewalttätige
Attacke von jungen Wehrpflichtigen auf Ausländer in der Innenstadt von
Detmold unrühmliche Schlagzeilen - die Soldaten hatten zwei Türken
und einen Italiener mit dem Schlachtruf 'Kanaken raus aus Deutschland!'
mit Baseballschlägern durch die Innenstadt getrieben. (Vgl. 'Soldaten-Angriff
auf Ausländer verurteilt', in: DIE WELT, 19.03.1997 und 'Starke
Truppe ramponiert das Image', in: taz, 19.03.1997.)
Die große Mehrheit der Bevölkerung ist beunruhigt, der damalige Verteidigungsminister
Rühe entschuldigt sich für das Fehlverhalten der Soldaten und kündigt eine harte
Bestrafung an; kurz, man schämt sich über 'die rüden Randalierer', die 'Brandstifter,
Messerstecher und Schläger', die 'Schande über Deutschland bringen, wie Theo
Sommer das in der ZEIT genannt hat (Theo Sommer, 'Das Schandmal des Fremdenhasses',
in: DIE ZEIT, 11.10.1991.) - und übersieht aber zugleich, dass Fremdenfeindlichkeit
nicht erst dort anfängt, wo man den ausländischen Mitbürgern das Haus über dem
Kopf anzündet oder sie in einem Kesseltreiben durch die Innenstädte hetzt.
Generell wird man mit Hans-Gerd Jaschke festhalten können, dass sich
'Fremdenfeindlichkeit' auf 'die latent ablehnende, aber auch
öffentlich demonstrierte aggressive Abwehr des Fremden und eine Politik
der Abschottung von Lebensräumen' bezieht (Hans-Gerd Jaschke, Rechtsextremismus
und Fremdenfeindlichkeit, Opladen 1994, S. 64.); mit anderen Worten: es geht
primär um Einstellungen und nicht allein um Gewalttaten. Hüsers/Silbermann
unterscheiden in ihrer 1995-Untersuchung Der 'normale' Hass auf die
Fremden. Eine sozialwissenschaftliche Studie zu Ausmaß und Hintergründen
von Fremdenfeindlichkeit in Deutschland insgesamt 12 Indikatoren von Fremdenfeindlichkeit,
die als Grundlage für einen 'Index Fremdenfeindlichkeit' gelten
können, der unterschiedliche Grade dieses Einstellungsmusters mit Hilfe
einer Punkteverteilung zu beschreiben sucht:
1) die Unzufriedenheit mit dem Zahlenverhältnis von Deutschen und Ausländern
im Wohngebiet;
2) die Kontaktvermeidung zu Ausländern;
3) die große soziale Distanz zu Sinti und Roma;
4) zu Afrikanern;
5) zu Vietnamesen;
6) zu Türken; die Sympathie bzw. das Verständnis für:
7) Deutsche, die z.B. auf einer Demonstration 'Ausländer raus!' rufen;
8) Deutsche, die zur Gewalt gegen Ausländer aufrufen;
9) Deutsche, die einzelne Ausländer überfallen und verprügeln;
10) Deutsche, die bei gewaltsamen Überfällen auf Asylantenheime als Zuschauer
klatschen;
11) Deutsche, die nach restriktiven Forderungen gegenüber ausländischen Arbeitnehmern
verlangen;
12) Deutsche, die nach restriktiven Forderungen gegenüber Asylsuchenden verlangen.
(Alfons Silbermann/Francis Hüsers, Der 'normale' Hass auf die Fremden. Eine sozialwissenschaftliche
Studie zu Ausmaß und Hintergründen von Fremdenfeindlichkeit in Deutschland,
München 1995, S. 34f.)
Fremdenfeindliche Einstellungen und Handlungsweisen in unterschiedlicher Intensität
zeigt nach dieser Definition sowohl das Elternpaar, das seine Kinder extra eine
Schule besuchen lässt, in der es keine oder nur wenige ausländische Mitschüler
gibt, der Rentner, der am Stammtisch, von den 'schmutzigen Türken' spricht,
die 'auf unsere Kosten sich ein feines Leben machen', als auch der Politiker,
der von der Gefahr einer 'Durchrassung der Gesellschaft' spricht. Fremdenfeindlichkeit
existiert damit in der Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft, nicht allein
in ihren Randgruppen. Erklärungsansätze für fremdenfeindliches Verhalten müssen
sich damit in erster Linie auf den 'Normalbürger' und das Alltagsverhalten beziehen
und nicht allein auf den gewalttätigen Skinhead. Die 'alltägliche Fremdenfeindlichkeit'
äußert sich in subtilen Formen.
Fremdenfeindlichkeit in Zahlen
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Silbermann/Hüserss kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass insgesamt ca. 15,5% der Deutschen als "überdurchschnittlich fremdenfeindlich" bezeichnet werden müssen; beachtliche 35,3% immerhin noch als "etwas fremdenfeindlich". Hinsichtlich der soziodemographischen Zusammensetzung dieser Gruppe mit grundsätzlich eher fremdenfeindlichen Einstellungen stellten Silbermann/Hüsers fest:
"Die für einen Großteil aller Deutschen bis zu einem gewissen Grad leider als normal anzusehenden fremdenfeindlichen Einstellungen sind im übrigen in allen soziodemographischen, nach Merkmalen wie Geschlecht, Alter oder Einkommen gebildeten Gruppen der Gesellschaft anzutreffen." (Francis Hüsers, "Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung", in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 48/95, S. 22-28, hier: S. 24. Bei diesem Aufsatz handelt es sich um eine Zusammenfassung der o.g. Studie von Silbermann/Hüsers.)
Relevante soziodemographische Faktoren für das Maß an Fremdenfeindlichkeit sind dagegen primär die formale Bildung, die allgemeine Zufriedenheit in einigen der für die Lebensqualität wichtigen Bereichen und der vorhandene Kontakt zu Ausländern: Ein höherer Grad an formaler Bildung und ein intensiverer Kontakt zu ausländischen Mitbürgern, so Hüsers/Silbermann, mindert die Wahrscheinlichkeit von Fremdenfeindlichkeit, die Unzufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen erhöht sie hingegen.
forschen mit GrafStat
Im Rahmen dieses Projektes wurde für den Unterrichtseinsatz von GRAFSTAT auch für den Datensatz ALLBUS 1996 eine Skala Fremdenfeindlichkeit erstellt. Der Skalenwert als Indikator der fremdenfeindlichen Einstellungen (Relibialitätskoeffizient =0,76) ergibt sich dabei durch die Bildung des Mittelwertes der vier in die Skala einbezogenen Items F8, F9, F11, F12 (vergl. Fragebogen). Eine Person, die auf alle vier Fragen mit "Stimme völlig zu" (Skalenwert 7) antwortet, erreicht also einen Skalenwert von 7 und muss damit als extrem fremdenfeindlich gelten.
Unterscheidet man also auf der Skala Fremdenfeindlichkeit 0-7 insgesamt drei Gruppen unterschiedlicher Intensität von fremdenfeindlichen Einstellungen mit den Randwerten 0.. < 2,5 nicht fremdenfeindlich 2,5 < 5,5 indifferente Einstellung gegenüber Fremden 5,5 < 7,0 fremdenfeindlich so lässt sich festhalten, dass immerhin 19,0% der Befragten als "fremdenfeindlich" gelten müssen (15,9% nicht fremdenfeindlich, 65,1% indifferent). Eine auf diese Art und Weise vorgenommene Analyse vermag die obengenannte Hypothese von Silbermann/Hüsers zu stützen, Gegen die Diskriminierung im Alltag ist die Anzahl der fremdenfeindlichen Straftaten - wie sie im Verfassungsschutzbericht nachzulesen sind - fast zu vernachlässigen, so schlimm diese im Einzelfall auch sein mögen.
Für fremdenfeindliche Einstellungen und Handlungsweisen sollen im folgenden einige mögliche Gründe diskutiert werden, nachdem wir uns zunächst einen kurzen Überblick über die gegenwärtige Situation der ausländischen Bevölkerungsteile in Deutschland verschafft haben.
Wer ist fremd? Zum Ausländerbegriff
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"Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist" heisst es im Ausländergesetz der Bundesrepublik Deutschland (§1 (2)).
Doch Ausländer ist nicht gleich Ausländer, in Deutschland kann man sie in vier Gruppen aufteilen:
- EU-Ausländer
- ausländische Arbeitnehmer
- Flüchtlinge und Asylbewerber
- Aussiedler
"Unklare Begriffe [...] führen zu unklaren Vorstellungen und mehren nur die Missverständnisse und Fehldeutungen, die es [...] ohnehin schon überreich gibt. [...] Der Begriff "Ausländer" selbst wird oft unreflektiert gebraucht: In der "Ausländerdiskussion" sind damit in der Regel z. B. Mitglieder von in der Bundesrepublik stationierten NATO-Einheiten und Diplomaten ebenso wenig gemeint wie ausländische Angestellte ausländischer Filialbetriebe [...] oder gar Kurgäste und Touristen.
Ausländische Arbeitnehmer - "Gastarbeiter"
Gemeint ist in erster Linie die aus den ehemaligen "Anwerbeländem" zugewanderte bzw. die aus dieser früheren "Gastarbeiterbevölkerung" hervorgegangene "ausländische" Minderheit in der Bundesrepublik. Gerade hier aber ist der Begriff "Ausländer" immer weniger aussagekräftig: Menschen anderer Staatsangehörigkeit, die seit Jahrzehnten dauerhaft in der Bundesrepublik leben (Erste Generation), ihre hier geborenen und aufgewachsenen Kinder (Zweite Generation) oder sogar schon Enkel (Dritte Generation) sind im rechtlichen Sinne zwar zumeist nach wie vor "Ausländer". In einem weiteren, Lebensformen, Mentalitäten und Selbstverständnis einschließenden Sinne aber sind viele längst so etwas wie einheimische Ausländer, ausländische Inländer, Bindestrich-Deutsche, Pass-Ausländer oder Deutsche mit einem fremden Pass. [...]
Flüchtlinge
Hinzu kommt der große Bereich der Flüchtlingsbevölkerung. Das gilt z. B. für die als "Kontingentflüchtlinge" seit Ende der 1970er-Jahre aufgenommenen "boat-people" aus Indochina. Es gilt auch für aus politischen Gründen Verfolgte im Sinne des Grundgesetzes, deren Asylanträge anerkannt wurden und solche, deren Asylverfahren noch schweben. Hinzu kommen Flüchtlinge, deren Asylbegehren zwar abgelehnt wurde, die aber dennoch aus humanitären ("humanitäre Flüchtlinge"), politischen, rechtlichen bzw. "faktischen" Gründen (z. B. Staatenlosigkeit) als "De-facto-Flüchtlinge" auf Zeit "geduldet", d. h. nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Immer wichtiger geworden ist, insbesondere seit dem blutigen Zerfall des früheren Jugoslawien in Krieg und Bürgerkrieg, die Gruppe der Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die - weil in der Regel nicht im Sinne des Grundgesetzes individuell politisch verfolgt - im Asylverfahren kaum Chancen haben, aber doch unter verschiedenen Bedingungen toleriert, in beachtlicher Zahl auch privat aufgenommen wurden.
"Aussiedler"
Missverständnisse gibt es auch um den Begriff "Aussiedler" ("Spätaussiedler''): Zu verstehen sind darunter nach amtlicher Definition "deutsche Staatsangehörige oder Volkszugehörige, die vor dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in den ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten, bzw. in Polen, der ehemaligen Sowjetunion, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Albanien oder China gehabt und diese Länder nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen verlassen haben oder verlassen". [...] Grundgesetz, Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz und Kriegsfolgenbereinigungsgesetz garantieren Deutschstämmigen aus diesen Gebieten nach wie vor, wenn auch bei neuerdings beschränktem Umfang der Zuwanderung, den Rechtsanspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit.
Nicht selten werden sogar alle drei Gruppen - ausländische Erwerbsbevölkerung, Flüchtlinge und Aussiedler - miteinander verwechselt. Das hat seinen Grund auch darin, dass aus den gleichen Ländern stammende Zugehörige zweier oder sogar aller Gruppen in Deutschland leben bzw. dorthin streben: aus dem NATO-Land Türkei, in dem noch gefoltert wird, asylsuchende Flüchtlinge ebenso wie z. B. ehemalige "Gastarbeiter" mit ihren Familienangehörigen. [...]"
Aus: K. J. Bade: Ausländer, Aussiedler, Asyl in der Bundesrepublik Deutschland, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1994, S. 9f.; zit. nach: F. J. Floren u.a.: Politik 3. Ein Arbeitsbuch für den Politikunterricht, Aktualisierter Nachdruck, Paderborn 1999.
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www.projekt-wahlen2002.de und www.forschen-mit-grafstat.de sind Projekte
der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de Koordinierungsstelle Medienpädagogik/Fachbereich Multimedia
Projektkoordination: Tilman Ernst und des Teams von
www.pbnetz.de an der Universität Münster unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sander, Andrea Meschede und Ansgar Heskamp.
Die Inhalte des Internetangebotes "projekt-wahlen2002.de" stehen auch als
kombiniertes Print- und CD-ROM
Produkt mit dem Titel "Wahlanalyse und Wahlprognose 2002. Die
Bundestagswahl im Unterricht" zur Verfügung.
Ansprechpartner: Koordinierungsstelle Didaktik,Franz Kiefer. Best.Nr.: 2.414, EUR 1,50
Das Gesamtprojekt "Forschen mit Grafstat" - einschliesslich des Bausteines
"Wahlanalyse und Wahlprognose"
ist auch als CD-ROM verfügbar. Best.Nr.: 1.580, EUR1,50
Bestellen unter www.bpb.de , "Lieferbare Publikationen","Bestellen"
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