Fremdenfeindlichkeit
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 Sachanalyse
 
 
 
 
 
 
 
 


 Gängige Vorurteile und tatsächliche Sachverhalte
 

"Ausländer stehlen uns die Arbeitsplätze und belasten das soziale System"

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In der hier ausgewerteten repräsentativen ALLBUS-Studie 1996 "Einstellungen gegenüber ethnischen Minderheiten in Deutschland" sind 37,08% der Befragten mehr oder weniger (Skalenwerte 5-7) davon überzeugt, dass Ausländer Arbeitsplätze wegnehmen, 41,57% sehen in ihnen eine Belastung des sozialen Systems (Skalenwerte 5-7) und 44,17% befürchten eine verschärfte Wohnungsnot. Vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosigkeit und einer real existierenden Wohnungsnot sind alle diese Befürchtungen durchaus verständlich; trotzdem erweisen sich viele der Befürchtungen bei einem näheren Blick auf die Fakten als unbegründet: So kommt z. B. Julian L. Simon in seinem Buch "The Economic Consequences of Immigration!" von 1989 zu dem vielleicht überraschenden Ergebnis, dass Einwanderungen für das "Gastland" regelmäßig mit ökonomischen Vorteilen verbunden sind (Julien L. Simon, The Economic Consequences of Immigration, Oxford und Cambridge (Mass.) 1989). Diese Feststellung soll im folgenden näher erläutert werden.

Generell stehen sich zunächst in der arbeitsmarktpolitischen Diskussion um die Vor- und Nachteile der Immigration zwei unvereinbare Thesen gegenüber: Zum einen die sogenannte Komplementaritätstheorie, die besagt, dass ausländische Arbeitnehmer primär solche Arbeitsplätze besetzen, die deutsche Arbeitnehmer aus diversen Gründen nicht haben wollen, und zum anderen die Substitutionalitätsthese, die von einer tatsächlichen Verdrängung deutscher Arbeitskräfte durch Immigranten ausgeht, die oft zu wesentlich geringeren Arbeitskosten beschäftigt werden können. (Bert Rürup/Werner Sesselmeier, "Einwanderung: Die wirtschaftliche Perspektive", in: Friedrich Balke u.a. (Hrsg.), Schwierige Fremdheit. Über Integration und Ausgrenzung in Einwanderungsländern, Frankfurt a.M. 1993, S. 285-304.)

Dass hier zum Teil massive Verdrängungen stattfinden, lässt sich kaum bestreiten; massive Proteste z.B. der Berliner Bauarbeiter gegen die hohe Zahl von ausländischen Beschäftigten auf Baustellen des Bundes sind daher nicht unberechtigt. Andererseits lässt sich empirisch belegen, dass ausländische Arbeitnehmer primär in Berufen mit hohen physischen Anforderungen zu finden sind, die sich auch durch eine Kumulation negativer Arbeitsplatzmerkmale auszeichnen (Putzfrauen, Fensterputzer, Tellerwäscher etc.). In bestimmten Berufen herrscht geradezu ein Arbeitskräftemangel, der die Bundesregierung dazu brachte, etwa für Krankenschwestern und Erntehelfer eine "Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung" zu erlassen. Inwiefern sich hier allerdings durch die gegenwärtige nochmalige Verschärfung der Lage auf dem Arbeitsmarkt Veränderungen anbahnen (d.h., dass arbeitslose Deutsche verstärkt auch bereit sind, Tätigkeiten anzunehmen, die u.U. unter ihrem Qualifikationsniveau liegen und ein niedriges soziales Ansehen genießen), lässt sich gegenwärtig kaum absehen.

Es muss allerdings betont werden, dass nach der gesetzlichen Lage die Arbeitsämter sowieso verpflichtet sind, freie Stelle zuerst Deutschen oder EU-Ausländern zuzuweisen. Insgesamt dürfte also die Komplementaritätsthese empirisch deutlich besser fundiert sein. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) ermittelte, dass zwischen 1988 und 1991 etwa 1,7 Millionen Zuwanderer auf den deutschen Arbeitsmarkt drängten, die Zahl der Erwerbstätigen um zwei Millionen stieg, die Zahl der Arbeitslosen aber um 600.000 abnahm. Offensichtlich hat der Arbeitsmarkt die Zuwanderung verkraftet, ja im Gegenteil wäre es ohne Zuwanderung wohl zu Engpässen in bestimmten Produktions- und Dienstleistungsbereichen gekommen.

"Die insgesamt rasche Eingliederung der zugewanderten Erwerbspersonen in den Arbeitsmarkt lässt darauf schließen, dass eine Nachfrage nach Arbeitskräften befriedigt worden ist, für die etwa Arbeitslose aufgrund struktureller Probleme (47 Prozent aller Arbeitslosen haben keine abgeschlossene Ausbildung, 27 Prozent sind länger als ein Jahr arbeitslos), gesundheitlicher Probleme (25 Prozent aller Arbeitslosen weisen gesundheitliche Einschränkungen auf), altersbedingter Nachteile (30 Prozent sind älter als 50 Jahre) oder geschlechtsspezifischer Merkmale nicht in Frage kamen." (György Barabas u.a., "Gesamtwirtschaftliche Effekte der Zuwanderung 1988-1991", in: RWI-Mitteilungen, (1992) 43, S. 133ff.; vgl. außerdem Arne Giesbeck u.a., Wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte der Zuwanderung in die Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7/93, S. 29-41.)

Heute sieht man in der Zuwanderung in jedem Fall einen Gewinn für den Arbeitsmarkt. Die Bevölkerungsprognose für Deutschland macht die Notwendigkeit der Zuwanderung von Arbeitskräften überdeutlich. Außerdem treten Ausländer auf dem Arbeitsmarkt nicht nur als Nachfrager, sondern auch als Anbieter von Arbeitsplätzen auf; alleine in türkischen Unternehmen in Deutschland gab es 1995 etwa 162000 Arbeitsplätze, die durchschnittlich zur Hälfte auch von Deutschen besetzt werden. (Vgl. Cornelia Uebel, "Die stillen Aufsteiger. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben türkische Unternehmen Zehntausende von Arbeitsplätzen in Deutschland geschaffen.", in: DIE ZEIT, 03.01.1997.)

Interessant ist die Beobachtung, dass gerade Länder mit einer gesteuerten Zuwanderung durch entsprechende gesetzliche Grundlagen in Form von "Einwanderungsgesetzen" (USA, Großbritannien) über eher günstige Arbeitsmarktdaten verfügen. Offensichtlich existiert also zwischen Zuwanderung und Arbeitslosigkeit nicht zwangsläufig ein notwendiger Zusammenhang, wie er an den Stammtischen immer wieder behauptet wird. Arbeitsmarktpolitisch sinnvoll (das zeigen die Beispiele USA/GB) ist die gesteuerte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften, die in der Lage sind, strukturelle Engpässe des heimischen Arbeitsmarktes auszugleichen, während Deutschland die Begrenzung und Auswahl ausländischer Arbeitskräfte mit dem falschen Instrument des Asylrechts angeht, das - wegen des nicht vorhandenen Einwanderungsgesetzes - als oft zur einzigen Zutrittsmöglichkeit für die viel geschmähten "Wirtschaftsflüchtlinge" wird.

Auch die immer wieder behauptete Belastung der sozialen Sicherungssysteme durch Immigranten lässt sich empirisch widerlegen: So errechnete das RWI einen Überschuss der öffentlichen Kassen durch die Zuwanderung in Höhe von 41 Mrd. DM in den Jahren (1988-1991); den Ausgaben für Zuwanderer von 16 Mrd. DM (Sprachkurse, Sozialhilfe etc.) standen Einnahmen von 57 Mrd. DM durch Steuern und Sozialabgaben, Mehrbeschäftigung etc. gegenüber. Besonders deutlich ist der positive Effekt der Immigration in der Rentenversicherung: Die günstige Altersstruktur der Immigrantenfamilien und ihr Kinderreichtum tragen ganz entscheidend dazu bei, das bestehende Ungleichgewicht zwischen deutschen Beitragsempfängern und -zahlern in der gesetzlichen Rentenversicherung (der sog. "Altenquotient") wenigstens zu mindern. Während dieser Quotient bei den Deutschen 1987 38% betrug (und bis zum Jahr 2030 nach gegenwärtigen Vorausberechnungen auf 73% steigen könnte), betrug der entsprechende Wert für Ausländer nur bei 6,3%, allerdings auch hier mit steigender Tendenz.


 


"Ausländer sind krimineller als Deutsche"

Beträchtliche Teile der bundesdeutschen Bevölkerung neigen dazu, in der Zuwanderung nach Deutschland eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sehen. Insgesamt 40% der Befragten in der ALLBUS-Studie 1996 stimmten der Aussage "Ausländer begehen häufiger Straftaten als Deutsche" zu (Skalenwerte 5-7).

Diese also offensichtlich weit verbreitete Annahme lässt sich durch einen Blick auf die amtliche Kriminalstatistik zunächst bestätigen: So war etwa 1999 etwa jeder vierte von der Polizei ermittelte Tatverdächtige ein Ausländer (26,6%).

Das Bild ändert sich jedoch, wenn einige grundsätzliche Aspekte in die Betrachtung einbezogen werden:

a) die Statistik erfasst nicht nur Tatverdächtige mit festem Wohnsitz in Deutschland, sondern auch Touristen, so dass der Anteil der in Deutschland lebenden Tatverdächtigen deutlich niedriger liegt;

b) alle Aussagen der Kriminalstatistik beziehen sich eben nur auf Tatverdächtige, nicht auf Verurteilte, wobei statistisch einwandfrei erwiesen ist, dass Ausländer wesentlich schneller verhaftet werden als Deutsche;

c) die Kriminalstatistik erfasst auch Straftaten, die nur von Ausländern begangen werden können - zu diesen ausländerspezifischen Straftaten zählen z. B. Verstöße gegen das Ausländergesetz und das Asylverfahrensgesetz (1999: 29,7%);

d) unter der ausländischen Bevölkerungsgruppe in Deutschland gibt es einen großen Anteil an jungen Männern ohne abgeschlossene Ausbildung, die in oft schlechten sozialen Verhältnissen leben und arbeiten, was auch unter Deutschen die Kriminalität begünstigt.

Alles in allem kann man festhalten, dass unter der ausländischen Wohnbevölkerung in Deutschland in vergleichbaren Milieus die Kriminalität nicht höher als bei Deutschen ist. Auch das Bundesministerium des Inneren bilanziert:
"Aussagen über die von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland ausgehende Kriminalität unterliegen vielfältigen Bewertungsproblemen und sind daher nur mit Einschränkungen möglich. [...] Insgesamt ist festzuhalten, dass der überwiegende Teil der bei uns lebenden Ausländer sich rechtstreu verhält."

Zahlen nach: Polizeiliche Kriminalstatistik 1999 (Bundesrepublik Deutschland) des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden. http://www.bka.de/pks/pks1999/index2.html (download vom 26.03.2001)


 

 

 

 

 
 

www.projekt-wahlen2002.de und www.forschen-mit-grafstat.de sind Projekte
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Projektkoordination: Tilman Ernst und des Teams von
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unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sander, Andrea Meschede und Ansgar Heskamp.

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