Fremdenfeindlichkeit
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 Sachanalyse
 
 
 
 
 
 
 
 


 Geschichte der Ausländer in Deutschland (nach 1945)
 

Willkommene Gastarbeiter

 Medien
 
 

Als am 10. September 1964 auf dem Bahnhof von Köln-Deutz der millionste Ausländer mit einem großen Festakt begrüßt wurde und dieses Foto um die Welt ging, herrschte in der Bundesrepublik ein politischer Konsens, dass es sich bei den Zugewanderten um 'Gastarbeiter' handelte - einerseits erwünscht als Hilfskräfte in Wirtschaftszweigen, denen es an Arbeitskräften mangelte, andererseits aber eben 'Gäste' ohne familiäre Anbindung, die man jederzeit wegschicken konnte, wenn man sie nicht mehr brauchte und von denen man im gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik eigentlich möglichst wenig sehen wollte.

Die Gastarbeiter waren - so die Idealvorstellung - 'anwesende Abwesende'. Der Vorstellung folgend, dass es hier um einen zeitlich befristeten Aufenthalt ging. So erklärte etwa 1973 Hans Filbinger, damals Ministerpräsident von Baden-Württemberg: 'Und da sind wir der Auffassung, das beste System mit den Gastarbeitern besteht darin, und zwar im beiderseitigen Interesse, dass nach einiger Zeit, vielleicht nach drei Jahren, die Gastarbeiter wieder nach Hause zurückkehren zu ihren Familien und, sofern sie die Familien dabei haben, sie mit nach Hause nehmen und dass sie dann ersetzt werden durch neue und junge Gastarbeiter, die dann zu uns kommen.' (Zitiert nach: Daniel Cohn-Bendit/Thomas Schmid, Heimat Babylon. Das Wagnis der multikulturellen Demokratie, Hamburg 1993, S. 160.) Eine ähnliche Praxis ist in der Schweiz anzutreffen. Man gab sich keine besondere Mühe, die 'Gastarbeiter' in die deutsche Gesellschaft zu integrieren - vielmehr entstanden komplett ausländische Wohnsiedlungen (wenn man die ausländischen Arbeitnehmer nicht in Baracken unterbrachte) als Inseln am äußersten Rand der deutschen Gesellschaft.

Als die Bundesregierung dann 1973 im Zeichen der ersten Ölkrise und einer in die Krise geratenen Konjunktur einen generellen Anwerbestopp für Ausländer erließ (der wegen der in den EG-Verträgen vorgesehenen Freizügigkeitsklauseln allerdings nur für Nicht-EG-Ausländer gelten konnte) erließ, änderte sich die Lage grundlegend: Ausländische Arbeitnehmer, vor die Entscheidung gestellt, entweder dauerhaft ohne die Chance auf Rückkehr in die BRD in das Heimatland zurückzukehren oder aber in Deutschland dauerhaft heimisch zu werden, entschieden sich massiv für die letztere Option und zogen ihre Familien nach. Während die Zahl der ausländischen Beschäftigen nach 1973 sank, stieg dafür die Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung kontinuierlich: von 3,9 Millionen im Jahr 1973 auf 5,8 Millionen im Jahr 1991. Aus den 'auf Zeit' geladenen 'Gästen' waren Menschen geworden, die ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt in Deutschland hatten und deren Kinder hier geboren wurden - Kinder, die Deutsch sprechen wie ihre Klassenkameraden und die in der Heimat ihrer Eltern genauso als Fremde gelten wie hier in Deutschland.

Weitere Informationen zum Thema 'Willkommene Gastarbeiter' finden Sie bei den Unterrichtsmaterialien im Baustein 4: Ausländische Arbeitnehmer in Deutschland - Hintergründe .


Das alte Staatsbürgerschaftsrecht

In der Politik wurde dieser grundlegende Wandel vom Arbeitsmigranten zum "ausländischen Mitbürger" kaum wahrgenommen; auch bei Menschen, die seit über dreißig Jahren in Deutschland wohnten, sprach (und spricht) man weiterhin vom "Gastarbeitern". Unter "Integration" verstand man einseitig "Assimilation", d.h. die weitgehende Anpassung an die Lebensweise der deutschen Bevölkerungsmehrheit, auch unter Verzicht auf die eigene kulturelle Identität, war aber auf der anderen Seite nicht bereit, dieser Gruppe die völlige rechtliche Gleichberechtigung durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu ermöglichen.

Dieser rechtlichen Integration der ausländischen Bevölkerung durch die Verleihung von politischen Rechten über das reine Aufenthaltsrecht hinaus standen nicht zuletzt völkische Tendenzen in der deutschen Gesetzgebung entgegen, die entscheidende (Bürger-) Rechte auf das "deutsche Volk" begrenzt und die Staatsangehörigkeit nach dem Reichsstaatsangehörigkeitsgesetz von 1913 immer noch primär durch das Kriterium der Geburt durch zumindest einen deutschen Elternteil determiniert (Fortgeltung des "ius sanguinis" - Recht des Blutes - anstatt des "ius soli", des Territorialprinzips). Zum Staatsbürgerrecht von 1913 bemerkte Heribert Prantl am 04.02.1993 in der Süddeutschen Zeitung: "Der völkische Ungeist, der zwei Jahrzehnte später in die Katastrophe führte - er ist also im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht aus dem Jahr 1913 schon angelegt. Dieser Ungeist, im Dritten Reich zum Staatskult erhoben, hat [...] bis heute überlebt."

Einbürgerungen waren - vor dem Hintergrund der erwünschten ethnischen Homogenität des Staatsvolkes - eine Seltenheit und wurden deshalb entsprechend erschwert. Schon hatte im November 1981 hatte die Bundesregierung festgestellt: "Es besteht Einigkeit, dass die Bundesrepublik Deutschland kein Einwanderungsland ist und auch nicht werden soll. Das Kabinett ist sich einig, dass für alle Ausländer außerhalb der EG ein weiterer Zuzug unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten verhindert werden soll." (Zitiert nach: BMI (Hrsg.), Aufzeichnung zur Ausländerpolitik und zum Ausländerrecht in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1993, S. 4.) Bei der überwiegenden Mehrzahl der vollzogenen Einbürgerungen handelt es ich um eine sog. "Ermessenseinbürgerung", die nur gewährt wird, wenn der Neubürger einen "wertvollen und erwünschten Bevölkerungszuwachs" darstellt. Das Reichsstaatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 und die Einbürgerungsrichtlinien von 1977 erwarteten darüber hinaus vom potentiellen "Neubürger"

a) "die freiwillige und dauerhafte Hinwendung zu Deutschland" und das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes, was fast immer mit der Aufgabe der alten Staatsbürgerschaft verbunden ist,

b) das Beherrschen der deutschen Sprache in Wort und Schrift,

c) eine "einwandfreie Lebensführung", also strafrechtliche Unbescholtenheit,

d) eine günstige Sozialprognose, d.h. der Aspirant muss in der Lage sein, sich und seine Familie durch eigene Arbeit ausreichend versorgen zu können und

e) schließlich den Ausschluss der Gefährdung der deutschen Volksgesundheit durch ein evtl. Vorliegen ansteckender Krankheiten, wozu u. U. auch ein AIDS-Test gehören kann. (Vgl. Claus Leggewie, multikulti. Spielregeln für die Vielvölkerrepublik, Berlin 1993, S. 122-125)

Die Zahl der Einbürgerungen blieb vor dem Hintergrund dieser hochgesetzten Hürden (und mit dem Einverständnis großer Teile der bundesdeutschen Bevölkerung) dann auch insgesamt recht gering, Heiner Geißler hat das bundesdeutsche Ausländerrecht deshalb als "Fremdenabwehrrecht" bezeichnet.

Als die rot-grüne Bundesregierung nach der Bundestagswahl 1998 an die Änderung des Staatsbürgerrechts machte, hatte dies zum Teil heftige und emotional geführte Diskussionen zur Folge, insbesondere die sogenannte "Doppelte Staatsbürgerschaft" erhitzte die Gemüter.


 


Das neue Staatsbürgerschaftsrecht

 Medien
 
 
 

Am 15. Juli 1999 hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts beschlossen. Das neue Staatsangehörigkeitsrecht ist nach integrationspolitischen Zielen ausgerichtet und beinhaltet europäische Standards.

Nach dem neuen Gesetz gelten nun folgende Rechte und Pflichten:

Geburtsrecht:

Seit 1. Januar 2000 werden auch Kinder ausländischer Mitbürger mit Geburt Deutsche, wenn sie in Deutschland geboren sind und ein Elternteil seit mindestens acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat. Haben diese Kinder noch einen zweiten Pass, müssen sie sich nach Erreichen der Volljährigkeit für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Tun sie dies nicht, verlieren sie den deutschen Pass.

Anspruchseinbürgerung:

Anträge auf Einbürgerung kann stellen, wer seit acht Jahren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Zeiten der Duldung werden nicht mitgezählt), sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt und sich nicht verfassungsfeindlich betätigt, außerdem seinen Lebensunterhalt ohne Sozial- und Arbeitslosenhilfe bestreitet. Trotz Arbeitslosigkeit können Bewerber Anträge auf Einbürgerung stellen, wenn sie jünger sind als 23 Jahre, oder wenn sie ihren Arbeitsplatz aus gesundheitlichen oder betriebsbedingten Gründen verloren haben (der Passbewerber muss sich aber auch dann intensiv um eine neue Beschäftigung bemüht haben). Weitere Voraussetzungen für die Einbürgerung: Die Bewerber sind nicht wegen einer Straftat verurteilt (ausgenommen sind Bagatelldelikte) und verfügen über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse.

Mehrstaatigkeit:

Mehrere Staatsangehörigkeiten können in einigen Fällen hingenommen werden. Zum Beispiel bei älteren Personen, wenn die Entlassung aus der anderen Staatsangehörigkeit auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt, bei hohen Entlassungsgebühren, politisch Verfolgten und anerkannten Flüchtlingen, außerdem bei erheblichen Nachteilen wirtschaftlicher und vermögensrechtlicher Art.

Ermessenseinbürgerung:

Auch hier gelten acht Jahre Mindestaufenthalt in Deutschland als Voraussetzung. Ausnahmen gibt es aber nach wie vor für Sportler und Künstler. Die Bundesregierung schätzt, dass nach dem neuen Gesetz etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden 7,3 Millionen Ausländer eingebürgert werden kann.

Weitere Informationen zum neuen Staatsbürgerrecht finden Sie bei den Unterrichtsmaterialien im
Baustein 11: Das neue Staatsbürgerrecht .


 


"Green-Card": neue "Gastarbeiter"?

 Medien
 
 
 

Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte im Frühjahr 2000 die "Green-Card" für eine Anwerbung von IT-Fachkräften aus dem Ausland vor und startete damit eine neue Phase der politischen Diskussion um eine Zuwanderungspolitik für die Bundesrepublik. Im Gegensatz zu bisherigen Diskussionen wurde nun offen über "Deutschland als Einwanderungsland" diskutiert.
(siehe auch: Lösungsansätze - Politische Ebene in der Sachanalyse)

Der Begriff "Green-Card" bedeutet dem US-amerikanischen Vorbilddort nach die legale und unbefristete Einreise in die USA und ist dort das "große Los für Einwanderungswillige" (Cornelia Schmalz-Jacobsen: Ausländer rein. Deutsche Green-Cards und verfehlte Einwanderungspolitik, in: Süddeutsche Zeitung vom 27. Februar 2000). Die deutsche Green-Card erlaubt dagegen nur eine auf fünf Jahre befristete Einreise- und Arbeitserlaubnis für auslände IT-Fachkräfte.

Vor allem im Vorfeld der im Mai 2000 anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen entbrannte unter dem Schlagwort "Kinder statt Inder" eine heftige Debatte um die geplante Green-Card-Verordnung der Bundesregierung. "Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer" hatte CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers gefordert und machte somit die Inder zum Symbol für eine neue "Gastarbeitergeneration".

Von August 2000 bis zum Stichtag Anfang Februar 2001 wurden insgesamt 5.121 Green-Cards ausgestellt, übrigens nur 997 davon an Arbeitskräfte aus Indien. Mit 1.378 Green-Card-Inhabern hat Bayern übrigens am meisten von der neuen Regelung profitiert, es folgen Hessen (1.002), Baden-Württemberg (953) und NRW (717). (siehe auch M 08.05a, M 08.05b)

Befürworter der Regelung lobten die längst überfällige Migrationspolitik gerade in der Zukunftsbranche der Informations- und Kommunikationstechnologien. Kritiker warnten vor Lohndumping, forderten eine verbesserte Bildungspolitik für neue Technologien und verwiesen auf das Heer der arbeitslosen Deutschen. (vgl. hierzu: Marieluise Beck: Ihr Inderlein kommet. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 1/2001. Download unter: http://www.blaetter.de/ vom 13.03.2001)

Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen ist die Mehrheit der Deutschen - auch in der CDU/CSU - für eine Erleichterung des Zuzugs von ausländischen Arbeitskräften, wenn diese in Deutschland gebraucht werden (siehe Grafik rechts). Wenn auch die Diskussion um die Green-Card die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Regelung von Zuwanderung nach Deutschland deutlich gemacht hat, so hat sie auch die gefährliche Diskussion um "nützliche" und "unerwünschte" Einwanderer wiederbelebt. Gerade bei der Betrachtung der Ursachen von Fremdenfeindlichkeit in Deutschland kann nur davor gewarnt werden, von politischer Seite die realitätsfremde Furcht vor Ausländern, die uns "ausnützen" hoffähig zu machen.

Weitere Informationen zum Thema "Green-Card" finden Sie bei den Unterrichtsmaterialien vor allem im Baustein 8: Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte - Chance für Ausländer? .


 

 

 

 

 
 

www.projekt-wahlen2002.de und www.forschen-mit-grafstat.de sind Projekte
der Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de Koordinierungsstelle Medienpädagogik/Fachbereich Multimedia
Projektkoordination: Tilman Ernst und des Teams von
www.pbnetz.de an der Universität Münster
unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sander, Andrea Meschede und Ansgar Heskamp.

Bundeszentrale für politische Bildung

Die Inhalte des Internetangebotes "projekt-wahlen2002.de" stehen auch als
kombiniertes Print- und CD-ROM Produkt mit dem Titel
"Wahlanalyse und Wahlprognose 2002. Die Bundestagswahl im Unterricht" zur Verfügung.
Ansprechpartner: Koordinierungsstelle Didaktik,Franz Kiefer.
Best.Nr.: 2.414, EUR 1,50

Das Gesamtprojekt "Forschen mit Grafstat" - einschliesslich des Bausteines "Wahlanalyse und Wahlprognose"
ist auch als CD-ROM verfügbar. Best.Nr.: 1.580, EUR1,50
Bestellen unter www.bpb.de , "Lieferbare Publikationen","Bestellen"