Zeitungsanalyse
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
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 Analysekriterien für eine kritische Zeitungsanalyse
 

Komposition einer Zeitung

Um Tageszeitungen vor dem Hintergrund quantitativ analysieren zu können, dass die redaktionelle Bevorzugung einer Partei oder Person nicht offensichtlich läuft und deshalb nur schwer nachzuweisen ist, bedarf es Untersuchungskriterien, die einen Einblick in die Komposition einer Zeitungsseite beziehungsweise einer ganzen Zeitung ermöglichen. So erfüllen verschiedene Seiten einer Tageszeitung verschiedene Funktionen und ziehen die Aufmerksamkeit in unterschiedlichem Maße auf sich. Das gleiche gilt dann für die Stellung eines Artikels auf einer bestimmten Seite. Dabei übernimmt die Aufmachung eine Wertung der Artikel und schafft dadurch für den Leser, der aus dem Informationsangebot einer Zeitung eine reduzierte Auswahl zu treffen hat, eine verlässliche Übersichtlichkeit. Gleichzeitig dient die Aufmachung einer ersten Seite durch Blickfang unter Umständen noch als Garant für den Erfolg im Straßenverkauf, denn 'neben der Stoffauswahl entscheidet auch die Stoffaufmachung ('Layout') über den Erfolg der Zeitung.' (Dovifat 1976, S. 132f).

Der Leser ist auf die Anordnung des Stoffes in seiner Lokalzeitung fixiert, er hat in der Regel eine bestimmte Strategie, das jeweilige Exemplar zu bearbeiten. Dabei widmet er sich den jeweiligen Seiten verschieden stark. Eine herausragende Funktion kommt der Titelseite einer Tageszeitung zu, auch wenn es sich nicht um eine Boulevardzeitung handelt. Die erste Seite gilt als Blickfang und Türöffner, der mit Hilfe von Fotos und prägnant formulierten Überschriften entscheidet, ob das Interesse des potentiellen Lesers gewonnen werden kann. (Vgl. Zeitung machen. Anstoss. Handbuch für die Arbeit vor Ort. Hrsg. vom Vorstand der SPD, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Bonn, o. J., S. 24). Hier finden sich die Themen oberster Priorität. Die herausragende Stellung der ersten Seite einer Tageszeitung ist nicht unproblematisch, weil der Journalist wie der Leser zu dem Gedanken verleitet werden könnte, der Rest einer Zeitung sei unwichtig oder zumindest weniger wichtig. Aus dieser Einsicht zogen einige Tageszeitungen die Konsequenz, wichtige Artikel auf der ersten Seite nur beginnen zu lassen, auf der zweiten Seite dann aber fortzusetzen beziehungsweise auf der ersten Seite in Form eines unvollständigen Inhaltsverzeichnisses auf weitere wichtige Themen hinzuweisen, die sich dann im Innenteil finden. (Vgl. Groth 1960-1972).


Platzierung von Artikeln

Nicht nur weil auf der ersten Seite begonnene Artikel häufig auf der zweiten Seite fortgesetzt werden, sondern auch wegen der oftmals dort angesiedelten Kommentare zu einem auf der Titelseite dargestellten Thema gilt die zweite Seite als verlängerter Arm der Titelseite. Der dritten Seite wird ebenfalls eine besondere Position nachgesagt, weil sie in der Regel noch zum Einstieg der Zeitung gehört und der Blick des Lesers nach dem ersten Umblättern zwangsläufig auf sie fällt. (Vgl. Zeitung machen. Anstoss. Handbuch für die Arbeit vor Ort. Hrsg. vom Vorstand der SPD, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Bonn, o. J., S. 26). Diese Erkenntnisse über den Aufbau der gesamten Zeitung sind analog auch auf die Lokalseiten, die Zeitung in der Zeitung, anzuwenden. Auch hier fällt zuerst die erste Lokalseite ins Auge, die über die Top-Informationen verfügt. Die Bedeutung der einzelnen Seiten einer Tageszeitung kann regional variieren. Beispielsweise kommt der letzten Seite bei manchem Presseorgan eine besondere Bedeutung zu (Den 'Spiegel' liest man von hinten.), während dieser Platz bei einem konkurrierenden Blatt ggf. nur durch Werbung genutzt wird. Für eine quantitative Inhaltsanalyse sind solche Differenzen unbedingt beachtenswert, damit ein Erhebungsbogen erstellt werden kann, der auf die spezifische Situation vor Ort abgestimmt ist.

Daneben ist auch die Plazierung einer Nachricht innerhalb einer Seite von Interesse, denn der Leser schaut auf bestimmte Seitenteile zuerst: 'Es ist Tatsache, dass manche Stellen der Seite dem Leser mit dem, was sie zu sagen haben, ganz unmittelbar ins Auge leuchten, andere Stellen zurücktreten (...). Psychologische Erhebungen (...) haben ergeben, dass bei Aufteilung der Seite in vier Felder das Auge den Blick ins Feld rechts oben zuerst und am häufigsten hinlenkt (sogenannter 'Optical Point', der 'blickhäufigste Punkt').' (Dovifat 1976, S. 138). Die Aufteilung des menschlichen Blickfangs auf den oberen und unteren Seitenteil geschieht nach dieser Untersuchung im Verhältnis 61:39. Ist diese Studie inzwischen auch durch Illustrationen und lebendige Anzeigen auf den einzelnen Zeitungsseiten zu relativieren, gilt ihre Grundaussage weiterhin.


Kennzeichnung von Artikeln

Ein weiteres Untersuchungskriterium für eine quantitative Inhaltsanalyse ist noch die Kennzeichnung eines Textes durch Verfassername oder –kürzel. Beides ist in der Regel ein Verweis darauf, dass es sich hierbei um einen Text aus der Redaktion handelt. Dem stehen Agenturtexte mit dem jeweiligen Kürzel der Agentur und von Organisationen wie Parteien oder Privatpersonen eingereichte Texte gegenüber. Letztere sind nicht gekennzeichnet und erlauben einen Rückschluss darauf, wie intensiv eine Gruppierung, hier also die lokale Partei A oder B, mit eigenen Darstellungen berücksichtigt wird.

Eine daneben anzusiedelnde Untersuchung der Textsorte des jeweiligen Artikels ist nur schwer möglich. Hier müsste man der quantitativen Inhaltsanalyse eine qualitative vorausschicken, was im Rahmen des vorliegenden Projektes allein aus zeitlichen Gründen unmöglich erscheint. Zu differenzieren wäre, ob es sich eher um informierende Textgattungen wie eine Nachricht als Kurzmeldung beziehungsweise Bericht, eine Reportage vielleicht ein Interview oder eher um meinungsäußernde Textformen wie den Kommentar, die Glosse, eine Kritik respektive Rezension oder doch um der Unterhaltung dienende Formen wie den Zeitungsroman, die Kurzgeschichte, Satire, Anekdote usw. handelt. Häufig sind die Grenzen fließend, eine eindeutige Zuordnung wird unmöglich.

 

 

 

 
 

www.projekt-wahlen2002.de und www.forschen-mit-grafstat.de sind Projekte
der Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de Koordinierungsstelle Medienpädagogik/Fachbereich Multimedia
Projektkoordination: Tilman Ernst und des Teams von
www.pbnetz.de an der Universität Münster
unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sander, Andrea Meschede und Ansgar Heskamp.

Bundeszentrale für politische Bildung

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