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Januar
Deutschland übernimmt für halbes Jahr den EU-Ratsvorsitz: wichtigste
Aufgaben sind Verhandlungen über die Reform der Agenda 2000 und einen Beschäftigungspakt.
Turnusmäßig übernimmt jeder der 15 Mitgliedsstaaten den Vorsitz im EU-Rat.
Wichtige politische Themen der deutschen Ratspräsidentschaft waren vor allem
der Kosovo-Konflikt und der Nato-Einsatz. Dringendes Ziel war, eine Lösung
aus dem Krieg zu finden. Die Regierung Schröder stand vor der Herausforderung,
die Europäische Union auf einen gemeinsamen außenpolitischen Kurs zu bringen.
Angesichts innenpolitischer Schwierigkeiten, die gesamte EU-Kommission unter
Jaques Santer trat aufgrund von Korruptionsvorwürfen zurück, war dies kein leichtes
Unterfangen. Während der Kosovo-Krieg und die deutsche Beteiligung in Deutschland
kontrovers diskutiert wurden, wurde der außenpolitische Kurs der Schröder-Regierung
im Ausland überwiegend positiv beurteilt. Die diplomatischen Bemühungen der
deutschen Ratspräsidentschaft und insbesondere von Außenminister Fischer trugen
erheblich zu einer Friedenslösung im Kosovo bei.
Auch eine Lösung aus der hauseigenen Krise in der EU-Kommission fand sich unter
der deutschen Ratspräsidentschaft. Mit Romano Prodi, dem ehemaligen italienischen
Ministerpräsidenten, fand Schröder einen geeigneten Nachfolger für Santer.
Bundesinnenminister Schily legt den Entwurf zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht
vor. Die hessische CDU startet eine Unterschriftenkampagne im Ladtagswahlkampf
gegen die doppelte Staatsbürgerschaft (Doppelpass). Der Streit um die sogenannte
'doppelte Staatsbürgerschaft' oder den 'Doppelpass' währt in Deutschland schon
seit einigen Jahren. Kerngedanke eines reformierten Staatsbürgerrechtes soll
sein, dass nicht mehr die Nationalität der Eltern, sondern der Ort der Geburt
eines Kindes ausschlaggebend sein für die Staatsbürgerschaft. So sollen in Deutschland
geborene Kinder ausländischer Eltern einen doppelten Pass erhalten und zwar
mit der Staatsbürgerschaft der Eltern und der deutschen Staatsbürgerschaft.
Voraussetzung dabei ist allerdings, dass mindestens ein Elternteil dauerhaft
in Deutschland lebt. Bis zum 23. Lebensjahr müssen sich die Doppepassinhaber
dann entscheiden, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit oder die ihrer Eltern
annehmen möchten. Die Einbürgerung soll vereinfacht werden durch eine Senkung
des Mindestaufenthaltes in Deutschland von 15 auf 8 Jahre. Während die CDU vor
allem im Hessener Wahlkampf eine Kampagne gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes
startete, sprachen sich abgesehen von den Regierungsparteien SPD und Grüne auch
große Teile der FDP für ein neues Staatsbürgerschaftsrecht aus. Die Kontroverse
um den 'Doppelpass' steht in engem Zusammenhang mit der Frage der Migrationspolitik.
Viele Fachleute belegen schon seit Jahren, dass Deutschland de facto ein Einwanderungsland
ist und u.a. aufgrund jahrelanger rückläufiger Geburtenraten auf Einwanderer
angewiesen ist.
Finanzminister Lafontaine legt den Entwurf des Bundeshaushaltes 1999
vor mit einer vorgesehenen Neuverschuldung von 56,2 Milliarden DM. Unterdessen
beginnen die Energie-Konsens-Gespräche im Kanzleramt: Schröder setzt sich über
Koalitionsabsprachen und Umweltminister Jürgen Trittin hinweg, der einen Wiederaufarbeitungsstopp
forderte.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 30.1.1999:
CDU/CSU 39%, SPD 41%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, Rep/DVU/NPD 3%, Sonstige 2%
Februar
Schwere Niederlage für Rot-Grün in Hessen: Die CDU kann mit der Unterschriftenkampagne
gegen den 'Doppelpass' erfolgreich Wähler mobilisieren und gewinnt dazu, die
Grünen verlieren mehr als 4 Prozent. Rot-Grün wird durch eine CDU-FDP-Koalition
unter Roland Koch abgelöst.
Im November wird die CDU-Parteispendenaffäre in Hessen aufgedeckt. Ministerpräsident
Koch gerät ins Zentrum der Kritik, Gelder auf Schwarzkonten geleitet zu haben
und mit den Geldern den Wahlkampf manipuliert zu haben. Das Wahlprüfungsgericht
entscheidet im März 2000, dass die Wahl noch einmal überprüft werden müsse.
Die Ergebnisse im Einzelnen: CDU 43,4 %, SPD 39,4, Grüne 7,2 %, FDP 5,1 %, Sonstige
4,1 %. Bei der Bundestagswahl hatte die SPD mit 41,6 % noch klar die Nase vor
der CDU mit 34,7 %.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 27.2.1999:
CDU/CSU 41%, SPD 40%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, PDS 4%, Rep/DVU/NPD 3%, Sonstige
1%
März
Agenda 2000: Schröder zahlt für Europa weit mehr als gefordert.
Die Bundeswehr beteiligt sich mit Luftangriffen am Kosovo-Einsatz.
Heftige Kontroversen entbrennen, zumal es kein UN-Mandat gibt. Außerdem sieht
das Grundgesetz für die Bundeswehr nur den Verteidigungsfall vor. Seit Anfang
1998 mündet der Konflikt zwischen den Serben Restjugoslawiens und den Kosovaren
in offenen Feindseligkeiten. Als der jugoslawische Präsident, Slobodan Milosevic,
trotz wiederholter Nato-Drohungen die Vertreibung der Kosovo-Albaner fortsetzt
und am 23. März ein letzter Versuch der Friedensbemühungen scheiterte, beginnt
die Nato mit Luftangriffen auf Serbien. Deutsche Soldaten beteiligen sich mit
Tornado-Flugzeugen an der Luftaufklärung. Im Laufe der Kampfhandlungen werden
laut serbischen Angaben allein zwischen dem 12. und 23. April 1999 23 Menschen
getötet. Die Nato spricht von 'Kollateralschäden', das soll heissen, es handele
sich um unbeabsichtigte Schäden. In Deutschland gab es heftigtse Auseinandersetzungen
über die Beteiligung der Bundeswehr in den Kriegseinsätzen, die parteiübergreifend
geführt wurden. Das Grundgesetz erlaubt keinen Angriffskrieg von deutschem Boden
aus, sondern sieht nur den Verteidigungsfall vor. Einsätze im Rahmen eines Auftrages
der Vereinten Nationen dürfen erfolgen, aber nur mit Zustimmung der einfachen
Mehrheit des Bundestages. Ein UN-Mandat lag aber in diesem Falle nicht vor.
Die Befürworter hingegen verwiesen auf die zahllosen Opfer der serbischen Verfolgung
und argumentierten, der Krieg sei eine moralische Pflicht, um den Kosovaren
zu helfen.
Am 11.3.1999 tritt Oskar Lafontaine, offenbar nach schweren innerparteilichen
Auseinandersetzungen, von allen Ämtern zurück. Führt er anfangs persönliche
Gründe für seinen Rücktritt an, so gibt er zwei Tage später zu, dass
es in der Regierungskoalition Auseinandersetzungen gegeben hat. So begründet
Lafontaine seine Entscheidung u.a. mit dem 'schlechten Mannschaftsspiel' seiner
Regierung. Mannschaftsspiel verlange, dass man Rücksicht aufeinander nehme und
zueinander stehe, auch in der Öffentlichkeit, und dass Teamgeist die Regierungsarbeit
bestimme. Lafontaine wirft Schröder u.a. vor, Vereinbarungen nicht gehalten
zu haben (Landesparteitag in Schiffweiler am 9. April). Als ein Beispiel für
die schlechte Kooperation in der Regierung nannte Lafontaine die Debatte um
die geplante Steuerreform. Obwohl der Mittelstand um mehr als 5 Milliarden DM
entlastet werde, diskutiere man darüber, ob man eine gute Wirtschaftspolitik
mache. Die Grünen-Vorsitzende Radcke bestätigte die Kritik Lafontaines am mangelden
Teamgeist in der Regierungszusammenarbeit. Auch der parteilose Wirtschaftsminister
Müller bemängelte vor allem, dass die Außenwirkung der Zusammenarbeit nicht
gerade begeisterungsfähig gewesen sei. Für die Lust am Spiel (in Anspielung
auf Lafontaines Kritik) sei auch entscheidend, ob das, was in der Mannschaftskabine
besprochen werde, am nächsten Tag in der Zeitung stehen müsse. Die Reaktionen
auf Lafontaines Rücktritt sind im In- und Ausland sehr zwiespältig: Vor allem
sozialdemokratische Amtskollegen im europäische Ausland sprachen ihr Bedauern
über den Rücktritt aus und warnten vor Schaden für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.
Lafontaine ist entschiedener Europapolitiker; vor allem die deutsch-französische
Freundschaft und Zusammenarbeit hatte seine Arbeit über Jahre mitbestimmt. Die
britische Regierung machte dagegen keinen Hehl aus ihrer Erleichterung: Ein
Sprecher des britischen Premierministers Tony Blair erklärte, es habe bei einigen
europäischen Themen Differenzen mit Oskar Lafontaine gegeben. Die Wirtschaft
und die Börsianer reagierten mit Erleichterung und Euphorie auf den Rücktritt
Lafontaines. So schoss der DAX (Deutscher Aktien-Index) auf die Meldung hin
um über 6% in die Höhe. Lafontaine wurde als 'Buhmann' von Wirtschaftsvertreter
für die Zurückhaltung ausländischer Investoren am Finanzplatz Deutschland verantwortlich
gemacht. Auch unter deutschen Politikern sind die Reaktionen zwiespältig. Während
etwa Bundesinnenminister Schily den Rücktritt Lafontaines sehr bedauert und
dessen Verdienste würdigt 'für mich ist das ein Ereignis, von dem man nicht
einfach zur Tagesordnung übergehen kann. [...], konstatiert der FDP-Politiker
Guido Westerwelle eine 'handfeste Regierungskrise'. Gerade in Gewerkschaftskreisen
genießt Lafontaine auch nach seinem Rücktritt weiterhin viel Sympathie. Der
Wirtschaftskurs der Schröder-Regierung und insbesondere das Schröder-Blair-Papier
wird überwiegend kritisch beurteilt. Viele Gewerkschafter befürchten, dass mit
dem Abgang Lafontaines eine politische Zäsur stattfindet und der Einfluss der
Gewerkschaften auf die Gestaltung des Sozialstaates schwinden wird.
Die gesamte Europäische Kommission tritt aufgrund schwerer Korruptionsvorwürfe
am späten Abend des 16. März vor Ablauf ihrer Amtszeit zurück. Zuvor hat ein
vom Europäischen Parlament eingesetzter 'Ausschuss der Weisen' den Brüsseler
Verwaltungschefs schwere Verfehlungen vorgeworfen. In dem Expertenbericht wird
der Kommission politisches Versagen in der Bekämpfung von Vetternwirtschaft
und Korruption vorgeworfen. Edith Cresson, die Kommissarin für Wissenschaft
und Forschung und ehemals französische Premierministerin, steht im Mittelpunkt
der Kritik. Aber auch deutsche Kommissionsmitglieder kommen schlecht weg, darunter
die Kommissarin Monika Wulf-Mathies, der Unregelmäßigkeiten bei der Einstellung
von Mitarbeitern vorgeworfen werden. Der Kommissionspräsident Jaques Santer
weist die Vorwürfe der Expertenkommission entschieden zurück, nimmt aber mit
dem Rücktritt der gesamten Kommission die politische Verantwortung. Bereits
elf Tage nach dem spektakulären Rücktritt wird beim Berliner EU-Gipfel am 27.
März Romano Prodi als neuer Kommissionspräsident nominiert.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 27.3.1999:
CDU/CSU 43%, SPD 36%, Grüne/B‘90 7%, FDP 5%, PDS 6%, Rep/DVU/NPD 2%, Sonstige
1%
April
Schwere Niederlage für Rot-Grün in Hessen: Die CDU kann mit der Unterschriftenkampagne
gegen den 'Doppelpass' erfolgreich Wähler mobilisieren und gewinnt dazu, die
Grünen verlieren mehr als 4 Prozent. Rot-Grün wird durch eine CDU-FDP-Koalition
unter Roland Koch abgelöst.
Im November wird die CDU-Parteispendenaffäre in Hessen aufgedeckt. Ministerpräsident
Koch gerät ins Zentrum der Kritik, Gelder auf Schwarzkonten geleitet zu haben
und mit den Geldern den Wahlkampf manipuliert zu haben. Das Wahlprüfungsgericht
entscheidet im März 2000, dass die Wahl noch einmal überprüft werden müsse.
Die Ergebnisse im Einzelnen: CDU 43,4 %, SPD 39,4, Grüne 7,2 %, FDP 5,1 %, Sonstige
4,1 %. Bei der Bundestagswahl hatte die SPD mit 41,6 % noch klar die Nase vor
der CDU mit 34,7 %.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 27.2.1999:
CDU/CSU 41%, SPD 40%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, PDS 4%, Rep/DVU/NPD 3%, Sonstige
1%
Mai
Der ehemalige Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Johannes Rau,
wird zum Bundespräsidenten gewählt. Er löst damit Roman Herzog ab und
wird der achte Bundespräsident der BRD. Johannes Rau erhält im zweiten Wahlgang
690 von 670 zur absoluten Mehrheit erforderlichen Stimmen. Beim ersten Wahlgang
hatte er die erforderliche Mehrheit um 13 Stimmen verpasst. Im zweiten Wahlgang
konnte Rau viele Stimmen der FDP auf sich verbuchen, die im ersten Wahlgang
noch gegen ihn votiert hatten. Nachdem sich vor allem viele nordrhein-westfälische
Liberale für Rau ausgesprochen hatten, gab die FDP-Spitze das Abstimmungsverhalten
im zweiten Wahlgang frei. Durchsetzen konnte sich Rau u.a. gegen die CDU-Kandidatin
Dagmar Schipanski, die 572 Stimmen auf sich vereinen konnte. Die von der PDS
aufgestellte Kandidatin, Uta Ranke-Heinemann, erhielt 62 Stimmen, 8 Mitglieder
der Bundesversammlung enthielten sich, eine Stimme war ungültig. Raus Maxime
bei Amtsantritt: 'versöhnen statt spalten'. Er wolle 'der Bundespräsident aller
Deutschen' sowie der hier lebenden Ausländer sein.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 29.5.1999: CDU/CSU 43%, SPD
36%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, PDS 6%, Rep/DVU/NPD 2%, Sonstige 1%
Juni
Am 3. Juni 1999 billigt die serbische Führung einen Friedensplan der westlichen
Industriestaaten und Russlands. Wichtige Forderungen sind der Rückzug der serbischen
Einheiten aus dem Kosovo, die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe
unter Beteiligung der NATO sowie die sichere Rückkehr der Flüchtlinge. Entsprechend
dem Plan wird das Kosovo in vier Zonen aufgeteilt, in die KFOR-Friedenstruppen
einziehen. Einen Sektor überwacht die Bundeswehr. Ziel der Bemühungen ist es,
im Kosovo den Frieden zu sichern und wieder eine rechtsstaatliche Verwaltung
zu etablieren.
Bei der Europa-Wahl sinkt die Wahlbeteiligung in Deutschland auf 45
%.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 26.6.1999:
CDU/CSU 45%, SPD 33%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, PDS 6%, Rep/DVU/NPD 3%, Sonstige
2%
Juli
In der 'Sommerpause' zieht die Regierung von Bonn nach Berlin. Nach
dem historischen Umzugsbeschluss nach Vollendung der Einheit am 20. Juli 1991
tagt der Bundestag am 1. Juli letztmalig in seiner alten Heimat Bonn. Die ehemalige
Hauptstadt der BRD, Bonn, sollte immer nur provisorischen Charakter haben. Der
Umzug erforderte hohe logistische und organisatorische Aufwendungen. So mussten
32 000 Kubikmeter an Möbeln, Akten und Gerät transportiert werden, darunter
allein 46 000 Bücherkartons und 38 000 laufende Meter an Akten. Wiederholt wurde
Kritik an den gewaltigen Bauvorhaben des Bundes geäußert. So sollen viele Subunternehmer
illegale Arbeitskräfte aus dem benachbarten Ausland und Irland eingesetzt haben.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 31.7.1999:
CDU/CSU 45%, SPD 33%, Grüne/B‘90 7%, FDP 5%, PDS 6%, Rep/DVU/NPD 3%, Sonstige
1%
August
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis,
stirbt im Alter von 72 Jahren. 1992 hat er das Amt von Heinz Galinsky übernommen.
Er lässt sich in Israel beisetzen, aus Angst, dass sein Grab, wie das seines
Vorgängers, von Rechtsradikalen geschändet würde.
Die Debatte um die Ladenöffnungszeiten wird neu belebt, da durch eine
gesetzliche Grauzone bedingt viele ostdeutsche Städte die Läden auch sonntags
öffnen.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 28.8.1999:
CDU/CSU 47%, SPD 32%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, PDS 6%, Rep/DVU/NPD 2%, Sonstige
1%
September
Bei Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg, im Saarland und in Thüringen
verbucht die SPD starke Stimmenverluste. So wählen nur 10,7 % der Wähler Sachsens
etwa die SPD. Die PDS kann doppelt so viele Stimmen auf sich vereinen. In den
neuen Ländern etabliert sich ein Drei-Parteien-System aus CDU, SPD und PDS.
Die Grünen und die FDP scheitern überwiegend an der 5-Prozent-Hürde.
Die Bundesregierung nimmt am 1. September offiziell ihre Arbeit
in Berlin auf; die erste Sondersitzung des Bundestages im neuen Reichstag
findet am 7. September statt.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 25.9.1999:
CDU/CSU 48%, SPD 31%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, PDS 7%, Rep/DVU/NPD 2%, Sonstige
1%
Oktober
In der Koalition entflammt ein heftiger Streit über die geplante Lieferung
von Leopard II.-Testpanzern in die Türkei. Der Bundessicherheitsrat hatte
sich zuvor mit drei gegen zwei Stimmen für die Lieferung entschieden. Zunächst
soll ein Testpanzer in die Türkei entsandt werden. Zwei Jahre später sollen
die Deutschen dann 1000 Leopard II an die Türkei liefern. Heftigen Widerstand
gegen diese Pläne gibt es sowohl bei den Grünen, als auch bei der SPD selber.
Außenminister Josef Fischer spricht sich entschieden gegen die Panzerlieferungen
aus. Bundeskanzler Schröder hingegen betont, er verstehe die Haltung, aus dem
Bauch heraus jegliche Waffenlieferungen abzulehnen, da sie für Krieg und Gewalt
genutzt würden. Die Bundesregierung müsse aber ihren Bündnispflichten gegenüber
dem NATO-Partner Türkei nachkommen. Der Grüne Rezzo Schlauch warnte Schröder
in einen Zeitungsinterview, weiterhin sich so über den kleineren Koalitionspartner
hinwegzusetzen. Regierungssprecher Bela Anda wies Spekulationen um eine Regierungskrise
zurück. Der Zustand der Bundesregierung sei gut, dennoch nehme die 'Bundesregierung
die Situation ernst'.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 30.10.1999:
CDU/CSU 49%, SPD 30%, Grüne/B‘90 5%, FDP 5%, PDS 8%, Rep/DVU/NPD 2%, Sonstige
1%
November
Beginn der CDU-Spendenaffäre: Der frühere CDU-Schatzmeister Walther
Leisler-Kiep wird wegen des Verdachts verhaftet, er habe 1991 eine Million Mark
erhalten und nicht versteuert. Heiner Geißler, ehemaliger Generalsekretär der
CDU, räumt ein, die Partei habe in der Ära Kohl 'schwarze Konten' geführt.
Bei der SPD belastet die sogenannte Flugaffäre in NRW das politische
Klima und das Vertrauen der Wähler in die Politiker. Im Mittelpunkt der Affäre
steht die Frage, ob und wie oft NRW-Landespolitiker, so vor allem der ehemalige
Ministerpräsident Rau und der ehemalige Finanzminister Schleusser, die Flugbereitschaft
der Westdeutschen Landesbank (WestLB) für private Zwecke genutzt haben. Den
Stein ins Rollen brachte das Magazin 'Focus' mit einem Beitrag am 27. November
mit einem Bericht über Urlaubsflüge Schleussers mit Charterjets der WestLB.
Im Dezember 1999 setzt der NRW-Landtag einstimmig einen Untersuchungsausschuss
ein, der die Flüge von Rau, Schleusser und anderen SPD-Politikern prüfen soll.
Am 26. Januar 2000 tritt der nordrhein-westfälische Finanzminister Schleusser
aufgrund der Vorwürfe von allen Ämtern zurück. Rau räumt unterdessen Fehler
in seiner Zeit als NRW-Ministerpräsident ein. Mehr Distanz in seinem Verhältnis
zur WestLB wäre besser gewesen. 'Ich gehe nach wie vor davon aus, dass das rechtlich
in Ordnung war, aber aus heutiger Sicht würde ich trotzdem nicht noch einmal
so handeln'. Zuvor gab Rau zu, Flüge auch mehrfach zur Wahrnehmung von Parteiterminen
in Anspruch genommen zu haben.
Kanzler Gerhard Schröder rettet den angeschlagenen Holzmann-Konzern
vor der Pleite. 50000 Arbeitsplätze im Konzern und bei Zulieferern waren gefährdet.
Der Eingriff von Seiten der Regierung wurde in Wirtschaftskreisen heftig kritisiert
- die Boulevardpresse jubelte 'Danke, Kanzler'.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 27.11.1999:
CDU/CSU 48%, SPD 31%, Grüne/B‘90 5%, FDP 4%, PDS 7%, Rep/DVU/NPD 3%, Sonstige
2%
Dezember
Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl bestätigt, in den 90er Jahren
1,5 - 2 Millionen Mark Spenden an den Büchern der Partei vorbeigeschleust zu
haben, weigert sich aber, die Namen der Spender zu nennen. Generalsekretärin
Angela Merkel fordert die CDU in einem offenen Brief auf, sich von Kohl zu lösen.
In Russland tritt überraschend der Präsident Boris Jelzin zurück und
macht das Amt frei für Vladimir Putin.
Umfrageergebnisse der Sonntagsfrage (Infratest-dimap) vom 24.12.1999:
CDU/CSU 43%, SPD 35%, Grüne/B‘90 6%, FDP 5%, PDS 7%, Rep/DVU/NPD 3%, Sonstige
1%
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