Didaktische Hinweise
Das Rollenspiel ist eine Methode, bei der die Lebenswirklichkeit mit spielerischem
Agieren verbunden wird. Alltagssituationen, Probleme oder Konflikte werden im
Rollenspiel nachempfunden oder vorausschauend bearbeitet. Ziel dieser Methode
ist es, Einstellungen und Verhaltensweisen zu verdeutlichen und Ansatzpunkte
für Veränderungen aufzuzeigen. Somit können Rollenspiele die Schüler schulen,
ihre soziale Umwelt wahrzunehmen und zu beobachten. Das Nachempfinden der Realität
befähigt die Schüler, Konflikte darzustellen und zu analysieren. Darüber hinaus
können sie eigene Verhaltensweisen bewusst erleben und neue Verhaltensweisen
einüben.
Aus unterrichtspraktischer Sicht ist die Unterscheidung zwischen spontanem
und angeleitetem Rollenspiel wichtig. Bei spontanen Rollenspielen werden Spielsituationen
aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der Schüler/innen aufgegriffen.
Hierzu zählen beispielsweise Konflikte in der Familie und Probleme in der
Schule. Sofern der Unterricht auf Verhaltenstraining, Stärkung der Handlungskompetenz
oder soziales Lernen im Zusammenhang mit der Lebenswelt der Jugendlichen abzielt,
empfiehlt sich das spontane Rollenspiel. Da die nachzustellende Situation den
Beteiligten aus dem Alltag bekannt ist, bedarf diese Art des Rollenspiels außer
einer kurzen Einstimmung keiner größeren Vorbereitung. Den Schülern/
Schülerinnen ist nur eine Rahmenhandlung vorzugeben, während der Spielablauf
und die Ausgestaltung der Rollen flexibel bleiben. Die Bezeichnung "spontanes
Rollenspiel" leitet sich nicht davon ab, dass die Schüler/innen von
sich aus zu agieren beginnen, sondern sie bezieht sich auf die rasche Umsetzung
der Spielidee in den Unterrichtsverlauf.
Im Gegensatz zum spontanen Rollenspiel steht das angeleitete Rollenspiel. Bei
dieser Art werden Situationen oder Probleme bearbeitet, die nicht aus der Erfahrungswelt
der Schüler stammen, sondern zukünftige Lebenssituationen vorgreifen, andere
Lebensbereiche simulieren oder sich auf geschichtliche Vorgänge beziehen. Angeleitete
Rollenspiele bedürfen der Aufbereitung durch die Lehrkraft und müssen im Unterricht
vor- und nachbereitet werden. Informationsmaterial, Rollenkarten mit Hinweisen
für die Spieler sowie Aufgaben zur Generalisierung und zum Transfer kennzeichnen
die angeleiteten Rollenspiele.
Lösungsvorschlag zum Rollenspiel "Wahlverhalten bestimmter Bevölkerungsgruppen"
Da hier Lebensbereiche simuliert werden, die über die Alltagserfahrungen
von Schülern/ Schülerinnen hinausführen, empfiehlt sich der Einsatz
des angeleiteten Rollenspiels.
Folgende Rollen sind vorgesehen:
- die ältere Frau
- der gewerkschaftlich orientierte Arbeiter
- der selbständige Kaufmann und
- der umweltbewusste Student.
Organisation und Verlauf des Rollenspiels
Vorbereitungsphase:
- Die Klasse wird über die Ausgangssituation informiert. Hierzu dient das
Arbeitsblatt.
- Die Gruppen erhalten die Informationen über die jeweiligen Rollen.
- Die Gruppen entscheiden, für welche Partei die von ihnen dargestellte Person
stimmen wird. Hierbei ist es wichtig, dass die Schüler/innen die Entscheidung
aus Sicht der jeweiligen Rolle sachlich begründen können und sich die Argumente
für das Spiel zurechtlegen. (Zur Entscheidungshilfe empfiehlt sich der Einsatz
von Parteiinhalten).
- Die einzelnen Gruppen wählen eine/n Spieler/in aus.
Spielphase:
- Während die Darsteller agieren, beobachten die übrigen Schüler/innen das
Spiel und notieren sich stichwortartig sowohl die Wahlentscheidungen als auch
die Begründungen.
- Als Lehrkraft sollte möglichst nicht in den Spielverlauf eingreifen. Humor
sollte zugelassen werden, jedoch keine Albernheiten.
- Sofern an der Schule eine entsprechende Ausstattung vorhanden ist, kann
das Rollenspiel auf Video aufgezeichnet werden. Zum einen können so die Spieler/innen
ihr Agieren beobachten, zum anderen kann die Aufzeichnung in der Auswertungsphase
eingesetzt werden.
Auswertungsphase:
- Die Spieler/innen bekommen die Gelegenheit, sich über die Aufführung, ihre
Rolle und ihre Empfindungen zu äußern.
- Die Beobachter äußern sich zum Spielverlauf. Hat sie z.B. eine Wahlentscheidung
überrascht?
- Die ganze Klasse diskutiert über die einzelnen Wahlentscheidungen und die
jeweiligen Begründungen. Die jeweiligen Wahlentscheidungen mit den wichtigsten
Begründungen werden festgehalten.
- In der folgenden Stunde mit dem Thema Wahlverhalten in verschiedenen Bevölkerungsgruppen
werden die Ergebnisse aufgegriffen und mit Erkenntnissen der Wahlforschung
verglichen.
Mögliche Schwierigkeiten bei Rollenspielen
Da bei allen Formen von Rollenspielen zum Teil die gleichen Schwierigkeiten
auftreten können, werden die nun folgenden möglichen Schwierigkeiten allgemein
formuliert.
- Für die Vorbereitungsphase wird zu wenig Zeit eingeplant. Die Schüler/innen
arbeiten unter Zeitdruck.
- Die Rollen knüpfen nicht an die Lebenssituationen der Schüler an. Als Folge
kann die Aufführung gezwungen wirken.
- Die Spielleitung greift stark steuernd in den Spielverlauf ein.
- Verursacht durch die Angst sich zu bloßzustellen bzw. sich zu blamieren,
haben die Schauspieler/innen während der Aufführung Hemmungen. (Speziell dieser
Schwierigkeit kann entgegengewirkt werden, indem die Rollen in Kleingruppen
ausgearbeitet werden, die dann aus der Gruppe den Schauspieler auswählen und
indem Rollenspiele regelmäßig eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang besonders
wichtig ist, dass die Aufführung sachbezogen beurteilt wird.)
Einsatzmöglichkeiten
Die Aufgabe, sich in eine Person gedanklich hineinzuversetzen und aus deren
Perspektive zu einer sachlich begründeten Wahlentscheidung zu gelangen, eignet
sich ab der Jahrgangsstufe 10.
Zu Beginn des Bausteins haben die Schüler/innen das Wahlverhalten in bestimmten
Bevölkerungsgruppen kennen gelernt. Im weiteren Verlauf werden sich die Schüler/innen
mit der Frage beschäftigen, welche Faktoren das Wählerverhalten beeinflussen.
Somit dient der Einsatz des Rollenspiels in dieser Phase zum einen zur Sicherung
des zuvor Erarbeiteten, da hier Vertreter unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen
beispielhaft dargestellt werden. Zum anderen dient es als Vorbereitung auf den
folgenden Inhalt (z.B. Erstellen einer Wahlprognose). Dies insofern, als die
Schüler/innen eine Wahlentscheidung aus der Rollenperspektive treffen und somit
Faktoren ableiten können, die ihre Wahlentscheidung bestimmt haben.
Für den Einsatz dieser Methode sind zwei Stunden anzusetzen. Ein weiteres Rollenspiel
befindet sich auf der CD-ROM in der Unterrichtsreihe im Baustein
6.2: Wahlkampf als politische Aufklärung: Alternative zu Schlammschlachten?
Literatur
Günther Gugel, Methoden-Manual II: >>Neues Lernen<< Tausend neue Praxisvorschläge
für Schule und Lehrerbildung, Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1998, S. 87
- 90 (Rollenspiele).
Udo Kliebisch u. Peter Schmitz, Methodentrainer. Arbeitsbuch für die Sekundarstufe
I Gesellschaftswissenschaften, Cornelsen Verlag, Berlin, 2001, S. 57 - 61.
Peter Massing, Handlungsorientierter Politikunterricht. Ausgewählte Methoden.
Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts., 1998, S. 13 - 25.
Heinz-Ulrich Wolf, Aktives Lernen. Handlungsorientierung im gesellschaftlichen
Lernbereich der Sekundarstufe I, Verlag Ludwig Auer, Donauwörth, 1994, S. 87
- 93.