Didaktische Hinweise
"Die Pro-Contra-Debatte ist eine hoch formalisierte, an strengen Regeln orientierte
Methode für den Politikunterricht, die vor allem einen Beitrag zur rationalen
politischen Urteilsbildung leisten soll. Ihre Grundlage ist die klassische Form
der Debatte in der Tradition der angelsächsischen Debating Clubs. Ihr besonderes
Arrangement und ihre Verlaufsform hat sich jedoch weitgehend aus dem Fernsehen
übernommen. Debatten unterscheiden sich von Unterrichtsgesprächen und von Diskussionen
im Unterricht. Im Unterrichtsgespräch geht es vor allem um die Beantwortung
von Fragen, um die Problematisierung von Sachverhalten, um das reflexive Nachdenken
über das Thema. Im Unterrichtsgespräch soll die Vertrautheit mit dem Gegenstand
erst hergestellt werden. Die Diskussion dagegen setzt diese Vertrautheit schon
voraus, denn im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung. (...) Diskussionen
sind in der Regel offen und müssen zeitlich nicht begrenzt sein.
Die Debatte ist dagegen strenger geregelt. Sie ist zeitlich befristet und kann
als eine formal und methodisch zugespitzte Diskussion (...) gelten. In der Debatte
geht es darum, unterschiedliche Positionen klar herauszuarbeiten, gegensätzliche
Meinungen zu äußern, zu vertreten und zu begründen, sie vergleichend gegenüberzustellen
und durch eine Abstimmung eine formale Entscheidung herbeizuführen. Sie hat
einen eindeutigen Zweck: Es geht darum, Mehrheiten für alternative Vorschläge
oder Positionen zu gewinnen. Insofern eignet sich diese Methode auch in besonderer
Weise für politisches Lernen. Zwar sollte in der Debatte das "bessere" Argument
ausschlaggebend sein, aber auch instrumentell-strategisches Denken und taktische
Überlegungen sind legitime Mittel.
Obgleich jede Debatte in eine Entscheidung durch Abstimmung mündet, ist
nicht die Entscheidung das zentrale Element, sondern deren Begründung sowie
die Analyse der Argumente usw., die das Entscheidungsverhalten beeinflusst haben.
Auf diese Weise kann die Debatte einen Beitrag zur politischen Urteilsbildung
leisten. (...) In der Debatte werden die zum Teil rationalen, zum Teil aber
auch emotionalen Gründe als Urteilskriterien bewusst gemacht und mit anderen,
ebenfalls rationalen oder emotionalen Urteilskriterien konfrontiert. (...) Sinn
der Debatte im Politikunterricht ist es, Schüler mit möglichst vielen
Begründungen vertraut zu machen, mit denen Urteile gerechtfertigt werden
können, um zu zeigen, dass sie sich im Dialog erörtern lassen. Über
diesen inhaltlichen Aspekt hinaus können Schüler lernen, genau zuzuhören,
abzuwarten, Aussagen der Gesprächspartner präzise widerzugeben, sie
zu kommentieren, Gegenthesen zu formulieren oder stützende Argumente zu
finden. Auf der kommunikativen Ebene ist die Debatte eine gute Übung für
die Praxis politischen Redens."
Peter Massing, Pro-Contra-Debatte, in: Mickel 1999, S. 403
- 407.
Aufgrund der Komplexität und Verregelung dieser Methode ist sie frühestens
ab Klasse 10 geeignet.
Lösung (Ablauf der Debatte)
- Eröffnung
- Abstimmung des Publikums vor der Debatte
- Plädoyer
- Kurze Zwischenbesprechung
- Erwiderung
- Fragerunde des Publikums
- Abstimmung des Publikums nach der Debatte
- Auswertungsgespräch
Einsatzmöglichkeiten
"Es ist (...) sinnvoll, sie in der letzten Phase einer Unterrichtseinheit
einzusetzen, denn sie bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung. Die Schüler
müssen vorher das Problem analysiert, unterschiedliche Positionen herausgearbeitet,
sich eine eigene Meinung gebildet, ein vorläufiges Urteil gefällt
haben; erst dann können die Begründungen für die Urteile in einer
Debatte verhandelt werden."
Massing, a.a.O, S. 404.
Themenwahl:
Wichtig ist es, ein echtes Pro-Contra-Thema auszuwählen, d.h. es muss eine Ja-Nein-Antwort
zulassen. Das hier vorliegende Thema "Wählen schon ab 16?", das eine Herabsetzung
des Wahlalters für die Bundestagswahl zur Diskussion anbietet, eignet sich für
eine Debatte in hohem Maße. Die vorliegenden Materialien M0215 bis M0218 reichen
für die Durchführung einer Debatte aus, können aber auch durch selbständig recherchiertes
Material der Schüler/innen ergänzt werden. Wichtig ist eine gründliche inhaltliche
Vorbereitung, d.h. alle Schüler/innen sollten alle Texte kennen.
Von einer arbeitsteiligen Erarbeitung der Pro-Contra-Texte ist abzuraten, da
die Urteilsbildung dadurch schon im Vorfeld durch die einseitige Rezeption der
Texte beeinflusst würde.
Die Rollen der Beteiligten:
- Der Moderator/ die Moderatorin führt die Abstimmungen durch und achtet darauf,
dass die Spielregeln eingehalten werden.
- Die Pro-Contra-Gruppen wählen jeweils ein oder zwei Sprecher/innen. Diese
müssen die Argumente dem Plenum vorstellen und in der Runde der Erwiderung
auf die Argumente der Gegenseite eingehen. Wichtig ist hier, dass der Moderator/
die Moderatorin darauf achtet, dass die Redner/innen nicht in direktem Streitgespräch
stehen, sondern dass die Argumente nacheinander vorgetragen werden. Diese
Formalisierung dient zur Disziplinierung der Redner/innen und erleichtert
es dem Plenum auf die Stichhaltigkeit der Argumente zu achten. Gleichzeitig
erhöht es den simulativen Charakter der Debatte. Sie funktioniert wie eine
echte Bundestagsdebatte.
- Zuschauer: Sie fungieren als Adressaten der Debattierenden und entscheiden
durch ihre Abstimmung über die Überzeugungskraft der Argumente und Redner.
Es ist wichtig, dies den Schülern/ Schülerinnen vorher klar zu machen. Wird
die Debatte des öfteren eingesetzt, sollte man darauf achten, jeweils andere
Schüler/innen für die Pro-Contra-Gruppen zu nehmen, damit auch die stilleren
eine Chance bekommen.
Auswertung der Debatte:
Ansatzpunkt ist der Vergleich der Abstimmungsergebnisse. Wer hat seine Meinung
geändert und warum? Wer ist bei seiner Meinung geblieben und warum? Waren die
Argumente überzeugend oder lag es vielleicht an der Art und Weise, wie sie vorgetragen
wurden. Vertiefend kann die Frage nach den Werthaltungen hinter den Argumenten
sein sowie die Frage nach der Verallgemeinerungsfähigkeit der Argumente. Was
wäre, wenn alle so handelten? Ließe sich aus deiner Meinung ein allgemeines
Gesetz formulieren?
Literatur
Wolfgang W. Mickel (Hrsg. ), Handbuch zur politischen Bildung, Schriftenreihe
der Bundeszentrale für politische Bildung Band 358, Bonn 1999.