Wahlanalyse
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 Sachinformationen
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


 Parteien in Deutschland
 

Rolle und Funktion der Parteien

Definition

Eine klassisch zu nennende Definition von Partei, die das Denken der Sozialwissenschaftler bis heute stark beeinflusst hat, stammt von Max Weber: 'Parteien sollen heißen auf (formal) freier Werbung beruhende Vergesellschaftungen mit dem Zweck, ihren Leitern innerhalb ihres Verbandes Macht und ihren aktiven Teilnehmern dadurch (ideele und materielle) Chancen der Durchsetzung von sachlichen Zielen oder der Erlangung von persönlichen Vorteilen (oder beides) zuzuwenden.' (zit. nach THRÄNHARDT/UPPENDAHL 1982, S. 15)


Rechtliche Grundlagen

Politische Parteien nehmen in westlichen Demokratien eine zentrale Rolle ein. So wird in der Bundesrepublik die Funktion der Parteien in Artikel 21 Abs. 1. S. 1 GG bestimmt, in dem es heißt: 'Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.' Das Grundgesetz räumt den Parteien damit verfassungsrechtlichen Status ein. (zum staatsrechtlichen Aspekt des deutschen Parteienwesens vgl. KATZ 1993) Im Parteiengesetz wird dieser Auftrag präzisiert und näher definiert, was eine Partei ist: 'Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein.' (§ 2 Abs. 1 PartG)

 

KATZ 1993: A. Katz: Staatsrecht. Grundkurs im öffentlichen Recht, 11., überarb. Aufl., München 1993, S. 132-146.
THRÄNHARDT/UPPENDAHL 1982: D. Thränhardt/H. Uppendahl: Politische Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Entwicklung und Kritik, Stuttgart 1982.

Aufgaben der Parteien

Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die zentrale Rolle der Parteien als integrierenden Bestandteil der demokratischen Ordnung bestätigt. Folgende vier Aufgaben mit gesetzlicher Grundlage lassen sich feststellen:

  • Mitwirkung an politischer Willensbildung:

Die Parteien nehmen Einfluss auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung und wirken 'an der politischen Willensbildung des Volkes vornehmlich durch ihre Beteiligung an den Wahlen mit, die ohne die Parteien nicht durchgeführt werden könnten'. (BVerfGE, 20, 56, 101) Sie vertreten das Volk im Deutschen Bundestag, in den Landtagen und in den Gemeinden. Sie haben bei der Kandidatenauswahl ein Monopol.

  • Parteien als Mittler zwischen Bürger und Staat:

Die Parteien sollen die politische Beteiligung der Bürger gewährleisten und die Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen herstellen: 'Sie sind darüber hinaus Bindeglieder zwischen den einzelnen und dem Staat, Instrumente, durch die der Bürgerwille auch zwischen den Wahlen verwirklicht werden kann, ‘Sprachrohr des Volkes’. Sie stellen, sofern sie die Regierung stützen, die Verbindung zwischen Volk und politischer Führung her und erhalten sie aufrecht. Als Parteien der Minderheit bilden sie die politische Opposition und machen sie wirksam.' (BVerfGE, 20, 56, 101) Der Politologe H. Oberreuter sieht in der Präsenz im Parlament eine der wichtigsten Aufgaben der Parteien. Der Willensbildungsprozess des Volkes finde, da die Parteien Vermittler zwischen Staat und Volk seien, ständig statt. Dieses sei dadurch gewährleistet, dass die Parteien in den gewählten Organen präsent blieben. Sie vermittelten politische Entscheidungen an die Gesellschaft. So komme den Parteien und ihren Mitgliedern im Kommunikationsprozess eine wichtige Bedeutung zu. (Vgl. OBERREUTER 1992, S. 28ff.)

  • Parteien beeinflussen die Regierungsbildung:

Eine große Rolle spielen die Parteien bei der Regierungsbildung, sowie danach bei der Aufrechterhaltung der Regierungsfähigkeit. Sie wirken mit bei der Besetzung staatlicher Ämter durch Personen, die in der Regel führende Repräsentanten der Parteien sind: 'In der modernen Massendemokratie üben die politischen Parteien entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der obersten Staatsämter aus. Sie beeinflussen die Bildung des Staatswillens, indem sie in das System der staatlichen Institutionen und Ämter hineinwirken und zwar insbesondere durch die Einflussnahme auf die Beschlüsse von Parlament und Regierung.' (BVerfGE, 20, 56, 101)

  • Parteien bringen politische Zielvorstellungen ein:

Die Parteien bringen politische Zielvorstellungen in die staatliche Willensbildung ein: 'Sie sammeln die auf die politische Macht und ihre Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen, gleichen sie in sich aus, formen sie und versuchen, ihnen auch im Bereich der staatlichen Willensbildung Geltung zu verschaffen.' (BVerfGE, 20, 56, 101)

 

OBERREUTER 1992: H. Oberreuter: Politische Parteien: Stellung und Funktion im Verfassungssystem der Bundesrepublik, in: A. Mintzel/H. Oberreuter (Hrsg.): Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1992, S. 15-40.

Kritik an der Macht der Parteien

 Medien
 
 
 

Ob die Verfassungsväter des Grundgesetzes den Parteien wirklich die zentrale Rolle zuweisen wollten, die aus dem Parteiengesetz abzuleiten ist und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, kann bezweifelt werden. Kritisch bemerkt z.B. Richard von Weizsäcker: 'Mit dem Parteiengesetz verfügen die Parteien auf dem Umweg über den Gesetzgeber über sich selbst. Von ihren Rechten ist ziemlich eindrucksvoll die Rede, wenn auch der tatsächliche Umfang ihres Einflusses bei weitem nicht erfasst ist. Die festgelegten Pflichten sind dürftig genug und beziehen sich im wesentlichen auf organisatorische Verfahrensfragen.' (WEIZSÄCKER 1992, S. 140.) Die Kritik Weizsäckers löste eine heftige Debatte aus. Während H. J. Vogel und H. Hamm-Brücher die Kritik Weizsäckers begrüßten und in ihr den Anstoss zu einer Diskussion der gegenwärtigen (Parteien-)Situation sahen, gab es vor allem in den Reihen der CDU/CSU heftige Kritik an seinen Thesen. W. Bötsch, Vorsitzender der CSU Landesgruppe im Bundestag, meinte, dass die von Weizsäcker beschriebene Situation weder der historischen Entwicklung, noch der politischen Realität entspreche. (Zur Diskussion vgl. DIE ZEIT, 26.6., 3.7., 10.7., 17.7., 24.7. und 31.7.1992.) Noch umfassender fällt die Kritik an den Parteien beim Verwaltungswissenschaftler von Arnim aus: 'Die Bürger haben keine Möglichkeit, wirklich ihre Meinung kundzutun; sie werden eher entmündigt. An ihre Stelle sind die politischen Parteien getreten, die aber ihre Funktion als Sprachrohre des Volkes nicht erfüllen. Sie wirken nicht an der politischen Willensbildung mit, sondern beherrschen sie weitgehend und unterlaufen die Gewaltenteilung.' (ARMIN 1993, S. 7)

Parteipolitische Interessen beeinflussen in der politischen Praxis oft erfolgreich die 'checks and balances' der unterschiedlichen Verfassungsorgane. In Bundestag und Bundesrat wird in der Regel entlang der parteipolitischen Trennlinien gearbeitet. (vgl. THRÄNHARDT/UPPENDAHL 1982, S. 7.) Parteipolitische Kriterien entscheiden oft über die Besetzung öffentlicher Stellen. H.-H. von Arnim vertritt die Auffassung, eine weitere Tabuisierung der Kritik an demokratischen Parteien in staatsrechtlichen Veröffentlichungen sei 40 Jahre nach Etablierung der Parteien, nicht mehr hinnehmbar. (vgl. ARNIM 1993a)

Parteien gelingt es, durch Personalrekrutierung fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu durchdringen. Dies bemängelt Bernd Guggenberger, wenn er darauf hinweist: 'Längst hinausgewachsen über ihre engeren politisch-parlamentarischen Funktionen, bestimmen die Parteiorganisationen durch die Besetzung von Rundfunk- und Fernsehräten über Personal und Programme der Rundfunkanstalten, über die Ministerialorganisationen in Bund und Ländern, über Spitzenpositionen im Versicherungs-, Banken- und Sparkassenwesen und über Positionen in Vorständen und Aufsichtsräten der größten Industrieunternehmen. Die Parteien sitzen auf allen Ebenen des politischen und ökonomischen, des sozialen und kulturellen Lebens fest im Sattel.' (GUGGENBERGER 1986, S. 128)

Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, ob die Parteien ihre eigentliche (grundgesetzliche) Aufgabe der Mitwirkung bei der Willensbildung des Volkes nicht schon überschritten haben. W. Hennis merkt dazu kritisch an, die Parteien hätten sich 'von der autonomen Willensbildung des Volkes in einer Weise abgekoppelt, dass ihre demokratische Funktion, wenn nicht gefährdet, so in der verschiedensten Weise problematisiert erscheint'. (HENNIS 1983, S. 32)


Dilemma

Im Hinblick auf ihre eigene Handlungsfreiheit kann gerade diese Abgehobenheit gegenüber verschiedenen Interessengruppen für die Parteien sinnvoll sein: 'Eine zu enge Rückbindung der politischen Klasse an die Wählerschaft unterliegt u.U. der Gefahr, langfristige politische Entwürfe auf dem Altar eines tagespolitischen Populismus zu opfern.' (vgl. BEYME 1993, S. 23) Generell verweist von Beyme auf den ambivalenten Charakter der Zunahme der 'Patronage- und Rekrutierungsfunktion der Parteien auf Kosten der Mobilisierungs- und Repräsentationsaufgaben' (ebd., S. 56f.) Vor allem große (Volks-)Parteien befinden sich hier in einem strukturellen Dilemma: Je mehr und je länger ihre Landtags- und Bundestagsabgeordneten die Regierung stellen und es als ihre Aufgabe ansehen, die Regierung zu stützen, umso mehr wird es ihnen ein Anliegen sein, die Entscheidungen der Regierung dem Volk zu verdeutlichen und weniger, den Willen des Volkes zu berücksichtigen. Daher rührt die These: Regierungsparteien laufen Gefahr, 'Kanzlerwählvereine' zu werden. Für die Glaubwürdigkeit von Wahlen ist es wichtig, dass die Parteien ihre zentrale Funktion, nämlich die Berücksichtigung der Interessen der Wähler (Responsivität) und die demokratische Auswahl von Kandidaten, erfüllen. Innerparteiliche Demokratie ist eine wichtige Voraussetzung dafür.

 

ARMIN 1993: H.-H. v. Armin.: Demokratie ohne Volk, München 1993.
ARNIM 1993a: H.-H. v. Armin: Staat ohne Diener. Was schert die Politiker das Wohl des Volkes?, München 1993, insb. Kap. 4: Ämterpatronage: Staat und Verwaltung als Beute der Parteien, S. 128-157.
BEYME 1993: K. von Beyme: Die politische Klasse im Parteienstaat, Frankfurt a. M. 1993.
GUGGENBERGER 1986: B. Guggenberger: ...wirken bei der Willensbildung mit. Mitwirkung oder Monopol der Parteien, in: C. Graf von Krockow/P. Lösche: Parteien in der Krise, München 1986, S. 128.
HENNIS 1983: W. Hennis: Überdehnt und abgekoppelt. An den Grenzen des Parteienstaates, in: C. Graf von Krockow (Hrsg.): Brauchen wir ein neues Parteiensystem?, Frankfurt a. M. 1983, S. 28-46.
THRÄNHARDT/UPPENDAHL 1982: D. Thränhardt/H. Uppendahl: Politische Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Entwicklung und Kritik, Stuttgart 1982.
WEIZSÄCKER 1992: R. von Weizsäcker im Gespräch mit G. Hofmann und W. A. Perger, Frankfurt a. M. 1992, S. 140.

Innerparteiliche Demokratie - Grundlagen

Die Forderung nach innerparteilicher Demokratie hat Verfassungsrang. Artikel 21 GG, Abs.1, Satz 2 lautet: 'Ihre innere Ordnung [die der Parteien, d.A.] muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.' Diese Bestimmung ergibt sich konsequent aus der grundgesetzlichen Bestimmung der Funktion der Parteien in der politischen Ordnung der Bundesrepublik, d.h. aus Art. 21 S. 1 GG 'Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit'. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Parteien den Rang einer 'verfassungsrechtlichen Institution' zugesprochen, woraus notwendig folgt, dass auch innerhalb der Parteien demokratische Grundsätze zu gelten haben. Der oben zitierte Satz 2 des Art. 21 Abs. 1 GG bestätigt diesen Sachverhalt noch einmal. Näher ausgeführt wird die Bestimmung im Parteiengesetz (§§ 6-17 PartG). (vgl. hierzu KATZ 1993, S. 133 f.)

Dies bedeutet konkret zunächst einmal, dass sich die innerparteiliche Willensbildung von unten nach oben, von der Parteibasis zur Parteispitze vollzieht (vgl. etwa BVerfGE, 24, 300, 349). Eine 'Führerpartei', bei der die Mitglieder der Parteiführung unbedingten Gehorsam geloben, ist mit dem Grundgesetz unvereinbar (BverfGE, 2, 1/40). Abhängig von der Größe der jeweiligen Parteien verläuft der Prozess der Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland über mehrere Repräsentations- und Entscheidungsgremien. Die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sind mehrstufig gegliedert in Orts-, Kreis-, Landes- und Bundesebene. Die Kreis-, Landes- und Bundesebene verfügen je über mindestens vier Organe, nämlich über die Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlungen, den Vorstand, einen Parteiausschuss und ein Parteigericht. (vgl. RUDZIO 1977, S. 96 ff.) Darüber hinaus gibt es zahlreiche Arbeitsgruppen, Fachausschüsse, Kommissionen etc., Mitgliederversammlungen und Parteitage treffen alle grundsätzlichen Entscheidungen inhaltlicher wie personeller Art. An mehreren Stellen kann jedoch die innerparteiliche Demokratie unterlaufen oder ausgehöhlt werden.

 

KATZ 1993: A. Katz: Staatsrecht. Grundkurs im öffentlichen Recht, 11., überarb. Aufl., München 1993, S. 132-146.
RUDZIO 1977: W. Rudzio: Die organisierte Demokratie. Parteien und Verbände in der Bundesrepublik, Stuttgart 1977.

Innerparteiliche Demokratie - Gefährdungen

Kandidatenaufstellung

Die Forderung nach innerparteilicher Demokratie ist vor allem hinsichtlich der zentralen Funktion der Parteien, der Kandidatenaufstellung, von großer Bedeutung. Wird gegen die Grundsätze demokratischer Beteiligung verstoßen, z.B. bei der Aufstellung von Kandidaten, ist die Wahl ungültig (siehe z.B. Hamburger Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahre 1993). In der politischen Praxis ist vor allem bei den etablierten Parteien eine Tendenz zur Zentralisierung von politisch relevanten Sach- und Personalentscheidungen feststellbar. Diese resultiert in beträchtlichem Maß aus dem Willen zur Macht und aus der Aufgabenfülle so wie 'Allzuständigkeit', die die Parteien für sich reklamieren.


Ämterhäufung

Der Soziologe R. Michels hatte schon 1911 Oligarchisierungstendenzen in der SPD festgestellt. Jede größere Organisation bringe unvermeidlich eine Führungsschicht hervor. Je mehr sie sich etabliert habe, desto schwieriger sei es, diese Führungsschicht dauerhaft zu kontrollieren. Diese These hat sich nach Auffassung des Parteienforschers K. von Beymes für die Gegenwart 'als übertrieben herausgestellt'. (vgl. MICHELS 1911; BEYME 1993, S. 123 f.) Den typischen 'Parteibürokraten', wie Michels ihn beschreibt, gäbe es nicht mehr. An seine Stelle seien eine Vielzahl verschiedener 'Typen' von Parteifunktionären getreten (z.B. Manager, repräsentative und exekutive Bürokraten, Professionelle). So könne man auch nicht mehr von einer Herrschaft der Parteibürokraten sprechen. Parteien in der Bundesrepublik seien zu heterogen strukturiert. Trotzdem trifft zu, dass die Funktionäre und Mandatsträger in den Parteien einen sehr großen Einfluss haben, vor allem dann, wenn sie sich einig sind. Problematisch im Sinne der innerparteilichen Demokratie sind daher die in der Praxis oft üblichen Ämterhäufungen (typisch: Parteivorsitzender, Bundeskanzler; Minister, MdB, Landesvorsitzender) und die damit verbundene Machtballung.


Unterdrückte Kritik

Die innerparteiliche Demokratie ist auch dann gefährdet, wenn Kontroversen zwischen einzelnen Gruppierungen innerhalb der Parteien nicht öffentlich ausgetragen werden, da die Parteien glauben, dass dies als Schwäche, Unglaubwürdigkeit und mangelnde Einmütigkeit der Partei ausgelegt werden könnte. Die Austragung von Konflikten darf aber nicht soweit gehen, dass sie die Entscheidungsfähigkeit der Parteien blockiert und in der Folge die parlamentarische Arbeit lahmgelegt wird. Kontroversen sind für die politische Diskussion jedoch notwendig und sinnvoll. Voraussetzung dabei ist, dass alle Parteien diese Diskussion zulassen und sie 'nicht mit dem beliebten Ruf nach Geschlossenheit abwürgen'. (vgl. JESSE/BACKES 1990, S. 31) Sowohl in der SPD als auch in der CDU gibt es in jüngster Zeit Bestrebungen, den Parteimitgliedern größere Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben. Ein Beispiel ist etwa die Mitgliederbefragung der SPD vor der Wahl des neuen Parteivorsitzenden.

 

BEYME 1993: K. von Beyme: Die politische Klasse im Parteienstaat, Frankfurt a. M. 1993.
JESSE/BACKES 1990: E. Jesse/U. Backes: Parteiendemokratie, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung, H. 207, Bonn 1990.
MICHELS 1911: R. Michels: Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, Leipzig 1911.

Parteienfinanzierung

 Medien
 
 
 

Einnahmequellen

Die Parteien finanzieren sich hauptsächlich aus drei Einnahmequellen (vgl. -> M 07.19 - M 07.22):

  • aus Mitgliedsbeiträgen (erneut gestiegene Bedeutung durch die Einführung der Bezuschussung jeder eingegangenen Mark aus Mitgliedsbeiträgen mit 50%);
  • aus Spenden (mit den entsprechenden Problemen bei der Frage nach der Unabhängigkeit der Parteien angesichts des von den Spendern erwarteten Wohlverhaltens; allerdings beschränkt die Neufassung des Parteiengesetzes die Abzugsfähigkeit von Spenden an Parteien auf natürliche Personen);
  • aus öffentlichen Mitteln; hierzu zählen nicht allein die unmittelbare Teilfinanzierung in Abhängigkeit von Wahlerfolg und Spendenaufkommen, sondern auch die Zuschüsse des Bundes und der Länder an Parlamentsfraktionen, parteinahe Stiftungen und Jugendorganisationen.

Diese Angaben beziehen sich nur auf die Parteiorganisationen der Bundestagsparteien, nicht auf deren Parlamentsfraktionen und politische Stiftungen. Dazu sind bisher nur Schätzungen möglich. Der Parteienwettbewerb kostete im vereinten Deutschland Mitte der 90er Jahre für alle Ebenen der Parteiorganisationen im Jahresdurchschnitt ca. 710 Mio. DM, für Parteiorganisationen und Parlamentsfraktionen zusammen ca. 910 Mio. DM. Für Parteien, Fraktionen und die Inlandsarbeit der politischen Stiftungen waren insgesamt fast 1,2 Mrd. DM erforderlich. (vgl. NASSMACHER 1997, S. 420) Sowohl die Einnahmen aus der Arbeit der Parlamentsfraktionen, parteinahen Stiftungen als auch die der Jugendorganisationen erscheinen nicht in den Rechenschaftsberichten. Die im Parteienfinanzierungsgesetz vorgesehene Bezuschussung in Höhe von 230 Mio. DM jährlich aus Steuermitteln ist nach Auffassung des Verwaltungsrechtlers H. H. v. Arnim nach wie vor nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, u.a. weil der Verwendungszweck der Mittel nicht hinreichend klar definiert sei und die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenzen unterlaufen werden. (vgl. hierzu: ARNIM 1996) Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht in nächster Zeit sich erneut klärend mit den gesetzlichen Grundlagen der Parteienfinanzierung wird befassen müssen. Vertreter der Parteien werden allerdings nicht ganz zu Unrecht darauf verweisen können, dass die Parteien für die ständig wachsenden Aufgaben und Ansprüche eine solide finanzielle Basis benötigen.


Gesetzliche Regelungen

Das Parteiengesetz regelt die Parteienfinanzierung: 'Der Staat gewährt den Parteien Mittel als Teilfinanzierung der allgemein ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeiten' (§ 18 PartG). Bis zum 31.12.1993 stand allen Parteien, die mindestens 0,5% der gültigen Zweitstimmen erhalten haben, eine pauschale Wahlkampfkostenerstattung in Proportion zur Zahl ihrer Zweitstimmen zu. Dies bedeutete die formelle Bindung der öffentlichen Finanzhilfen an den Wahlkampfzweck. Die Wahlkampfkostenerstattung hat sich in den letzten 25 Jahren von 2,50 DM auf 5,00 DM pro Zweitstimme verdoppelt. (vgl. KALTEFLEITER/NASSMACHER 1992, S. 137) Diese Bindung der öffentlichen Zuwendungen an die Tätigkeit der Parteien als Wahlkampforganisationen ist vielfach kritisiert worden und führte dazu, dass das Bundesverfassungsgericht die bisherige Finanzierungspraxis für verfassungswidrig erklärt hat. ( vgl. das Urteil des BVerfG vom 09.04.92; KALTEFLEITER/NASSMACHER 1992, S. 159.) Öffentliche Mittel dürfen nun nicht mehr nur zum Zwecke der Erstattung der notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes vergeben werden, sondern auch zur Finanzierung der allgemeinen Parteiaufgaben (vgl. OLZOG/LIESE 1992, S. 33f.) In der 'Verfassungswirklichkeit' war diese Wahlkampfkostenerstattung bei allen Parteien längst zu einer Basisfinanzierung der jährlichen Haushalte geworden. Damit betonte das Gericht noch einmal in verstärktem Maße die bedeutende und unterstützungswürdige Rolle der politischen Parteien bei der politischen Willensbildung - auch unabhängig von Wahlkämpfen. Maßstab für die unmittelbare Teilfinanzierung der Parteien aus öffentlichen Mitteln ist der Grad der gesellschaftlichen Verwurzelung einer Partei, der anhand der drei Parameter Wahlerfolg, Spendenaufkommen und Mitgliedsbeiträge ermittelt wird.

Die Parteien müssen jedes Jahr die Herkunft ihrer Mittel öffentlich belegen, unterteilt nach Mitgliedsbeiträgen, Einnahmen aus Vermögen oder sonstigen Quellen, Spenden, Krediten und staatlichen Erstattungsbeiträgen. Der Rechenschaftsbericht wird von einem - von der Partei benannten - Wirtschaftsprüfer kontrolliert. Seit 1984 unterliegen die Parteien einer erweiterten Rechenschaftspflicht. Sie müssen über die Herkunft ihrer finanziellen Mittel hinaus auch über deren Verwendung und über ihr Vermögen Rechenschaft ablegen. Zu dieser Verschärfung kam es, weil die Verfassungs- und Gesetzesnormen vielfach gebrochen wurden, wie eine Vielzahl einschlägiger Affären beweist (Flick-Spendenaffäre). (vgl. LÖSCHE 1985, S. 281)

 

KALTEFLEITER/NASSMACHER 1992: W. Kaltefleiter/K. H. Naßmacher: Probleme der Parteienfinanzierung in Deutschland. Möglichkeiten einer Neuordnung, in: ZfP, 39 (1992) 2, S. 135-160.
LÖSCHE 1985: P. Lösche: Über das Geld in der Politik - Historische und politische Anmerkungen, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 36 (1985) 5.
NASSMACHER 1997: K. H. Naßmacher: Art. 'Parteienfinanzierung', in: U. Andersen/ W. Woyke: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1997, S. 419-423.
OLZOG/LIESE 1992: G. Olzog/H. J. Liese: Die politischen Parteien in Deutschland. Geschichte, Programmatik, Organisation, Personen, Finanzierung, München 1992.

Parteispenden(skandale)

 Medien
 
 
 

In der 'Flick-Spendenaffäre' erhob die Staatsanwaltschaft Bonn 1983 gegen die Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs und - ab 1977 - Otto Graf Lambsdorff Anklage wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung. Das Bundeswirtschafsministerium hatte dem Flick-Konzern Steuerfreiheit für die Wiederanlage von insgesamt 1,5 Mrd. DM aus dem Verkauf von Daimler-Benz Aktien gewährt, während im Gegenzug ca. 510000 DM an Friedrichs und Lambsdorff als Parteispenden geflossen waren. Lambsdorff und Friderichs wurden schließlich wegen Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe dazu zu einer Geldstrafe verurteilt, vom Vorwurf der Bestechlichkeit aber freigesprochen.

Das Verfassungsgerichtsurteil vom 9.4.1992 verlangte vom Gesetzgeber eine Änderung, die mit dem '6. Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes' vom 28.01.1994 vollzogen wurde. Die öffentlichen Zuwendungen dürfen einerseits die Mittel aus Eigeneinnahmen der Parteien (relative Obergrenze) und andererseits einen bestimmten Höchstbetrag von z.Zt. 230 Mio. DM (absolute Obergrenze) nicht übersteigen.

Weiterhin bestimmt das Parteiengesetz:

  • Statt der bisherigen Wahlkampfkostenerstattung von fünf DM je Wahlberechtigten erhalten die Parteien nur noch eine DM pro abgegebener Stimme (1,30 DM für die ersten fünf Millionen Stimmen, degressive Steigerung).
  • Weitere Einnahmen der Parteien aus Spenden und Beiträgen von natürlichen Personen werden mit 50% je Beitrags- und Spendenmark bezuschusst, allerdings nur bis zu einer Spendenhöhe von 6000 DM.
  • Die Höchstgrenze für steuerlich absetzbare Spenden wird auf 6000 DM bei Ledigen und 12000 DM bei Verheirateten begrenzt. Juristische Personen können ihre Spenden nicht mehr steuermindernd einsetzen. Spenden über 20000 DM (früher: 40000 DM) müssen öffentlich gemacht werden.
 

 

 

 
 

www.projekt-wahlen2002.de und www.forschen-mit-grafstat.de
sind Projekte der
Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
Koordinierungsstelle Medienpädagogik/Fachbereich Multimedia
Projektkoordination: Tilman Ernst und des Teams von
www.pbnetz.de an der Universität Münster
unter der Leitung von
Dr. Wolfgang Sander, Andrea Meschede und Ansgar Heskamp.

Bundeszentrale für politische Bildung

Die Inhalte des Internetangebotes "projekt-wahlen2002.de" stehen auch als
kombiniertes Print- und CD-ROM Produkt mit dem Titel
"Wahlanalyse und Wahlprognose 2002. Die Bundestagswahl im Unterricht" zur Verfügung.
Ansprechpartner: Koordinierungsstelle Didaktik, Franz Kiefer.
Best.Nr.: 2.414, EUR 2,00
Bestellen unter www.bpb.de

Das Gesamtprojekt "Forschen mit Grafstat" - einschliesslich des Bausteines "Wahlanalyse und Wahlprognose"
ist auch als CD-ROM verfügbar. Best.Nr.: 1.580, EUR 4,00
Bestellen unter www.bpb.de