Wahlanalyse
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
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 Wahlkampfstrategien
 

Das Wahlprogramm

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In der Regel bestreiten Parteien den Wahlkampf mit einem speziellen Wahlprogramm, welches neben Aussagen des Grundsatzprogramms die wesentlichen Zielvorstellungen für die nächste Wahlperiode enthält. Die Parteien versuchen darin, Lösungsmöglichkeiten für politische Probleme und Absichtserklärungen unterschiedlichster Art zu vermitteln, um möglichst viele Wählergruppen anzusprechen. Solche Wahlprogramme dienen somit zur Orientierung der Wähler und zur Identifikation der Mitglieder. Sie sind Existenzbestätigung und ein Propagandainstrument zugleich.

Nur wenige Wähler unterziehen sich der Mühe, ein komplettes Wahlprogramm zu lesen, um zu einer Wahlentscheidung zu gelangen. Die Parteien berücksichtigen dies, indem sie zu ausgesuchten Programmpunkten und aktuellen politischen Problemen Flugblätter herausgeben, die vor allem im Straßenwahlkampf an die Wähler gebracht werden. Hierbei bieten mobile Informationsstände, aufgestellt in Fußgängerzonen, auf Marktplätzen oder vor Einkaufszentren, die Möglichkeit, mit dem Wähler direkt ins Gespräch zu kommen und dessen Wahlentscheidung durch Überzeugungsarbeit zu beeinflussen. Besonders die Bewerber um ein Direktmandat nutzen den Straßenwahlkampf, um sich den Wählern vorzustellen und durch das persönliche Gespräch ihre Stimmen zu gewinnen.

Häufig unterscheiden sich die propagandistischen Aussagen der Parteien nur wenig voneinander, da die Formulierungen meistens schlagwortartig vereinfacht sind und sich auf aktuelle politische Trendthemen wie Umweltschutz, Verkehrsplanung oder Wirtschafts- und Sozialpolitik beziehen. J. J. Hesse und T. Ellwein stellen zu Recht fest: "Der Wahlkampf erzwingt offenbar ein gewisses Maß an Banalität, die Wahlkampfmittel entsprechen ihm." (HESSE/ELLWEIN 1992, S. 214.) Abgrenzen können sich Parteien (zumal auf lokaler Ebene) vielfach durch Ausschlachtung von Skandalen, wobei die Oppositionsparteien die Mehrheitsparteien angreifen, indem sie ihnen Fehlplanungen, Interessenverfilzung und Mißwirtschaft vorwerfen. Ein beliebtes Werbemittel auf seiten der Mehrheitsparteien sind Wahlversprechen, die oft nach der Wahl aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten wieder in der Versenkung verschwinden. Inwieweit sich die Wähler von solchen Wahlkampfaussagen beeinflussen lassen, ist nur schwer abzuschätzen.

HESSE/ELLWEIN 1992: J. J. Hesse/T. Ellwein: Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Text, 7., völlig neubearb. Aufl., Opladen 1992.

Die Zielgruppenbestimmung

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Der Wahlkampf ist nicht so sehr ein Kampf der Parteien gegeneinander, sondern in erster Linie eine Konkurrenz der Parteien um die Wähler. Die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien dienen dabei der Abgrenzung voneinander. Eine Analyse der Wählerschaft ist deshalb Ausgangspunkt jeder Wahlkampfstrategie. Auf diese Weise versuchen die Parteien, sich darüber Klarheit zu verschaffen, welche Wählergruppen sie durch den Wahlkampf in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen können. Zur Bestimmung dieser Zielgruppen werden die Wähler in relativ homogene Gruppen eingeteilt, zunächst in Wähler und Nichtwähler, dann in Stammwähler, Sympathisanten und Randwähler. (Vgl. WOLF 1985, S. 95.) Die beiden zuletzt genannten Wählergruppen gehören zur Gruppe der Wechselwähler. Sympathisanten sind Wähler, die einer bestimmten Partei näher stehen als anderen, in manchen Situationen aber ins Lager der Nichtwähler abwandern oder ihre Parteipräferenz wechseln könnten. Randwähler sind keiner Partei fest zuzuordnen; sie entscheiden sich bei jeder Wahl neu, was aber nicht immer einen Wechsel der Partei bedeuten muss.

Der sozialstrukturelle Wandel ging in den letzten 20 Jahren einher mit einer starken Verkleinerung der traditionellen Stammwählerschaften von SPD und CDU/CSU. Wolf geht davon aus, dass die beiden großen Parteien eine Stammwählerschaft von etwas mehr als 50% haben, bei den kleineren Parteien macht dieser Anteil nur etwa 15-35% aus. Die übrigen Wähler gehören zum Kreis der Sympathisanten und Randwähler; sie bilden die hauptsächlichen Zielgruppen der Wahlkampfstrategien. Überwiegend kommen sie aus den Lagern der Jungwähler und der Wähler der neuen Mittelschicht, die parteipolitisch wenig festgelegt sind.

Nichtwähler geben bei Befragungen nur ungerne zu, gar nicht zur Wahl zu gehen, geschweige denn, dass sie darüber sprechen wollen, welche Gründe sie zur Wahlenthaltung veranlassen. Nur ein geringer Teil, etwa 5 bis 7% der Wahlberechtigten, sind tatsächlich "Dauernichtwähler". Ihre Motive reichen von grundsätzlichem Desinteresse über allgemeine Unentschlossenheit bis hin zur Abqualifizierung von Wahlen als unwichtig für das eigene Leben. Der überwiegende Teil der Nichtwähler bleibt jedoch nur zeitweise den Wahlen fern. Mögliche Gründe für ihr Verhalten sind: Verärgerung über die eigene Partei, Parteimüdigkeit bei den Anhängern der jeweiligen Bonner Regierungsparteien oder aber Wahlabstinenz als Übergangsschritt zu einem späteren Wechsel der Parteipräferenz. (Zur Typologie der Nichtwähler vgl. ALEMANN 1995, S. 111ff.) Grundsätzlich lässt sich daraus schließen, dass die Mobilisierung der Wähler und die Steigerung der Wahlbeteiligung zentrale Wahlkampfziele aller Parteien sind. (Vgl. HESSE/ELLWEIN 1992, S. 214.)

ALEMANN 1995: U. von Alemann: special: Parteien, Reinbek bei Hamburg 1995.
HESSE/ELLWEIN 1992: J. J. Hesse/T. Ellwein: Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Text, 7., völlig neubearb. Aufl., Opladen 1992.
WOLF 1985: W. Wolf: Wahlkampf und Demokratie, Köln 1985.

Phasen des Wahlkampfs

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Nachdem die Parteien ihre Zielgruppen möglichst genau bestimmt haben, beginnt die eigentliche Wahlkampfplanung. Generell beginnt der neue Wahlkampf bereits am Tag nach der letzten Wahl, denn die parteipolitischen Auseinandersetzungen während der Wahlperiode bilden die natürlichen Themenschwerpunkte des Wahlkampfes, zum einen in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, zum anderen bei der politischen Selbstdarstellung. Die Themen der Auseinandersetzung können von jeder Partei selbst bestimmt werden, doch es ist auch möglich, dass eine Partei dem politischen Gegner Wahlkampfthemen aufzwingt. Der Wahlkampf im engeren Sinne wird eingeteilt in drei Abschnitte: die Vorbereitungsphase, die Vorwahlkampfphase und die Schlussphase (häufig auch als die "heiße Wahlkampfphase" bezeichnet).

In der Vorbereitungsphase wird auf jeder Ebene der Parteien eine politisch-organisatorische Jahresplanung erstellt. Sie umfasst alleorganisatorischen Aufgaben, Parteitage, innerparteiliche Wahlen, Zielgruppengespräche, politische Arbeit des Vorsitzenden und der Führungsgremien, Werbeaktionen und Mitgliedermobilisierung. Als Leitlinie soll dabei immer die politische Ausrichtung des Wahlkampfes alle Aktionen bestimmen.

Die Vorwahlkampfzeit beginnt je nach Art der Wahl mehrere Monate vor dem Wahltermin. Sie ist gekennzeichnet von einer Netzplanung, die alle politischen und organisatorischen Termine und Aktionen koordiniert. Zuständig für die korrekte Ausführung vor Ort ist letztlich eine lokale Wahlkampfleitung, die die Verbindung zwischen den übergeordneten Gremien und den Ortsvereinen an der Basis sichert. Diese Wahlkampfleitung entscheidet über den Finanzrahmen des Wahlkampfes, die Entwürfe für die generelle Werbelinie, Plakatierung, einheitliches Layout der Flugblätter, Wahlkampfzeitung, Wahlslogans etc. Die Wahlkampfführung ist kommerzialisiert und wird mehr oder weniger perfekt nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten organisiert. Die Wahlkampfleitung stellt einen Belegplan für eine Anzeigenkampagne auf und koordiniert den Einsatz des Werbematerials. Die Werbung muss sich inhaltlich an den politischen Grundsätzen einer Partei ausrichten; sie muss aber flexibel genug sein, um neue Aufgaben zu integrieren und auf politische Ereignisse reagieren zu können. "Die Kunst des Wahlkampfes besteht in der inhaltlichen Koordination von Politik und Werbung durch eine gute Organisation." (WOLF 1985, S. 76.)

In der Schlussphase - dies sind die letzten 2-3 Wochen vor dem Wahltermin - kommt es zum Höhepunkt der politischen Propaganda. Dazu gehören die kommerzielle Großplakatierung, der massierte Anzeigeneinsatz, sich steigernde politische Angriffe auf den Gegner, das werbewirksame Auftreten bekannter Bundespolitiker, eine große Schlusskundgebung, kurz vor der Wahl ein letzter öffentlicher Aufruf und eine letzte Großanzeige.

Je emotionalisierter der Wahlkampf in der Schlussphase geführt wird, desto mehr Stimmen kann diejenige Partei für sich verbuchen, der es gelingt, die entsprechenden Themen zu besetzen.

Entscheidend für den erfolgreichen Verlauf des Wahlkampfes ist die Mobilisierung der eigenen Mitglieder, der Sympathisanten und der Randwähler. Die entsprechende Motivation und Mobilisierung in der Schlussphase des Wahlkampfes muss aber genau terminiert sein. Erfolgt die Mobilisierung zu früh, so wird das erreichte Niveau oftmals nicht durchgehalten, zusätzliche Kräfte können im entscheidenden Augenblick nicht mehr aktiviert werden, oder durch die permanente Anspannung der Kräfte tritt bei den Mitgliedern eine Ermüdung und Abflachung des Engagements ein. Häufig wird deshalb eine kurze, "heiße" Schlussphase bevorzugt, besonders dann, wenn die Parteiführung nach einem langen Wahlkampf politisch nichts mehr zusetzen kann. Ein gleichbleibendes Niveau kann aber erreicht werden, indem eine erneute politische Motivierung durch ein unverbrauchtes Thema oder eine Variante des Angriffs auf den Gegner anvisiert wird. Setzt hingegen die Mobilisierung der Kräfte zu spät ein, kann die Partei den Vorsprung des Gegners bis zum Wahltag nicht mehr einholen, da viele Wähler ihre Wahlentscheidung bereits getroffen haben.

Auch wenn vor allem die politischen und personellen Angebote der Parteien für die Wahlentscheidung ausschlaggebend sind, so kann doch eine gute Zeitplanung viele Mängel verdecken oder organisatorische Vorteile schaffen, welche die inhaltlichen Stärken erst zur vollen Geltung bringen. Andererseits kann mangelhafte Kontinuität in der eigenen Planung dem Gegner sogar Gelegenheit geben, seine Standpunkte in der Schlussphase wegen fehlender Gegengewichte in der öffentlichen Meinung lawinenhaft zu verbreiten. Damit kann er sich einen Vorsprung sichern, der insbesondere die Meinungsbildung der noch unentschlossenen Wähler beeinflusst. Beginnt der Wahlkampf aufgrund organisatorischer Pannen zu früh oder zu spät, können sich Stimmenverluste ergeben, die u.U. bei knappen Mehrheitsverhältnissen für den Wahlausgang ausschlaggebend sind.

Die Erwartung vieler Wahlkampfstrategen und Politiker an die Meinungsforscher, die Erfolgschancen von Wahlkampfstrategien und den Ausgang von Wahlen exakt prognostizieren zu können, sei, so J.J. Hesse und T. Ellwein, häufig überzogen und angesichts der vielen unwägbaren innen- und außenpolitischen Einflussfaktoren nicht zu realisieren: "zu komplex die zu berücksichtigenden möglichen Themenbereiche, zu fluktuierend das öffentliche Interesse, zu gefährdet der gesellschaftliche Konsens. Bedenkt man darüber hinaus, dass die Mobilität der Wählerschaft sich verstärkt hat, Werte und Einstellungen eher flexibel geworden sind und schließlich der moderne Staat eine Vielzahl neuer und zum Teil unvorhergesehener Probleme erzeugt, ist Skepsis gegenüber einem allzu technischen Verständnis von Wahlkampf und Wahlvorgang angezeigt." (HESSE/ELLWEIN 1992, S. 217f.)

HESSE/ELLWEIN 1992: J. J. Hesse/T. Ellwein: Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Text, 7., völlig neubearb. Aufl., Opladen 1992.
WOLF 1985: W. Wolf: Wahlkampf und Demokratie, Köln 1985.
 

 

 

 
 

www.projekt-wahlen2002.de und www.forschen-mit-grafstat.de
sind Projekte der
Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
Koordinierungsstelle Medienpädagogik/Fachbereich Multimedia
Projektkoordination: Tilman Ernst und des Teams von
www.pbnetz.de an der Universität Münster
unter der Leitung von
Dr. Wolfgang Sander, Andrea Meschede und Ansgar Heskamp.

Bundeszentrale für politische Bildung

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