Die zentrale Gegenwartsbedeutung des thematischen Schwerpunktes "Wahlkampf" - gleichsam als politisches Dauerereignis unserer modernen Informations- und Kommunikationsgesellschaft - wird angesichts der parteipolitischen Streitigkeiten unmittelbar deutlich. Zudem besitzt die Auseinandersetzung mit Inhalten und Methoden der Wahlwerbung und die übergreifende Intention, zu aufgeklärter Wählerkompetenz gerade des jungen Wahlbürgers beizutragen, traditionell einen hohen Stellenwert in der politischen Bildung. Daher gilt es, die politische Urteils- und Handlungsfähigkeit der Schüler/innen nachhaltig zu fördern, indem der motivierende Bezug zum aktuellen Wahlkampfgeschehen aufrechterhalten und bereits erworbene Kenntnisse über Wählerstrukturen sowie Einflussfaktoren der Wahlentscheidung in den Lernprozess integriert werden können.
Dieser Unterrichtseinheit liegt dabei eine doppelte Perspektive zugrunde: Einerseits sollen Wahlkampfstrategien und Werbemittel aus der Sicht der Parteien analysiert werden, andererseits kommt das Image des Wahlkampfes aus der Wählerperspektive zur Sprache.
Ein wichtiger Hinweis: Der notwendige Aufwand zur Vorbereitung der Unterrichtseinheiten darf nicht unterschätzt werden. Das Thema macht nur dann Sinn, wenn die Schüler/innen bereits einige Wochen vorher rechtzeitig damit begonnen haben, Wahlkampfmaterialien systematisch zu sammeln und nach vereinbarten Kriterien (z.B. zu bestimmten Themenschwerpunkten) zu ordnen. Auch die Präsenz der Parteien in den lokalen Medien sollte fortlaufend beobachtet werden, wozu insbesondere die Informationsgewinnung über örtliche Spitzenkandidaten gehört. dass die Parteien interne Planungsunterlagen des laufenden Wahlkampfes zur Verfügung stellen, wäre nützlich und hilfreich, kann aber nicht unbedingt erwartet werden. Ersatzweise sind evtl. Materialien aus zurückliegenden Bundestagswahlkämpfen heranzuziehen, auch wenn damit der erwünschte Bezug zum aktuellen Wahlkampfgeschehen vor Ort gelockert wird. Angesichts der knapp bemessenen Zeit kann die Analyse der gesammelten Materialien im Unterricht natürlich nur exemplarisch erfolgen. Um so wichtiger erscheint es, dass die Schüler/innen an der Auswahl geeigneter Materialien als auch an der Entwicklung des Fragenkatalogs bzw. Analyse-Rasters beteiligt werden.
Der Einstieg in die Unterrichtseinheit erfolgt durch die Präsentation der kontrastiven Karikatur "Wie's die anderen sehen" (-> M 07.02), wobei die Erschließung wiederum in mehreren Schritten vorgenommen wird. Zentrales Anliegen ist dabei, den Schüler/innen die gegensätzliche Einschätzung von Wahlkampf als Information bzw. als Manipulation vor Augen zu führen. Um diesen Effekt zu verstärken, lässt der Lehrer das Zitat zunächst abgedeckt und sammelt die spontanen Reaktionen der Schüler/innen zu dem von Wahlpräsenten überhäuften Bürger. Diesem offensichtlichen Reklamerummel wird die Funktion von Wahlkampf als Zeit der politischen Aufklärung gegenübergestellt, was die Lerngruppe zusätzlich motivieren soll, sich mit der sich daraus aufdrängenden Problemfrage zu beschäftigen.
Bevor nun die Schüler/innen eine Analyse von Wahlkampfstrategien, Wahlaussagen und Werbemitteln der Parteien leisten, muss zuvor ein entsprechender Fragenkatalog erstellt werden. Um diesen möglichst schülerorientiert zu gestalten, werden in einer Art Brainstorming zunächst sämtliche Frageaspekte an der Tafel gesammelt und anschließend geordnet sowie gegebenenfalls durch die Lehrperson ergänzt.
Für die nun folgende Erarbeitungsphase bilden die Schüler/innen Arbeitsgruppen mit dem Ziel, mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Texte (-> Methode: Text analysieren) detaillierte Fragenkataloge zu jeweils einem thematischen Untersuchungsgesichtspunkt (z.B. wichtige Themen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, Plakate/Anzeigen, TV-Spots, Personalisierung, Zielgruppenansprache) zu erstellen, die sich dann in der Präsentation der Gruppenergebnisse mittels Folie zu einem umfassenden Analyse-Raster zur Untersuchung des aktuellen Wahlkampfes zusammenfügen. (-> Methode: Erkundung)
Das gesammelte Wahlkampfmaterial wird anschließend in arbeitsteiliger Gruppenarbeit untersucht. Dabei soll den Schülern/innen deutlich gemacht werden, welcher Organisationsaufwand, welche Zeitplanung, welche Zielsetzungen und welcher Mitteleinsatz den Wahlkampf bestimmen. (-> Methode: Bildreportage anfertigen)
Methodisch ist es entweder möglich, dass eine Gruppe den Wahlkampf der CDU, eine weitere den der SPD usw. untersucht, oder aber - von den bisherigen Arbeitsschwerpunkten der Gruppen ausgehend, durch die sich jede Gruppe bereits zum "Experten" für ihr Gebiet qualifiziert hat -, dass eine Gruppe nur die Plakate/Anzeigen der Parteien, die zweite nur die Themen etc. analysiert. Der Vorteil der letzteren Vorgehensweise liegt in der direkten Anwendung des zuvor angeeigneten theoretischen Wissens, gleichzeitig jedoch besteht die Gefahr, dass es zu inhaltlichen Überschneidungen kommen kann.
Alternativ kann in dieser Erarbeitungsphase die Analyse auch auf Wahlplakate beschränkt werden, die durch den Vergleich mit der Plakatsynopse unter verschiedenen Fragestellungen der politischen Kommunikation durchgeführt wird. In diesem Fall muss bei der Unterrichtsplanung bedacht werden, dass sich die Erstellung eines entsprechenden Fragenkataloges von vornherein auf dieses Werbemittel konzentriert. (weitere Hinweise finden Sie im Exkurs "(Bilder)Sprache und Politik".) Je nach Zeit und Interesse besteht natürlich die weitere Möglichkeit, das Rasterplakat zusätzlich zur verstärkten Erarbeitung von zeitgeschichtlichen Entwicklungslinien in der Gestaltung von Wahlplakaten einzusetzen. (-> Methode: Plakat anlaysieren)
In der Vertiefungsphase soll schließlich eine Diskussion zur eingangs herausgearbeiteten Problemfrage: "Wahlkampf: Information oder Manipulation?" stattfinden. Dabei sind die Schüler/innen aufgefordert, vor dem Hintergrund der Gruppenarbeitsergebnisse kritisch Position zur aktuellen Wahlwerbung der Parteien zu beziehen. Die Lerngruppe sollte darauf achten, keine Pauschalurteile zu fällen, sondern ihre Meinung begründet und differenziert darzulegen.
Ferner ist die Diskussion darauf angelegt, einzelne Aspekte zu vertiefen und überdies eine zusammenfassende Beurteilung des aktuellen Wahlkampfes zu formulieren. Es wäre zu wenig erreicht, wenn die Schüler/innen nur den geringen Informationsgehalt von Wahlkampfslogans erkennen und den manipulativen Charakter der Wahlwerbung anprangern und die Verantwortung dafür allein den Parteien anlasten. Die Schüler/innen sollten sich vielmehr darüber Rechenschaft geben, durch welche der untersuchten Materialien - Slogans, Bildmotive, Personalisierungen etc. - sie sich in der Wählerrolle am ehesten angesprochen fühlen, um die Einsicht zu erlangen, dass die eigene Empfänglichkeit in hohem Maße von emotionalen und suggestiven Werbemitteln bestimmt wird. (-> Methode: Plakat entwerfen)
Aus der zu erwartenden Kritik an der aktuellen Wahlkampfführung der Parteien leitet sich die interessante Frage nach der grundlegenden Notwendigkeit von Wahlkampf ab. Damit wird indirekt die Überleitung zur nächsten Unterrichtseinheit geschaffen, in der die Möglichkeit untersucht werden soll, aus der Sicht der Wähler das Gegenbild eines Wahlkampfes zu entwerfen, der als echte Entscheidungshilfe zu dienen vermag (z.B. argumentativ statt suggestiv, Dialog statt Parolen etc.), und die Bedingungen zu klären, unter denen er zu realisieren ist.
Als eine sinnvolle Ergänzung innerhalb dieser Unterrichtsreihe hat sich die vertiefende Problematisierung der Wahlkampfkritik anhand der Arbeitsmaterialien -> M 07.03 - M 07.05 erwiesen. (-> Methode: Text exzerpieren) Darin geht es vor allem um das Spannungsfeld zwischen normativ-demokratischem Anspruch von Wahlkampf (Soll-Funktion) und pragmatischer Sozialtechnik (Ist-Zustand), in dem sich die öffentliche Kontroverse um die Wahlwerbung der Parteien traditionell bewegt.
Als Abschluss eignet sich die -> Methode: Interview durchführen.
Baustein 6.2: Wahlkampf als politische Aufklärung: Alternative zu Schlammschlachten?
In diesem Themenschwerpunkt werden die Widersprüche, die in der Wahlkampfführung zutage treten, aufgearbeitet und in Szene gesetzt. Dies geschieht dadurch, dass die Schüler drei wichtige Rollen der am Wahlkampf beteiligten Akteure übernehmen. Die Rolle des Parteipolitikers, die Rolle des Wahlkampfmanagers und die Rolle des Wählers/der Wählerin (Rollenkarten siehe unten).
In der Rolle des Wählers/der Wählerin ist die Richtung vertreten, die den kritischen, informierten und mündigen Bürger vertritt, also das Ideal des aufgeklärten, rationalen Wählers (W1). Ebenso vertreten ist auch der Bürger, der Spaß daran hat, wenn Politiker sich streiten und wenn es Politikern gelingt, durch Werbegags und polemische Bemerkungen auf sich aufmerksam zu machen (W2). Auch in der Rolle des Politikers wird der Rollenzwiespalt durch die Präsenz eines mehr auf Information hin angelegten, nüchtern argumentierenden Politikers (P1) und durch die Präsenz eines emotionsgeladenen, plakativ sprechenden und auf Wirkung bedachten Politikers (P2) vertreten, wie er häufig in der Wirklichkeit zu finden ist. Dieses Rollenbild entspricht etwa den allgemeinen Vorstellungen der Bürger von Politikern. In ähnlicher Weise spiegeln sich bei den Rollenkonzepten der Wahlkampfmanager unterschiedliche Auffassungen: Der Vertreter eines emotionsgeladenen, plakativen Wahlkampfes (M1) steht neben dem Anhänger eines primär argumentierenden Wahlkampfes (M2). Gleichzeitig sollten sich auch in dieser dritten Rolle die unterschiedlichen Aufgaben von Regierung und Opposition widerspiegeln.
Durch die Inszenierung des Rollenspiels als Podiumsdiskussion zwischen Vertretern unterschiedlicher Positionen wird anschaulich demonstriert, dass der Wahlkampf ein System wechselseitig abhängiger Rollen darstellt. Dieses System wird durch viele Faktoren beeinflußt, aber auch durch die Art und Weise, wie die Hauptakteure ihre Rollen definieren. Das Rollenspiel 'Podiumsdiskussion' bringt schon in der ersten Runde ein überraschendes Ergebnis zutage, dass nämlich die schwerpunktmäßige Profilierung des Wahlkampfes in Richtung 'Information' oder in Richtung 'Manipulation' vom Verhalten und von der Einstellung der Wähler/Wählerinnen abhängig ist.
In der zweiten Runde der Podiumsdiskussion wird der Frage nachgegangen, welche Veränderungsmöglichkeiten die einzelnen Akteure haben. Die Akteure tragen jeweils aus der Sicht ihrer Rolle vor, welche Erwartungen sie an die Rolle der anderen haben und an welchen Stellen sie selbst bereit sind, Veränderungen vorzunehmen, um den Argumentationswert des Wahlkampfes zu erhöhen. Ob die Wähler eine eher passive Rolle im Wahlkampf spielen oder eher eine aktive und kritische, ist für den Verlauf des Wahlkampfes von erheblicher Bedeutung. Vielfach wissen aber die Bürgerinnen und Bürger wenig über die Möglichkeiten, sich aktiv in das Wahlkampfgeschehen einzumischen. Daher übernehmen die Rollenspieler W1 und W2 hier die Aufgabe, die Handlungsmöglichkeiten der Wähler/Wählerinnen am Beispiel von Jungwählern aufzuzeigen und so das Rollensystem Wahlkampf in Richtung mehr Informationsverarbeitung und weniger Manipulation zu verändern. Diese Podiumsdiskussion mit verteilten Rollen ist eine gute Grundlage für die Schülerinnen und Schüler, das Wahlkampfgeschehen gezielt zu beobachten und partiell zu beeinflussen, indem sie Kontakt aufnehmen zu Politikern, Parteien und diese zu sich einladen.
Die Verteilung der Rollen für die Podiumsdiskussion nimmt die Lehrperson in Absprache mit den Schülern vor. Die Vorbereitung auf die Rollen führen die Schülerinnen und Schüler selbständig durch, indem sie sich mit Hilfe der Rollenkarte und den dort angegebenen Materialien in die Rolle hineindenken und jeweils zu den dort angegebenen Fragen bzw. Diskussionspunkten eine schlüssige Argumentation aufbauen. dass es in der Podiumsdiskussion um zwei thematische Schwerpunkte geht, ist allen Rollenspielern gleichermaßen bekannt (s. Rollenkarten). dass es innerhalb der Rollen P, W und M unterschiedliche Ausrichtungen gibt, erfahren die Podiumsdiskussionsteilnehmer erst im Verlauf des Rollenspiels.
Die Lehrperson übernimmt die Diskussionsleitung. Sie kann den Einstieg in die Podiumsdiskussion mit Hilfe der Karikatur -> M 07.01 gestalten, in der auf die Tendenz zur Schematisierung der Wahlkampfaussagen hingewiesen wird. Die Podiumsdiskussion kann er nun mit der direkten Aufforderung an die Rollenspieler beginnen, darzustellen, worauf es ihnen bei der Durchführung des Wahlkampfes ankommt. Beginnen sollten die Vertreter der Parteien. Nachdem die Rollen P, W, M sich in ihren Ausführungen vorgestellt haben, müßte deutlich geworden sein, dass es unterschiedliche, zum Teil widersprüchliche Vorstellungen über den Wahlkampf gibt. Die Lehrperson kann als Moderator nun je nach Notwendigkeit dazu beitragen, diese Kontoversen zu verschärfen oder zu besänftigen, um für die zuschauenden Schüler/Schülerinnen die Unterschiede deutlich herauszuarbeiten. Dies kann dadurch geschehen, dass er die Podiumsdiskussionsteilnehmer auffordert, zu den Vorstellungen der anderen Rollenspieler Stellung zu nehmen und diese zu bewerten.
Nachdem in dem Wechselspiel der Argumente und Statements die unterschiedlichen Positionen deutlich geworden sind, kann nun als verstärkendes Element noch die Sichtweise der anderen Schüler (Zuschauer) eingebracht werden. Diese sollten danach gefragt werden, welche Auffassung sie von Wahlkampf haben (sie haben ja ihre Eltern bzw. andere Erwachsene über ihre Meinung zum Wahlkampf interviewt). Die Schüler/Schülerinnen werden aufgefordert, 'Partei' zu ergreifen für die eine oder andere Auffassung, die in der Podiumsdiskussion vorgetragen wurde. Der Realitätsbezug und die Dramatik der Diskussion werden durch diese Komponenten erheblich verstärkt. Die Überleitung zur zweiten Runde wird dadurch vorbereitet, dass nun auch verstärkt bewertet werden soll, welche Art von Wahlkampf für gut und welche für weniger gut gehalten wird. Als Unterscheidungsmerkmal können hier die informativen bzw. manipulativen Elemente im Wahlkampf dienen. Die zweite Runde der Podiumsdiskussion leitet die Lehrperson mit der Frage ein, welche Veränderungen des Wahlkampfes möglich sind. Jeder Rollenspieler sollte nun aus seiner Sicht und auf der Grundlage der bisherigen Argumentation Erwartungen an die anderen Rollenspieler artikulieren, inwiefern sie ihr Verhalten im Wahlkampf verändern. So gelingt es, die wechselseitige Abhängigkeit der Rollen im Wahlkampf deutlich zu machen und herauszuarbeiten, dass Veränderungen im Rollenprofil nur dann möglich sind, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Die Rollen im Wahlkampf stellen ein System wechselseitiger Abhängigkeiten dar.
Nach den Aktivitäten der Rollenspieler sind dann wiederum die zuschauenden Schülerinnen und Schüler gefragt: Diese Art von Rückkopplung dient dazu, die Klassen stärker in die Diskussion miteinzubeziehen und den Realitätsbezug der Positionen zu erhöhen. Je nachdem wie intensiv die Diskussion geführt wird und wo der theoretische Schwerpunkt der Diskussion liegt, kann der Diskussionsleiter auch die Aufmerksamkeit auf die Klärung der näheren Bedingungen lenken, unter denen der Wahlkampf sich mehr informativ und argumentativ gestaltet oder eher polemisch und manipulativ. Diese Frage sollte nicht abstrakt und rein theoretisch erörtert werden, sondern ausgehend von den bisher gespielten Rollen und den dazu vorgebrachten Argumenten. Wenn die hier vorgetragenen Positionen deutlich herausgearbeitet sind, kann der Diskussionsleiter die Podiumsdiskussion mit Dank an alle Beteiligten beenden.
Anschließend trägt die Beobachtungsgruppe ihre Erbebnisse vor, die sie mit Hilfe des Beobachtungsschemas gesammelt hat. Auf diese Weise wird in geraffter Form noch einmal der Verlauf der Podiumsdiskussion rekapituliert. Um diesen Eindruck auch optisch zu unterstreichen, empfiehlt sich der Einsatz von Folien. Bezüglich des ersten Themas dürfte nun für alle Beteiligten erkennbar sein, dass die Rollen ein zusammenhängendes System von Interaktionsbeziehungen darstellen. Politiker haben hier nur einen begrenzten Spielraum, ihre Rollen zu verändern: Sie laufen Gefahr, an der politischen Wirklichkeit zu scheitern. Im zweiten Teil des Berichtes der Beobachtungsgruppe dürfte deutlich werden, dass der geringe Veränderungsspielraum nur dann genutzt werden kann, wenn es auch gelingt, die Wählerinnen und Wähler aktiv in das Interaktionsgeschehen miteinzubeziehen.
Die Schülerinnen und Schüler haben sich im Rahmen dieser Podiumsdiskussion und des Rollenspiels grundlegende Kenntnisse über den Wahlkampf angeeignet und gleichzeitig dieses Wissen argumentativ in der Podiumsdiskussion erprobt. Ihr Handeln ist und bleibt jedoch ein Probehandeln, das nicht in der Realität stattfindet. Der Vorteil liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler hier Fehler machen dürfen und aus Fehlern lernen können, zum Beispiel bei der Einschätzung der Chancen, Einstellungen von Wählerinnen und Wählern zu verändern. Wenn die Zeit ausreicht und die Lehrperson, die Schülerinnen und Schüler sich stark genug fühlen, können sie den Schonraum Schule partiell verlassen und sich in kleinen Schritten aktiv in das Wahlkampfgeschehen einschalten, indem sie z.B. Politiker anschreiben und sie über ihre Auffassungen zum Wahlkampf befragen.
Bei der Sozialform 'Podiumsdiskussion' dürfte den Schülern/Schülerinnen deutlich werden, dass es Spaß machen kann, sich zur Vorbereitung auf eine Rolle Informationen zu beschaffen, weil mit Hilfe dieser Informationen Rollen besser gespielt werden können. Umgekehrt werden die Teilnehmer an dem Planspiel auch bemerken, dass man aus dem Spiel dieser Rolle heraus neue Fragen nach neuen Informationen entwickelt, die dann ihrerseits wieder darauf vorbereiten, bestimmte Aufgaben in der Realität besser zu bewältigen. Wenn die Schüler/Schülerinnen sich dann noch über die lokalen Besonderheiten des Wahlkampfes und die Ausgangslage der politischen Parteien informiert haben, bestimmte Veränderungen im Wählerverhalten benennen können und zukünftige Entwicklungen skizzieren können, dürften sie auch für Politiker, die sie in Klassen einladen oder die sie in Wahlkampfveranstaltungen aufsuchen, interessante und ernst zu nehmende Gesprächspartner sein. Auf diese Art und Weise dürfte es gelingen, Jugendliche dauerhaft für das politische Geschehen zu interessieren und zu aktiven Wählern zu machen, die ihren Teil zur Verbesserung des Wahlkampfgeschehens beizutragen bereit sind.
Rollenkarten
Politiker/Politikerin (P1): Sie sind seit 12 Jahren in der Politik tätig, Ihren Wahlkreis vertreten Sie seit zwei Wahlperioden im Bundestag. Ihre Auffassung über den politischen Wahlkampf ist: Er ist notwendig, er sollte fair und informativ geführt werden. Persönlich belastet er Sie enorm. Sie halten es nicht für Ihre Aufgabe als Politiker, im Wahlkampf eine 'Show abzuziehen' oder mit Polemiken den politischen Gegner fertig zu machen (s. -> M 07.16, -> M 07.17). Sie leiden darunter, wenn diese Art der Wahlkampfführung sich durchsetzt (s. -> M 07.07). (Als Rollenspieler können Sie selbst entscheiden, welcher Partei Sie angehören möchten.)
Politiker/Politikerin (P2): Sie sind seit 12 Jahren in der Politik tätig, Ihren Wahlkreis vertreten Sie seit zwei Wahlperioden im Bundestag. Ihre Auffassung über den politischen Wahlkampf: Er macht Ihnen ausgesprochen Spaß. Sie haben nichts dagegen, wenn es Ihnen und Ihrer Partei gelingt, durch unterhaltsame Elemente, die Wähler für sich zu gewinnen und durch 'etwas' Polemik den politischen Gegner ins Abseits zu drängen (s. -> M 07.16, -> M 07.17). (Als Rollenspieler können Sie selbst entscheiden, welcher Partei Sie angehören möchten.)
Wähler/Wählerin (W1): Sie verfolgen seit Jahren als mündige Bürgerin oder Bürger den Wahlkampf aufmerksam. Sie können folgendes feststellen: Im Wahlkampf wird von den meisten Parteien viel Rummel gemacht. Sie haben den Eindruck, dass im Wahlkampf viel emotionalisiert, aber wenig informiert wird. Sie wünschen sich, dass die Politiker mehr informieren und keine 'Show abziehen' und nicht große Versprechungen machen, die sie dann später doch nicht halten können (s. -> M 07.16, -> M 07.09).
Wähler/Wählerin (W2): Sie verfolgen seit Jahren als mündige Bürgerin oder Bürger den Wahlkampf aufmerksam. Sie können folgendes feststellen: Im Wahlkampf wird von den meisten Parteien viel Rummel gemacht, Sie haben den Eindruck, dass im Wahlkampf viel emotionalisiert, aber wenig informiert wird. Sie begrüßen es, wenn die Politiker im Wahlkampf weiterhin eine gute Mischung aus Unterhaltung und Information bieten. Ein bißchen Polemik ja, aber unfair soll es nicht werden (s. -> M 07.16, -> M 07.09).
Wahlkampfmanager/Wahlkampfmanagerin (M1 u. M2): Sie haben für ihre Partei den Wahlkampf 1994 im heimatlichen Wahlkreis durchgeführt und werden es auch 1998 tun. Für Sie ist es wichtig, durch geschickten Einsatz von Wahlkampfmitteln, Parteimitglieder und Stammwähler zu mobilisieren, Wechselwähler und Unentschiedene für Ihre Partei zu gewinnen. Was bei den Wählern gut ankommt, wird eingesetzt (-> M 07.11). Wenn Sie personalisieren, emotionalisieren oder auch polemisieren, dann deshalb, weil dies bei der Masse der Wähler wirkt. Wenn Informationen besser ankommen, dann setzen Sie stärker auf Informationen, wenn Unterhaltung, dann auf Unterhaltung, wenn Polemik, dann auf Polemik, da sind Sie offen. (Als Rollenspieler M1 und M2 stimmen Sie sich ab, wer für eine Regierungspartei, wer für eine Oppositionspartei tätig ist.) (s. -> M 07.14 und -> M 07.15)
Handlungsanweisung für alle Rollenspieler/innen:
Formulieren Sie aus Ihrer Sicht,
a) worauf es Ihnen im Wahlkampf ankommt,
b) warum der Wahlkampf so schlecht beurteilt wird und
c) was sich aus Ihrer Sicht ändern sollte.
Bereiten Sie sich auf die Podiumsdiskussion vor, indem Sie Ihre Auffassung vom Wahlkampf stichwortartig notieren, die zu vermutenden Auffassungen der anderen Podiumsteilnehmer vorwegnehmen und Ihre Antworten dazu vorbereiten.
Aufgaben für die Beobachtergruppe
Als Beobachtergruppe habt Ihr die Aufgabe, die Podiumsdiskussion kritisch und konstruktiv zu verfolgen. Anhaltspunkte für Eure Auseinandersetzung mit den vorgespielten Rollen können u.a. die folgenden drei Fragen sein:
- Welche Auffassungen vom Wahlkampf spiegeln sich im Rollenverständnis der einzelnen Akteure?
- Versucht, die wechselseitige Bedingtheit der in der Diskussion vertretenen Wahlkampfauffassungen zu kennzeichnen. (Inwieweit ist es für die Rollenspieler notwendig, sich auf eine gegnerische Position jedenfalls z.T. einzulassen, um die eigenen Zielvorgaben zu erfüllen? An welchen Punkten kommt es zu Verständigungen zwischen den Akteuren bzw. zur Verschärfung der eigenen Rolle?)
- Welche Handlungsspielräume für eine Veränderung des Wahlkampfkonzeptes sind Eurer Auffassung nach in den einzelnen Rollen angelegt?