Wahlanalyse
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 Planungshinweise
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


 Baustein 4: Wahlsysteme und Wahlrecht
 

Baustein 4.1: Prinzipien und Wirkungsweisen von Mehrheits- und Verhältniswahl

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Wie werden aus Wählerstimmen Abgeordnetenmandate?

Zur Fähigkeit, die Bedingungen und Aussichten einer Wahlentscheidung ermessen zu können, gehören nicht zuletzt Kenntnisse über das Regelsystem des Wahlverfahrens. Insofern haben die Intentionen dieser Unterrichtseinheit einen wichtigen instrumentalen Stellenwert im Rahmen der vorliegenden Unterrichtsreihe. Sie richten sich auf die Vermittlung von Grundkenntnissen über die Funktionsweise des Mehrheits- und des Verhältniswahlrechts, die Befähigung der Schüler/innen, beide Wahlsysteme im Hinblick auf ihre Ziele und ihre Wirkungen problematisieren zu können, und auf die Vermittlung der Kompetenz, die Besonderheiten und den Sinn des komplizierten Mischwahlsystems der Bundesrepublik erkennen, verstehen und beurteilen zu können.

Den angestrebten Kenntnissen und Einsichten kommt zugleich eine grundsätzliche Bedeutung für die politische Bildung zu: Die Schüler/innen sollen dadurch eine kritische Reflexions- und Handlungsfähigkeit für ihre künftige Rolle als mündige Wähler und Staatsbürger erlangen und in der Lage sein, in Wahlrechtsfragen sachkundig Stellung zu nehmen, indem sie sowohl die Auswirkungen wie die politischen Motive von Wahlrechtsreformvorschlägen erkennen und beurteilen können. dass die Regelung des Wahlverfahrens keineswegs nur eine Frage technischer Zweckmäßigkeit darstellt, sondern über die politische Chancenverteilung mitentscheidet und deshalb ein Streitobjekt von großer Sprengkraft bildet, zeigen die immer wieder auflebenden Debatten über eine Änderung des Wahlsystems der Bundesrepublik.

Als motivierender Einstieg in die Unterrichteinheit dient der Text -> M 04.01b, der den Schüler/innen auf einer Folie präsentiert wird und ihr Erkenntnisinteresse stimulieren soll. Denn nach der Beschreibung des Konflikts um eine Änderung des geltenden Verhältniswahlrechts zugunsten eines Mehrheitswahlrechts wird der Lerngruppe rasch deutlich werden, dass für eine sachkundige Beurteilung dieser Auseinandersetzung der Erwerb grundlegender Kenntnisse der Mehrheits- und Verhältniswahl unbedingt notwendig ist. Schon jetzt erkennen die Jugendlichen indes, dass Änderungen des Wahlrechts mit erheblichen politischen Folgen verbunden sind und nicht zuletzt das Eigeninteresse der Parteien berücksichtigen. Damit kann die leitende Problemfrage der UE nach den Prinzipien und Wirkungsweisen dieser beiden Wahlsysteme vom Lehrer an der Tafel fixiert werden.

Zunächst geht es nun darum, dass die Schüler/innen anhand der Bearbeitung des Textes -> M 04.04 die Ziele und Entscheidungsregeln der zwei Grundtypen von Wahlsystemen kennenlernen und so den jeweiligen Weg von den Wählerstimmen zum Mandat nachvollziehen können. (-> Methode: Text in ein Schaubild umwandeln) Die wichtigsten Ergebnisse dieser Unterrichtsphase werden anschließend an der Tafel zusammengefasst und strukturiert. Eventuell bietet sich hier zusätzlich die Erläuterung der beiden Wahlsysteme mit Hilfe des Schaubildes -> M 04.07 an, in dem die Repräsentationsprinzipien des Mehrheits- und Verhältniswahlrechts graphisch sehr ansprechend aufbereitet sind.

Daran schließt eine weitere Erarbeitungsphase an, in der die Schüler/innen die Aufgabe haben, in arbeitsteiliger Gruppenarbeit die jeweiligen Vor- und Nachteile der beiden Wahlsysteme anhand der Texte -> M 04.05 und -> M 04.06 stichwortartig zusammenzufassen. Die entsprechenden Arbeitsergebnisse werden dann zur Sicherung ergänzend in das bereits zuvor entwickelte Tafelbild eingefügt, so dass der Lerngruppe in dieser antithetisch strukturierten Gegenüberstellung noch einmal die Unterschiede zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl deutlich vor Augen geführt werden (vgl. Tafelbild: Grundtypen von Wahlsystemen).

In der nachfolgenden Vertiefungsphase wird wieder der Spannungsbogen zur Ausgangsproblematik der Unterrichtseinheit geschlagen, indem den Schüler/innen erneut die Eingangsfolie präsentiert wird. Vor dem Hintergrund der zuvor erworbenen Kenntnisse hinsichtlich der Besonderheiten beider Wahlsysteme soll nun eine kontroverse Pro- und Contra-Diskussion erfolgen, in der die Jugendlichen kritisch Stellung nehmen zu der umstrittenen Forderung. Damit bleiben die Regelsysteme der beiden Wahlverfahren nicht theoretisch-abstrakt, sondern werden für die Lerngruppe exemplarisch nachvollziehbar an einen konkreten Fall aus der politischen Praxis angebunden und problematisiert.

Alternativ kann die Auseinandersetzung mit den beiden Wahlsystemtypen auch im Rahmen eines regelgeleiteten Streitgespräches, z.B. einer Debatte wie im englischen Unterhaus, geführt werden. (-> Methode: Pro-Contra-Debatte) Dabei werden zwei Gruppen gebildet, von denen die eine den Vorschlag Henkels zu verteidigen hat und damit das Mehrheitswahlrecht, während die andere Gegenargumente vorbringt und sich für die Beibehaltung des Verhältniswahlrechts ausspricht. In diesem Falle sollte jedoch nicht auf eine anschließende Methodenreflexion verzichtet werden, in der die spezifischen Leistungen dieser handlungsorientierten Vorgehensweise für den Unterrichtsprozess erörtert werden. Nach unseren Erfahrungen hat sich hier der Einsatz einer Schülergruppe bewährt, die mit Hilfe eines vorbereiteten Beobachtungsbogens den Diskussionsprozess mitprotokolliert. Abschließend sind die Mitglieder der Lerngruppe aufgefordert, unabhängig von den zuvor im Streitgespräch eingenommenen Rollen gemäß ihrer eigenen Position den umstrittenen Vorschlag Henkels kritisch zu beurteilen.

Als vertiefende Hausaufgabe sollen die Schüler/innen anhand von Statistiken zu ausgewählten Parlamentswahlen in England und Frankreich (-> M 04.08 und -> M 04.09) die konkreten Auswirkungen der verschiedenen Wahlsysteme kennenlernen und sich mittels dieser Zahlenbeispiele kritisch mit der These D. Nohlens auseinandersetzen, wonach Wahlsystemfragen Machtfragen sind. (-> Methode: Frage-Antwort-Spiel entwerfen)


Baustein 4.2: Personalisierte Verhältniswahl in der Bundesrepublik

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Nachdem die Schüler/innen in der vorangegangenen Unterrichtseinheit die beiden Grundtypen des Mehrheits- und Verhältniswahlsystems in ihrer allgemeinen Ausrichtung kennengelernt haben, geht es in dieser UE nun darum, sich eingehend mit der besonderen Funktionsweise des personalisierten Verhältniswahlrechts in der Bundesrepublik Deutschland auseinanderzusetzen.

Die wesentlichen Zielsetzungen bestehen dabei darin, dass die Schüler/innen Entscheidungsprinzipien und Verrechnungsverfahren von Erst- und Zweitstimme auf dem Weg von den Wählerstimmen zum Mandat kennen, die unterschiedliche Bedeutung von Erst- und Zweitstimme erklären, anhand konkreter Zahlenbeispiele das Umrechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer nachvollziehen und diese Berechnung der Sitzverteilung im Rahmen von Kontrollaufgaben selbständig anwenden können.

Ferner soll eine kritische Beurteilung des personalisierten Verhältniswahlrechts in der Bundesrepublik erfolgen, wobei insbesondere die Legitimität von "Leihstimmenaktionen" im Zuge des allgemein verbreiteten Stimmen-Splittings hinterfragt wird.

Zu Beginn der Unterrichtseinheit wird der Lerngruppe die Glosse -> M 04.13 "Was bedeutet die Zweitstimme?" auf einer Folie vorgelegt. Die recht ausgefallenen Erklärungsversuche der Passanten, die von einer Zeitung zur Bedeutung der Zweitstimme "befragt" wurden, spiegeln gewissermaßen überzeichnet die tatsächlichen Probleme des Wahlbürgers mit der Zweitstimmenkonstruktion des bundesrepublikanischen Wahlsystems wider, was zahlreiche Umfragen immer wieder belegen.

Damit kommt dem Einstieg eine motivierende Funktion zu, bei den Schüler/innen das Interesse zu wecken, sich mit der daraus erwachsenden Problemfrage der Unterrichtseinheit näher zu beschäftigen, wie denn das auf den ersten Blick ein wenig kompliziert erscheinende Wahlsystem der Bundesrepublik nun eigentlich funktioniert.

In einer ersten Erarbeitungsphase soll zunächst geklärt werden, in welcher Weise das Mischwahlsystem der Bundesrepublik Elemente des Verhältniswahlrechts (Proporz) mit denen des Mehrheitswahlrechts (Personalisierung) verbindet, sowie der erfahrungsgemäß zentralen Fragestellung nachgegangen werden, warum die Zweitstimme bei der Sitzverteilung von entscheidender Bedeutung ist.

Dies erledigen die Schüler/innen anhand der originalgetreuen Kopie eines Stimmzettels (-> M 04.12) und des Arbeitstextes -> M 04.14 empfehlenswerterweise in Partnerarbeit, wobei dabei damit gerechnet werden muss, dass die Lehrerperson bei dieser recht komplexen Thematik des öfteren wichtige Verständnisfragen, wie z.B. zum Stimmen-Splitting oder zu Überhangmandaten, zu klären hat und lernschwächeren Gruppen gezielt Hilfestellungen geben muss. Die wichtigsten Arbeitsergebnisse werden anschließend an der Tafel strukturiert zusammengefasst (Tafelbild: Zweitstimme und Sitzverteilung).
(Alternative zum Tafelbild: -> Methode: Lernplakat erstellen)

Ergänzend kann an dieser Stelle die überaus anschauliche Graphik -> M 04.15 den Schüler/innen auf einer Folie präsentiert werden, die noch einmal sehr deutlich den Weg von den Wählerstimmen zu den Bundestagssitzen aufzeigt. Ferner bietet sich auch zusätzlich an, mit Hilfe eines Folienstimmzettels, unterschiedliche Möglichkeiten der Stimmabgabe - gültig wie ungültig - zur Festigung des erworbenen Wissens durchzuspielen. Die Schüler müssen somit erklären können, wann und warum ein Stimmzettel gültig ist und wann nicht.

Bevor nun im weiteren Unterrichtsverlauf das in der Bundesrepublik gegenwärtig maßgebliche Umrechnungsverfahren Hare/Niemeyer erörtert und anhand von Zahlenbeispielen praktisch angewandt werden kann, sollte die Besonderheit der 5%-Klausel im Wahlrecht hierzulande angesprochen werden. Entweder geschieht dies im Lehrervortrag oder durch ein kurzes Schülerreferat auf der Grundlage des Textes -> M 04.11, der zudem einen knappen Überblick über die wichtigsten Änderungen im Wahlsystem seit 1949 enthält.

Als Überleitung in die zweite Erarbeitungsphase dient ein einprägsames Rechenbeispiel zur Sitzverteilung nach den erzielten Zweitstimmen der FDP, woraus sich die Problemstellung ableitet, dass sich Stimmenanteile nicht bruchlos in Mandatszahlen umrechnen lassen und daher ein spezielles Umrechnungsverfahren benötigt wird.

Das derzeit für Bundestagswahlen gültige Hare/Niemeyer-Verfahren wird anschließend von den Schüler/innen anhand des Textes -> M 04.20 und der Rechenbeispiele -> M 04.21 und -> M 04.22 erarbeitet, wobei letzteres zur Illustration dieses Verrechnungsverfahrens konkrete Zahlenbeispiele enthält. Nachdem an der Tafel zur Sicherung noch einmal kurz der Grundgedanke des Hare/Niemeyer-Verfahrens festgehalten worden ist, bekommt die Lerngruppe die anwendungsorientierte Aufgabe, in Partnerarbeit das Rechenbeispiel -> M 04.22 durchzurechnen, was der Festigung des zuvor erworbenen Wissens dient. Ein guter Tip hier: Eine Arbeitsgruppe bitten, ihre Berechnungen auf eine Folie zu übertragen, damit anschließend im Plenum der Weg der Umrechnung für alle gut nachvollziehbar bleibt, insbesondere die Entstehung von Überhangmandaten.

In der abschließenden Vertiefungsphase der Unterrichtseinheit erfolgt nun mit Hilfe des "Möllemann-Angebotes" (-> M 04.18 und -> M 04.19), mit dem die Schüler/innen auf einer Folie konfrontiert werden, eine kritische Auseinandersetzung mit dem personalisierten Verhältniswahlrecht. So müsste an dieser Stelle das wahltaktische Stimmen-Splitting und dessen Folgen problematisiert werden. Implizit sollte hier gleichfalls deutlich werden, dass es nicht nur für Wähler, sondern auch für Parteimitglieder wichtig ist, das Wahlsystem zu durchschauen, indem die konkreten Auswirkungen einer solchen "Leihstimmenaktion" für CDU und FDP reflektiert werden. Darüber hinaus wäre auch eine vertiefende Kontroverse unter Bezugnahme auf die besonderen Zielsetzungen des bundesdeutschen Wahlrechts nach Personalisierung und Proporz denkbar; etwa darüber, inwieweit dieses System als gelungene Synthese betrachtet werden darf. Einer Schülerdiskussion zum Thema kann die Methode -> Gesprächsregeln einüben vorangestellt werden.

In diesem Zusammenhang erscheint es ferner sinnvoll, wenn der/die Lehrer/in auch die Fünfprozentklausel zur Diskussion stellt, wobei sich diese Thematik nach unseren Erfahrungen mit Hilfe der Materialien -> M 04.23 und -> M 04.24 hervorragend für die methodischen Formen des Streitgesprächs oder der Debatte eignet.

Neben der bereits angesprochenen 5% sind folgende Aspekte als ergänzende Themenbereiche für Schülerreferate fakultativ in die Unterrichtseinheit integrierbar:

Als Hausaufgabe eignet sich die Erarbeitung des Testes "Wie wird man Kandidat/in einer Partei?" (-> M 04.27) (-> Methode: Schaubild vervollständigen)

 

 

 

 
 

www.projekt-wahlen2002.de und www.forschen-mit-grafstat.de
sind Projekte der
Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
Koordinierungsstelle Medienpädagogik/Fachbereich Multimedia
Projektkoordination: Tilman Ernst und des Teams von
www.pbnetz.de an der Universität Münster
unter der Leitung von
Dr. Wolfgang Sander, Andrea Meschede und Ansgar Heskamp.

Bundeszentrale für politische Bildung

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